Nach Einschätzung des Stau- und Verkehrsforschers Prof. Michael Schreckenberg sind mangelnde Kommunikation zwischen Baufirmen und Behörden sowie schlechtes Baustellen-Management Gründe dafür, dass Arbeiten auf Autobahnbaustellen oft länger dauern als notwendig.
Häufig liege das Problem sogar bereits in der Planung der Baustellen. Abstimmungen zwischen den einzelnen Bauherrschaften — seien dies der Bund, die Länder oder die Kommunen — fänden praktisch nie statt. Stattdessen werde gebaut, sobald die Finanzierung vorliege. Und dies oft unabhängig davon, ob auf der Ausweichstrecke nur ein paar Meter weiter zur selben Zeit die Strasse aufgerissen werde, kritisiert Schreckenberg, der an der Uni Duisburg-Essen (D) Stauursachen erforscht.
Rechtliche Gründe
Für eingerichtete Baustellen, an welchen die Bautätigkeit aber noch gar nicht begonnen habe, gebe es zuweilen sogar rechtliche Gründe. Das Problem stellt sich wie folgt dar: «Zum vereinbarten Baubeginn muss irgendetwas auf der Baustelle passieren», erklärt Verkehrsexperte Schreckenberg. Das Aufstellen einer Absperrung ist da ein adäquates Mittel des Bauunternehmens, um nicht vertragsbrüchig zu werden, auch wenn das eigentliche Bauen aufgrund fehlender Kapazitäten u. U. noch lange nicht beginnen kann. Das sind dann genau diejenigen Baustellen, auf welchen sich keine Baumaschine bewegt und kein einziger Arbeiter zu sehen ist. Dem Stau, welcher sich aus der Verkehrsbehinderung ergibt, ist dieser Umstand allerdings egal, uns Autofahrern aber, die wir stirnrunzelnd an der verwaisten Autobahnbaustelle entlangschleichen (müssen), definitiv nicht!
Mangelhaftes Baustellen-Management
Zusätzlich kann mangelhaftes Management auf der Baustelle selbst dafür sorgen, dass sich die Arbeiten in die Länge ziehen und auf einer Autobahnbaustelle nichts passiert. Die Gründe können sein, dass sich Materiallieferungen verzögern und wichtige Baumaschinen noch auf anderen Baustellen im Einsatz stehen.
Dabei sind Baustellen als Ursache für Staus keine Randerscheinung. «Mindestens 25 % der Staus auf deutschen Autobahnen werden direkt von Baustellen verursacht, rund 60 % von Überlastungen», hat Prof. Schreckenberg errechnet. «Wie viele Überlastungen jedoch von Baustellen verursacht werden, lässt sich kaum sagen, dementsprechend hoch ist die Dunkelziffer der indirekten Baustellenstaus.»
Bindende Leistungsvereinbarung
Die Vergabe von Autobahnbau-Kontingenten an Baufirmen durch die Behörden müsste zwingend auch an eine Leistungsvereinbarung gekoppelt werden, welche nicht bloss den Umfang und die Qualität des zu erbringenden Werks vorschreibt, sondern eben auch das Gesamtprojekt-Management mit einschliesst. Bei der Losvergabe müsste in jedem Fall auch der Realisierungsplan geprüft und mittels Konventionalstrafen dann auch in seiner vertraglich vorgesehenen Ausführung durchgesetzt werden. Auf diese Weise würde es innert kürzester Zeit nicht mehr zu lethargisch vor sich hindümpelnden Autobahnbaustellen ohne jegliche Bautätigkeit kommen.
30 % mehr Baustellen als 2015
Laut dem ADAC waren im Juni 2016 rund 575 Baustellen auf deutschen Autobahnen eingerichtet. Das entspricht gut 30 % mehr als noch 2015. Dadurch hat sich die Baustellenlänge innerhalb eines Jahres von bundesweit 740 auf 1000 km verlängert.
Unvermeidliche Behinderungen
Dass sich Autobahnbaustellen nie komplett werden verhindern lassen, ist in der Natur der Sache Autobahn begründet. Und dass diese Stau-Erzeuger aus bautechnischen Gründen (leider) fast ausschliesslich in den warmen, ferienzeit- und damit verkehrsreichen Jahreszeiten installiert werden, wird sich in absehbarer Zukunft ebenfalls nicht ändern. Aber es gibt klarerweise Mittel und Wege, wie durch transparentes, effizientes und intelligentes Vorgehen sowie eine offene Kommunikation die Anzahl der baustellenbedingten Staustunden auf unseren Strassen deutlich reduziert werden können. Ebenfalls notwendig ist der globale und regions- sowie ämterübergreifende Blick auf anstehende Projekte in Kombination mit einer straffen Führung und Durchsetzung der Vorgaben. Wir schaffen das!