MIT GRÖSSE UND DEKADENZ

Von der Revolution zur Evolution: Wie Mitsubishi vor 50 Jahren zum Siegeszug ansetzte.

Der allererste Auftritt von Mitsubishi in der internationalen Rallye-Szene geht auf Oktober 1967 zurück, also vor 50 Jahren. Der Export des Colt 800 nach Australien war zwei Jahre vorher angelaufen. 1966 war die Rallye Southern Cross aus der Taufe gehoben worden, die bei den Antipoden rasch grossen Zuspruch fand. Start und Ziel des Rennens lagen in Sydney, und die Strecke über rund 4000 km reichte bis nach Bairnsdale, mit zwei Läufen in Canberra. Um den Colt im Land ins Gespräch zu bringen und um den Nachfragen der einschlägigen Rennfahrer zu entsprechen, tauschte der Hersteller den Zweitakter mit 843 cm3 Hubraum gegen einen Viertakter mit 977 cm3 aus.

Vier Colt 1000F (F für Fastback) kamen zum Einsatz. In Canberra lag die kleine japanische Limousine von Colin Bond auf dem vierten Rang hinter den drei offiziellen Mini Cooper S von Timo Mäkinen, Paddy Hopkirk und Tony Fall. Bis zum Ziel fielen die ersten beiden aus (Getriebeschaden), und der Dritte handelte sich mit einer gerissenen Zylinderkopfdichtung einen beträchtlichen Rückstand ein. Der Sieg ging an den Volkswagen Käfer von Barry Ferguson, vor dem offiziellen Ford Cortina MKII von Frank Kilfoyle und dem von Bob Holden präparierten Cooper S. Das Team Colin Bond/Brian Hope schaffte die Sensation, indem es das Gesamtpodium nur knapp verpasste, aber dafür die Klasse F für sich entscheiden konnte. Mit dem unverhofften Erfolg begann die Geschichte von Mitsubishi im Rallye­sport.

Der Colt machte sein Debüt in Australien bei der Southern Cross Rallye.

Der Colt wird aufgerüstet

Der Colt war dann 1968 mit seinem auf 1088 cm3 vergrösserten Motor und 82 PS in seiner Klasse (G) unschlagbar, und Bond stieg als Dritter auf das Podium, neben dem Sieger John Keran im Volvo 142 und dem zweitplatzierten Kilfoyle im Cortina GT. Doug Stewart wurde Neunter im Gesamtklassement und Zweiter in der Klasse G. Für 1969 packte Mitsubishi der Ehrgeiz. Mit zwei Colt 1500 SS mit grösseren und stärkeren Motoren (120 PS), gründlicher Vorbereitung und längerem Radstand visierte die Marke entschlossen den Gesamtsieg bei der inzwischen legendären Prüfung an. Wegen einer unpas-
senden Fahrwerksabstimmung kam Bond nicht über Rang drei hinter dem unantastbaren Kilfoyle hinaus.

In jenem Jahr war der Sieger in einem Austin 1800 unterwegs, dem gleichen Wagen, mit dem er 1968 das legendäre Marathonrennen London–Sydney gewonnen hatte. Er war der erste Nichtaustralier, der sich am Rallye Southern Cross durchzusetzen vermochte. Sein Name: Andrew Cowan. Fünf Jahre später stiess der Schotte zunächst als allgegenwärtiger Fahrer zum japanischen Team und stieg 1983 zum Renndirektor auf.

Nach einer intensiven Beteiligung in den 1970er Jahren, gekennzeichnet durch mehrere internationale Erfolge, investierte Mitsubishi 1984 mit dem Starion in Gruppe B.

Der erste grosse internationale Erfolg

Die immer noch in Japan und in Australien angesiedelten Rennsport-Aktivitäten von Mitsubishi wurden Anfang der 70er-Jahre noch intensiver betrieben. Der Colt Galant AII GS war die neue Waffe. Der Valiant Galant (der von Chrysler in Australien produzierte Wagen trat nicht als Mitsubishi an) lag am Rallye Southern Cross 1971 lange an der Spitze. Wegen technischer Probleme fiel er auf den dritten Rang ab, holte sich aber im gleichen Jahr mehrere Siege in Japan. Cowan steuerte ihn 1972 zum Sieg und sicherte der Marke ihren ersten gros­sen internationalen Erfolg. Es sollte für Cowan der erste von fünf Siegen in Folge an diesem Anlass sein (1972–1976).

Die nächsten vier Siege holte er am Lenkrad des Lancer 1600 GSR. Der robuste und ausdauernde neue Wagen war wie geschaffen für den anspruchsvollsten Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft, das Safari Rally. Joginder Singh setzte sich 1974 und 1976 in Afrika durch. Die Dominanz des Colt Lancer auf dem Schwarzen Kontinent bestätigte sich 1977 mit dem Doppelsieg von Cowan und Singh an der Elfenbeinküste. Auch wenn die Rallye Bandama noch nicht zur WM zählte, war der Sieg doch äusserst aussagekräftig, setzten sich die Japaner doch gegen solche Grös­sen wie Hannu Mikkola, Henri Pescarolo, Timo Mäkinen und Jean-Pierre Nicolas (mit Beifahrer Jean Todt) in den offiziellen Peugeot 504 V6 Coupé durch. Alle vier fielen aus, und nur Jean Guichet konnte die Ehre der Marke mit seinem dritten Rang in einer 504-Limousine retten.

