Die nationalrätliche Verkehrskommission befasste sich an ihrer Sitzung von vergangener Woche mit verschiedenen Themen des Verkehrs, die uns noch geraume Zeit beschäftigen werden. Es ist zum einen das Mobility Pricing. Dazu hat der Bundesrat Ende Juni 2016 einen Konzeptbericht vorgelegt, der Ansätze zur Lösung von Verkehrsproblemen für Strasse und Schiene in der Schweiz enthält. Er soll als Grundlage für eine politische Diskussion zum Mobility Pricing dienen. Zuerst allerdings sollte Mobility Pricing in Versuchen erprobt werden. Da hapert es schon. Bern etwa hatte sich anfänglich für einen derartigen Versuch zur Verfügung gestellt, wollte es indes auf ein Road Pricing beschränken. Rapperswil-Jona SG hat sich inzwischen zurückgezogen. Für den Kanton Zug hängt der Test für ein Mobility Pricing wesentlich von dessen Ausgestaltung ab.
Mobility Pricing: auf später verschoben
Mobility Pricing hat zum Ziel, Verkehrsspitzen zu brechen und eine gleichmässigere Auslastung der Verkehrsinfrastrukturen zu erreichen. Es ist ein verkehrsträgerübergreifendes Konzept, das Schiene und Strasse umfasst. Es unterscheidet sich damit vom Road Pricing, das sich ausschliesslich auf den Strassenbereich fokussiert. Es sei für den Bund ein Instrument zur Lösung von Kapazitätsproblemen und nicht zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, wie er betont.
Die Mitglieder der nationalrätlichen Verkehrskommission waren sich an ihrer Sitzung darin einig, dass noch nicht genügend Informationen vorliegen, um das Konzept vertieft beurteilen zu können. Deshalb haben sie die Verwaltung beauftragt, darzulegen, wie die verkehrsträgerübergreifenden Konzepte konkret ausgestaltet werden sollen. Die Kommission verlangt dabei die Prüfung folgender Kriterien: Erfassung sämtlicher Verkehrsträger, Zeithorizont, Umsetzungsperimeter, Investitionskosten und Finanzierungssystem, Haushaltneutralität, Datenschutz und Verfassungsmässigkeit. Überdies soll erörtert werden, wie diese Versuche mit freiwilligen Teilnehmenden durchgeführt werden könnten. Die Verwaltung hat ferner den Auftrag erhalten, ein Vorgehen in Teilschritten zu prüfen. Dabei könnte die mit der Annahme der NAF (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds-) Vorlage geschaffene Option für die Einführung einer Abgabe für Elektrofahrzeuge als konkreter Teilschritt genutzt werden. Bis Juli 2019 hat die Verwaltung Zeit, um zusätzliche Informationen bereitzustellen. Nach dem Vorliegen des Zusatzberichts wird sich die Kommission wieder mit dem Thema beschäftigen.
Es dürfte infolgedessen etliche Zeit verstreichen, bis die ersten Versuche erfolgen und noch mehr Zeit, bis Mobility Pricing eingeführt wird. Ganz offensichtlich eilt es dem Bund mit der Einführung von Mobility Pricing nicht allzu sehr.
Ärztliche Untersuchung erst ab 75?
Im Weiteren hat sich die Verkehrskommission mit der parlamentarischen Initiative befasst, die verlangt, die Alterslimite für periodische vertrauensärztliche Untersuchungen älterer Fahrzeuglenker von heute 70 auf 75 Jahre heraufzusetzen. Dazu hatte sie eine Vernehmlassung eröffnet, die von November 2016 bis Februar 2017 stattfand. Die Kantone sind in dieser Frage gespalten, und auch in Ärztekreisen halten sich Gegner und Befürworter die Waage. Die Verkehrskommission hat mit 15 zu 7 Stimmen beschlossen, am Vernehmlassungsentwurf festzuhalten, also neu die ärztliche Untersuchung erst ab dem 75. Altersjahr einzuführen. Eine Kommissionsminderheit schlägt hingegen vor, eine erste Kontrolle im Alter von 70 Jahren und dann nach Vollendung des 75. Altersjahres alle zwei Jahre eine Untersuchung durchzuführen. Die Vorlage wird frühestens in der Sommersession 2017 im Nationalrat behandelt. Ob die Alterslimite von 70 auf 75 Jahre heraufgesetzt wird, steht also noch nicht fest. Auf jeden Fall ist mit Widerstand in beiden Räten zu rechnen.
Abschaffung der VOC-Abgabe
In der Frühjahrssession hat der Nationalrat eine Motion von Walter Wobmann (SVP/SO) angenommen, welche die Abschaffung der VOC-Abgabe fordert. Flüchtige organische Verbindung (volatile organic compounds VOC) werden als Lösungsmittel in zahlreichen Branchen eingesetzt und sind in verschiedenen Produkten enthalten wie etwa in Farben, Lacken und diversen Reinigungsmitteln. Gelangen diese in die Luft, tragen sie mit Stickoxiden zur übermässigen Bildung von Ozon bei. Die VOC-Lenkungsabgabe wird seit dem 1. Januar 2000 erhoben. Wobmann begründet seine Forderung unter anderem damit, dass die Streichung der bisherigen Abgabe zu einer Senkung der administrativen und finanziellen Kosten (rund 130 Mio. Fr. pro Jahr) führt, ohne die Erfolge in diesem Bereich infrage zu stellen. Gleichzeitig würden mit der Abschaffung Produkte von Schweizer Firmen für den inländischen Markt gegenüber Direktimporten oder solchen des Einkaufstourismus im Ausland nicht benachteiligt.
Raoul Studer