In Interlaken, 14 Tage zuvor, deklassierte der 41-jährige Seeländer Yves Hängärtner auf seinem Tatuus-Honda die Konkurrenz im Rahmen des Saisonauftaktes der Schweizer Slalom-Meisterschaft. Und auch nach dem ersten Lauf in Frauenfeld TG schien es zuerst, als ob der «Neuling» in der Königsklasse ein dickes, fettes Ausrufezeichen gesetzt hätte. Die Uhren stoppten für Hängärtner unter der magischen 1:50er-Grenze. Noch nie hatte sich Selbiges im Hauptort des Kantons Thurgau ereignet. Gross und euphorisch war der Jubel. Aber: «Ich trat sofort auf die Bremse, weil ich nicht sicher war, ob ich eingangs Brüggli ein Tor umgefahren hatte», so Hängärtner. Prompt war es so. Folge: 10 Sekunden Zuschlag. Damit lag Titelverteidiger Philip Egli nach dem ersten Umgang knapp vor Marcel Maurer in Front. Maurer war zuvor in den Trainings zweimal in die Botanik geschossen und hatte sich dabei beim ersten Mal die Nase, sprich den Frontflügel gebrochen. «Ich touchierte die erste Schikane mit Vollgas. Meine linke Bremse blockierte und ich hatte keine Chance, zu reagieren», sagt Maurer. Auch beim zweiten Abflug lag es an der Bremse. «Wir versuchten darauf, die Bremsklötze zu wechseln und übten im Fahrerlager einige Vollbremsungen. Nach einigem Hin-und-Her-Schrauben schien es uns vertretbar, in die Rennläufe zu starten.» Trotzdem blieb beim 28-jährigen Längenbühler das ungute Gefühl, mit einer bärbeissigen Bremse unterwegs zu sein. Ergo trieb der Oberländer sein Auto sinnvollerweise auch nicht ans letzte Limit.
Kein «Saft» trotz ganz viel Saft
Philip Egli dagegen tat dies in seinem wendigen Dallara schon. Der Bauführer verbesserte seine Bestzeit aus Lauf 1 um fast zwei Sekunden auf 1:51:30 und feierte damit den dritten aufeinanderfolgenden Tagessieg in der Metropolregion Zürich. Und: den 20. Tagessieg insgesamt. «Als ich gesehen habe, was da im ersten Lauf ging, hab ich im Zweiten noch einmal richtig Gas gegeben.» Feiern Tags darauf am Sechseläuten lag jedoch nicht drin: «Ich arbeite für eine Firma in Kloten. Frei hat man aber nur in der Stadt Zürich.»
Hängärtner seinerseits ging in Lauf zwei im wahrsten Sinn des Wortes der Saft aus. Obwohl er in der Woche zuvor seine Saft-Diät, die er immer schon Mal machen wollte, angefangen hatte. «Kurz nach dem Start zu Lauf 2 wusste ich plötzlich nicht mehr, wo links und wo rechts ist; ein totales Blackout.» Das erste Tor hatte der im Bundesamt für Zivilluftfahrt tätige Anwalt sozusagen voll ins Visier genommen anstatt es zu durch-, sprich umfahren. Man kann sich vorstellen, dass so ein Aussetzer selbst dann «very» ungelegen kommt, wenn man zu Hause im Garten neben den Himbeeren im Liegestuhl «plättert». In einem Rennauto mit 200 km/h ist sowas freilich noch 200-mal hässlicher. Hängärtner liess das Auto nach dem Zwischenfall ausrollen respektive verfrachtete es in absoluter Tagesbestzeit auf den Anhänger – dafür gibts leider keine Punkte – und fuhr nach Hause. Weil er zuvor das Auto nicht im geschlossenen Wagenpark deponiert hatte, wurde der Berner gar disqualifiziert. «Das war ein richtiger Dämpfer. Meinen Nuller habe ich jetzt bereits eingezogen.» Sein Streichresultat also. Hätte er das Auto im Parc fermée noch eine Weile abgestellt und gewartet, bis dieser wieder freigegeben wird, hätte es zumindest noch für ein paar Punkte gereicht. «Daran habe ich nicht mehr gedacht.» So blieb es beim Nuller. Viel wichtiger als die Punktefrage ist indes die Antwort auf die Frage, was denn passiert ist? «Ich denke, ich hatte eine Art Unterzuckerung.» Wer sowas schon mal erlebt hat, weiss, dass in so einem Moment von jetzt auf gleich nichts mehr geht. «Kam hinzu, dass ich vor dem zweiten Lauf lange im Auto sass, weil es zu Unterbrüchen kam», so Hängärtner. Nun, bis zum nächsten Rennen in Saanen sollte der Seeländer mit seiner Saft-Kur so weit à jour sein, dass ihn kein saftiger Biotta-Bio-Trunk mehr an einer neuerlich Highspeed-Gala hindern kann. «Wieder auf einem Flugplatz und alles weniger eng, das passt.» Rang drei ging an den Thurgauer Joel Burgermeister im TracKing. Ein grosser Moment in dessen Karriere.