Der Galant VR4 war in der Gruppe A Sieger bei der Rallye der 1000 Seen. © Liabaud/DR

Auszeit wegen der Ölkrise

Mitsubishi liess wegen der Ölkrise für dreieinhalb Jahre ihre Rennaktivitäten ausfallen, gab aber dann mit dem Lancer EX 2000 Turbo ein Comeback in der sogenannten «konventionellen» Rallye-WM. In dieser kurzen Phase (1981–1982) stellte ein dritter Rang für den einzigen Werksfahrer, Pentti Airikkala, bei seinem Heimrennen (1000 Seen) 1982 das wichtigste Resultat dar.

Der Starion 4WD mit dem Allradantrieb des Pajero war der nächste Schritt, als Entwicklungsprojekt für die künftige Gruppe B. Lasse Lampi fuhr den Wagen 1984 ausser Konkurrenz am Rallye des 1000 Pistes und holte sich nicht überraschend den Sieg in der Kategorie Prototypen. Die Pisten des Militärgeländes im südfranzösischen Canjuers wimmelten damals nur so von Testaktivitäten. Henri Toivonen holte sich 1984 den Sieg im Porsche 911 SC RS und trat im folgenden Jahr mit einem Lancia Delta S4 an.

Mit dem Verbot der Gruppe B Ende 1986 kam auch das Ende für den Starion in dieser Kategorie. Die Geschichte des Starion Turbo Gruppe A ist genauso kurzlebig. Der treue Werksfahrer Kenjiro Shinozuka und der Australier Ross Dunkerton holten sich 1987 einen Doppelsieg an der Himalaya-Rallye.

Der Lancer Evo I ist die einzige Version, die keinen Sieg in ihrem Palmares hat (hier bei der Rallye Monte Carlo 1994).

In die Offensive mit Allradantrieb

Mitsubishi glaubte immer an die Seriennähe der Rallye-Renner und setzte entsprechend auf die Gruppen  A und N. Es wurde aber immer klarer, dass man ohne den Allradantrieb nicht konkurrenzfähig sein konnte. Mit der neuen Generation der Boliden gingen die Verantwortlichen in Japan in die Offensive. Sie etablierten im englischen Rugby das europäische Label Ralliart und übergaben dem Team die Federführung für die WRC-Tätigkeiten, aber auch für die Asia-Pacific-Meisterschaft und die Europameisterschaft.

Der 1988 lancierte Galant VR4 sicherte sich seinen ersten Sieg am 1000-Seen-Rallye 1989 mit dem Schweden Michael Ericsson. Das Gerät baute sich mit fünf weiteren Siegen von Airikkala (RAC 1989), Patrick Tauziac (Elfenbeinküste 1990), Kenneth Eriksson (Schweden 1991) und Shinozuka (Elfenbeinküste 1991 und 1992) einen eindrücklichen Palmarès auf. Die Limousine gewann zudem die Konstrukteurs- und Fahrerwertung (Dunkerton) in der Asia-Pacific-Meisterschaft von 1991 und 1992. Der Deutsche Erwin Weber sicherte sich die Europameisterschaft 1992.

2005 war das letzte Jahr mit Mitsubishi in der WRC, die Resultate fehlten. © Liabaud/DR

Der Erfolg kam mit Mäkinen

1993 trat der Lancer Evolution in der ersten von zehn Auflagen auf die Bühne der WRC. Die Marke mit den drei (roten und seltensten) Diamanten im Logo meldete mit dem vollen Programm ihre Ansprüche auf den WM-Titel an. Von den sechs Auflagen der gegenüber dem Vorgänger kompakteren Gruppe A war der Evo I der Einzige, der sieglos bleiben sollte. Nach den Siegen des Evo II in den Händen von Eriksson in Schweden (1995) und in Australien (1996) erfolgte der Stabwechsel an den Neuzugang Tommi Mäkinen.

Der Finne zeichnete in den nächsten sechs Jahren allein für 22 der 34 Siege von Mitsubishi verantwortlich.  Davon gingen 26 auf das Konto des Lancer Evo III, IV, V und VI, auch Carisma GT genannt. Mäkinen verbuchte von 1996–1999 vier WM-Titel in Folge. 1998 reichte es zudem zum Konstrukteurtitel für Mitsubishi, den man Toyota (1993–1994) und Subaru (1995–1997) abzujagen vermochte. Es war der Gipfel der Dominanz der japanischen Marken an der Spitze dieser Renndisziplin.

Pierre Liabaud

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