Wer hat sich nicht mindestens schon einmal auf der Autobahn über die «schleichenden» Wohnwagen geärgert. Vor allem während der Ferienzeit natürlich, wenn die rollenden Einfamilienhäuschen rudelweise «on the road» unterwegs sind. Dann kommt es in den Cockpits hinter ihnen nicht selten zu Wutausbrüchen. Ferner entstehen immer wieder auch Staus. Letztere primär dann, wenn es kein Ausweichen auf die linke Spur gibt oder wenn ein gezogenes Haus oder Boot oder Pferd selbst am Überholen eines zum Beispiel etwas längeren LW-Konvois ist. In dem Fall kann das Überholen eines Wohnwagens dann freilich schon mal eine gefühlte Ewigkeit dauern. Kompositionen von Personenwagen bis 3500 kg inklusive Anhänger dürfen auf helvetischen Strassen gar nicht schneller als 80 km/h fahren. In Deutschland, Österreich oder Dänemark sind 100 km/h und in Frankreich gar 130 km/h erlaubt. Bei uns heisst es mit 80 km/h durch die Botanik rollen, obwohl man meinen möchte, dass es oft auch ein paar Stundenkilometer mehr vertragen und dies dem allgemeinen Verkehrsfluss dienen würde.
Nicht wirklich gefährlicher
Der Touring Club Schweiz (TCS) möchte diesen Zustand nun ändern. Der Verwaltungsrat des Mobilitätsverbandes mit 1.5 Millionen Mitgliedern hat beschlossen, eine Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h zu fordern. Anfang dieser Woche reichte darum TCS-Vizepräsident und FDP-Nationalrat Thierry Burkart (41) im Parlament einen entsprechenden Vorstoss ein. Gegenüber dem «SonntagsBlick» sagte der Aargauer: «Fahrzeuglenker, die mit Anhänger unterwegs sind und gemäss Tacho 80 km/h fahren, werden häufig von LW überholt, da diese die Geschwindigkeitstoleranz voll ausnutzen.» Derartige Überholmanöver führten nicht nur zu gefährlichen Verkehrssituationen, sondern behinderten zusätzlich den Verkehrsfluss. Eine Anpassung der Geschwindigkeit verbessere darum die Verkehrssicherheit, ist Burkart, der seit 2013 auch Präsident der Swiss eMobility (Schweizerischer Elektromobilitätsverband) ist, überzeugt.
In der Tat zeigt ein Blick in die Unfallstatistik, dass in Deutschland trotz höheren Tempi nicht mehr Unfälle mit Personenwagen mit Anhängern geschehen als in der Schweiz. Hier waren es in den letzten fünf Jahren auf Nationalstrassen im Jahresdurchschnitt rund 120 Unfälle, wobei die meisten davon nur Sachschäden verursachten, in Deutschland waren es auf sämtlichen Strassen rund 1000 pro Jahr. Langsames Fahren kann immer wieder auch auf Kosten der Konzentration gehen.
Unter Voraussetzungen
Die Idee des TCS ist es, nur Wohnwagen schneller fahren zu lassen, die bestimmte Bedingungen erfüllen. Schon heute kann der TCS Schweizer Personenwagen-Gespanne in Technischen Zen-tren prüfen und ihnen eine Bestätigung für die deutschen Behörden ausstellen. Ein Zertifikat quasi, das bestätigt, dass die geprüften Gespanne für Tempo 100 geeignet sind. Dazu sind freilich gewisse Voraussetzungen Pflicht. Dazu gehört etwa, dass das Zugfahrzeug mit ABS ausgerüstet ist, das Produktionsdatum der Reifen jünger als 6 Jahre und deren Zustand tadellos ist, die Reifen für 120 km/h und mehr ausgelegt sind und der Anhänger/Wohnwagen mit einer Bremse mit hydraulischen Rad-Stossdämpfern ausgestattet ist.
Widerstand von links
Aus dem linken Lager kündigt sich freilich Widerstand gegen den Vorstoss an. Auf der rot-grünen Seite, zu der an vorderster Front die Präsidentin des Verkehrs Clubs der Schweiz (VCS), SP-Nationalrätin Evi Allemann, gehört, vertritt man viel mehr die Meinung, dass Temporeduktionen mehr oder weniger generell das tauglichste Mittel sind, um den Verkehr auf Schweizer Strassen möglichst flüssig rollen zu lassen und den Lärm und das Unfallrisikon tief zu halten. An den technischen Voraussetzungen, rollenden Gespannen mehr Tempo zu gewähren, mangelt es wahrhaftig nicht. Mindestens so lange, wie die aktuellen Tempolimits gelten, würde das auch Sinn machen. Allein schon deshalb, um auch den potenziell möglichen und gefährlichen Tempounterschied eines mit 120 km/h auf einen mit 80 km/h cruisenden Wohnwagen auffahrenden PW zu minimieren.