MIT VIEL HERZ UND CHARME

Was sich Philip Egli in der Slalom-Meisterschaft wohl nie anhören muss ist, dass er ein Zufallssieger sei. Die AR durfte sich beim Rennen in Interlaken exklusiv davon überzeugen weshalb.

Es ist sieben Uhr als ich mich an diesem Morgen Ende April 2016 auf dem Gelände des früheren Militärflugplatzes Interlaken mit Philip Egli treffe. Dieser ist schon gut gelaunt. Kein Wunder, hatte er doch eine Woche zuvor in Frauenfeld mit seinem Dallara F394 Opel die schnellste Kategorie E2-SS gewonnen und den Tagessieg geholt.

Der Erfolg gelang trotz einer Getriebereparatur nach dem zweiten Trainingslauf. Natürlich hoffe ich, dass dem für den Racing Club Airbag startenden Meisterschaftsdritten vom Vorjahr heute eine solche Aktion erspart bleibt.

Wie gross ist die Hilfe?

Nein, diese Hoffnung für Eglis Rennen hege ich nicht als «Fan» – ein Journalist sollte sowieso die Neutralität wahren. Und auch nicht, weil Philip Egli immer gut drauf und ausgesprochen sympathisch ist. Es geschieht vielmehr einfach aus Eigeninteresse. Denn ich hatte mich auf Eglis Facebook-Aufruf «Helfer gesucht» am 2. Februar vielleicht etwas gar voreilig gemeldet.

Schliesslich muss sich noch herausstellen ob ich auf einem Rennplatz wirklich helfen kann. Denn als Nicht-Techniker sollte ich wohl besser nicht an einem Rennwagen schrauben. Umso mehr bin ich froh, dass sich bei Philip auch dessen Vater Rolf Egli befindet. Philip Egli hat also heute zumindest «anderthalb» Helfer dabei: den Vater, ein pensionierter Bauingenieur, der ihn oft an die Rennen begleitet und die unterstützenden Handgriffe kennt, sowie mich als kompletten Slalom-Neuling.

Die Anreise ist sonst früher

«Normalerweise reise ich schon am Vorabend zu den Rennen an», sagt Egli, der bei der Klotener Specogna Bau AG als Bauführer arbeitet. Dies ermögliche, bereits die technische und administrative Abnahme zu absolvieren sowie den Standplatz zu beziehen.

«Danach besichtige ich jeweils mit dem Velo die Strecke, stelle den Grill auf und treffe mich mit anderen Piloten. Und dann schlafe ich im Bett, das im Heck des Ducato eingebaut ist», schildert Egli sein jeweiliges Auftaktprogramm.

Spezialfall Interlaken

Heute in Interlaken finden Anfahrt, Stellplatzbezug, Anmeldung sowie die Abnahme des Fahrzeugs an diesem Morgen statt. An weiteren Aktivitäten sieht der Zeitplan der Veranstalterin, die Sektion Bern des Automobil Clubs der Schweiz (ACS), für das Feld 6 in welchem Egli heute startet, die Wagenabnahme zwischen 9 und 10 Uhr vor. Zwischen 11.10 und 12 Uhr folgen eine Besichtigung und zwei Trainingsläufe.

Anders als bei anderen Renndisziplinen geht es hier nicht um das Festlegen der Reihenfolge in der Startaufstellung – beim Slalom gibt es auch keinen Massenstart, sondern die Fahrzeuge werden nacheinander auf den Parcours geschickt – sondern es gilt, möglichst viele Erkenntnisse zu Auto und Strecke für die zwei Rennläufe zu gewinnen. Heute ist der erste Rennlauf für die Formelfahrzeuge ab 14.20 Uhr geplant; der vielleicht entscheidende Lauf 2 ist dann für nach 17 Uhr angesetzt.

Wem die Stunde schlägt

Bekanntlich fängt gemäss einer Volksweisheit «nur der frühe Vogel einen Wurm», deshalb war Philip Egli heute schon früh aktiv. «Der Wecker klingelte um 4.30 Uhr und schon um 5 Uhr war ich unterwegs nach Interlaken», erklärt der bereits munter wirkende Rennfahrer. Er war mit seinem gelben Fiat Ducato und dem Zweiachsanhänger mit der silbernen Blache von Zürich über den Brünig nach Interlaken angereist.

Damit Egli so früh losfahren konnte, hatte er den Formel-3-Renner bereits in Zürich präpariert: «Zusammen mit einem Kollegen darf ich in einer Einstellhalle schrauben. Dort stellte ich etwa die Getriebeübersetzung sowie die Flügel ein und bereitete die Pneus auf.» Zu den weiteren Vorbereitungsarbeiten gehört jeweils unter anderem das Laden der Batterien sowie die Kontrolle der Aufhängungen. Insgesamt beansprucht, gemäss Egli, die Vorbereitung bis zu sieben Stunden.

Gleich und gleich

Nun ist ein gut präparierter und wohlbehalten an der Strecke angekommener Bolide zwar schön und gut, doch jetzt gilt es, den Anhänger auszuladen, das Zelt aufzubauen und den nicht mehr benötigten leeren Anhänger an der Peripherie des Fahrerlagers zu parken.

