«Dieselgate» erschüttert Volkswagen, die Nummer 1 der deutschen Industrie, immer noch. Die Schockwellen bringen nun sogar die Fundamente eines Modells ins Wanken, welches den Erfolg des industriellen Deutschland begründet hatte. Bis zum Jahr 2020 will die Wolfsburger Autofabrikantin weltweit 30 000 Arbeitsplätze abbauen, 23 000 davon allein im Heimatland. Die 18.2 Milliarden Euro, welche zur Tilgung der durch die getricksten Motoren verursachten Schäden eingesetzt werden müssen, will VW in jährlichen Tranchen von 3.7 Milliarden aufbringen. Die Hälfte dieses Betrags wird mittels Einsparungen durch die abgebauten Stellen beigesteuert. Gleichzeitig, und um nicht weiter Öl ins Feuer der angespannten Beziehungen mit Gewerkschaften und Politik zu schütten, bemüht sich VW künftig, umfassend über ihre Investitionen zu informieren. Hierunter fallen etwa die 3.5 Milliarden Euro und die 9000 neuen Stellen, welche auf dem Weg zur Findung des Heiligen Grals der Autoindustrie, dem E-Auto, eingesetzt werden sollen. Wenn ich richtig rechne, ergeben 23 000 minus 9000 Beschäftigte 14 000, die dennoch unwiderruflich auf der Strasse stehen. Und jetzt wirds knifflig … Erstens steht nun fest, dass die Industrie nicht mehr das primäre Zugpferd zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Merkel-Land darstellt. Und dies trotz den Reformen der Jahre 2000–2010, welche den Arbeitsmarkt dynamischer gemacht und es VW ermöglicht haben, während der letzten Jahre Tausende neue Stellen zu schaffen. Zweitens, und diesmal direkter in Verbindung mit Volkswagen, ist die legendäre deutsche Produktivität nicht mehr das, was sie einmal war. In unserer französischen Ausgabe, der «Revue Automobile» 15/2015, haben wir mit Zahlen und Fakten den Leistungsrückstand von VW gegenüber seinem Hauptkonkurrenten Toyota um den Spitzenplatz des weltweit grössten Autobauers belegt. Mit rund 600 000 Arbeitnehmern beschäftigen die Deutschen rund doppelt so viele Menschen wie die Japaner, um schlussendlich aber «nur» ungefähr gleich viele Autos zu produzieren wie diese (rund 10 Millionen). Bisher war dieses Missverhältnis durch die massive Rentabilität von Porsche (ca. 15 %) und Audi (ca. 10 %), unter anderem auf dem florierenden chinesischen Markt, verdeckt worden. Aber die Abschwächung im Fernen Osten zwingt nun die VW-Gruppe, ihre operative Marge Stück für Stück zu erhöhen (gemäss unseren Analysen für Volkswagen um 2.5 % im Jahr 2015). Die Aufwendungen sollen nun, ein erstes Mal, von den Arbeitern in den deutschen Fabriken aufgebracht werden. Obwohl sie auch weiterhin sagenhafte Renditen erwirtschaften wird, kann die deutsche Industrie nicht mehr unbegrenzt Jobs schaffen. Genauso wie andere Industrien vor ihr.
INHALT
AR 47/2016
AKTUELL/POLITIK
Asut-Kolloquium: Vernetzung
Trump: Gegen Autobranche
TITELTHEMA
Los Angeles Auto Show
TESTS UND FAHRBERICHTE
Toyota C-HR: Fahrbericht
Range Rover Evoque Cabrio: Test
TECHNIK
Panamera: Porsche leimt in Leipzig (D)
Mercedes-Benz: Motoren
SPORT
WEC: Neel Jani ist jetzt auch ein Weltmeister
Rallye-WM: VW fliegt noch ein letztes Mal zum Sieg