Als Stellplatz wählen wir jenen rechts von Tom Huwiler, dem Präsidenten des Racing Clubs Airbag, der mit seinem Formel Renault Tatuus 2.0 auch im Feld 6 antreten wird. Rechts daneben wird sich Yves Hängärtner dazu gesellen. Der Präsident der Ecurie-Biennoise fährt ebenfalls einen Renault Tatuus.

Technische Abnahme ohne Befund

Nachdem der Stellplatz eingerichtet ist – ich kümmerte mich vor allem um die Sicherung des Zeltes – und dank Huwilers Generator auch die wichtige Kaffeemaschine schon im Einsatz steht, warten Pflichttermine. So begleite ich Egli zur administrativen Anmeldung, wo er seine Papiere samt Startnummern fasst.

Alles läuft perfekt, so wie dann auch die technische Abnahme des Wagens durch einen Kommissär, der nach 9 Uhr vorbeischaut und das Auto inspiziert. Das überrascht nicht, denn Egli hatte dank der guten Vorbereitung zuvor «nur noch kleinere Routinearbeiten» zu machen. Dazu gehören etwa das Abdecken des Autos, die Montage der Verschalungen oder das Anhängen der Batterie.

Der Motor läuft

Dann später, rund eine Stunde vor der ersten Fahrt, gilt es wirklich ernst: Egli startet ein erstes Mal den Motor. Es folgen diverse Checks. «Ich ziehe die Schrauben nach, kontrolliere den Benzinstand und fülle wenn nötig Flüssigkeiten nach», beschreibt Philip Egli diese Tätigkeiten. Mir fällt auf, mit welcher Ruhe und Routine er diese mechanischen Arbeiten erledigt.

Der Bauingenieur hatte sich seine erstaunlichen mechanischen Fertigkeiten nach eigenen Angaben mit «Learning-by-Doing» angeeignet. Und so fühlt Egli auch selbst dem Motor den Puls. Hierzu braucht er etwa einen Infrarot-Sensor zum Messen der Temperaturen oder auch einen Laptop zum Auslesen der Daten des Motors. Wegen dessen Baujahr, 1994, muss Egli mit alter Informatik arbeiten, so etwa mit MS DOS und Windows 95.

Alles Notwendige dabei

Selbstverständlich ist der Zürcher beim Material bestens ausgerüstet. So transportiert er im Rennanhänger sowie im Fiat Ducato unter anderem drei Sätze Slicks sowie einen Satz Regenreifen, eine komplette Ersatznase und diverse weitere Ersatzteile, speziell für die Aufhängung. Dann natürlich auch Schmiermittel, Benzin, Öl und Bremsflüssigkeit sowie Werkzeug. «Nicht fehlen dürfen das Zelt, der Gasgrill, eine Kühlbox und die Rennbekleidung.» Dass etwas fehlen könnte, glaube ich nicht, dafür überlässt der Top-Pilot nichts dem Zufall.

Und auch sich selbst bereitet Egli akribisch vor. Dazu gehört die Analyse der Aufnahmen, welche er mit einer an der linken Wagenseite befestigten kleinen Videokamera erstellt. «Insbesondere Flugplatzslaloms wie Ambri und Interlaken analysiere ich speziell gut, so sind die Linienwahl und die Auswahl der Gänge einfacher.» Egli ist talentierter Fahrer und fleissiger Tüftler zugleich.

Und der Sieger heisst …

Es ist nun Abend, Viertel vor Acht Uhr. Philip und Rolf Egli umarmen sich innig – der Vater gratuliert seinem Sohn zum erneuten Tagessieg. Seine Zeit von 2:18.38 auf dem 4,328 km langen Parcours aus Lauf 1 hatte zum Erfolg gereicht. Und mit dem Sieg in der Kategorie sind 20 weitere Punkte für die Slalom-Meisterschaft hinzugekommen.

Unwichtig, dass Lokalmatador Christian Balmer mit dem leistungsstärkeren Tatuus FM 2000 im 1. Durchgang eigentlich klar schneller war, denn dabei beging er einen Torfehler und kassierte eine Zeitstrafe von 10 Sekunden. Lauf 2 hatte Balmer ausgelassen, mit 2:19.80 gelang Egli in diesem Durchgang bei einsetzendem Regen die schnellste Zeit.

Ein kleines Mosaiksteinchen

Auch ich konnte den erneuten Erfolg von Egli nicht verhindern. Nichts habe ich fallengelassen, kaputtgemacht, vergessen oder beschädigt. Wenn ich daran denke, wie noch am Morgen beim ersten Besteigen des Autos etwas Hektik aufkam, als ich Egli den Gurt reichen wollte und so den Ablauf des eingespielten Duos durcheinander brachte, lief alles wie am Schnürchen. Denn Vater und Sohn funktionierten an diesem Tag als eingespieltes Team. So war etwa eine der Hauptaufgaben von Rolf Egli die Reifendrücke zu prüfen und notfalls anzupassen. Oder natürlich die Starthilfe mittels Booster.

Ich selbst war sehr darum bemüht, die mir übertragenen Aufgaben korrekt und pflichtbewusst zu erledigen. So hatte das durch mich fixierte Zelt trotz heftiger Böen dem Wind stand gehalten und Egli konnte sich am Start darauf verlassen, dass ich zuvor das kleinste Steinchen von den Slicks geschabt hatte. Nun folgt am 14. Mai der 41. Nationale Automobilslalom auf dem Flugplatz Saanen. Dort hatte Philip Egli 2015 gewonnen …

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