Die Zuffenhausener machen für die Erneuerung ihres Flaggschiffs keine halben Sachen. Fünf Jahre Aufwand, eine Armada an Technik, neue Konzepte: Porsche wollte in diesem besonderen Segment der sportiven Limousinen in Sachen Perfektion neue Massstäbe setzen.
Nicht eine einzige Schraube wurde vom Panamera der abgelösten Generation übernommen. Die finanziellen Aufwendungen waren kolossal, denn neu sind: die Motoren (2.9 V6 Biturbo, 4.0 V8 Biturbo Benziner, 4.0 V8 Biturbo Diesel), das Getriebe (PDK Doppelkupplungsgetriebe mit 8 Stufen), die Plattform, die elektrische und elektronische Architektur sowie die Montage- und Produktionsprozesse. Nur um ein Zahlenbeispiel zu nennen: 100 Mio. Zeilen lang ist das Programm der Systemsteuerungen im neuen Panamera; beim Vorgänger beschränkte sich der Code auf 2 Mio. Zeilen.
Vor dem Studium der Technik drängt sich zunächst einmal ein Blick auf das Design auf. Auch der neue Panamera ist sofort als solcher wiedererkennbar. Aber die Stilexperten haben viel Feinarbeit geleistet und die Proportionen neu aufgemischt. Das zahlt sich denn auch zweifellos aus, denn besonders das viel kritisierte Heck wirkt nun eindeutig attraktiver. Die Höhe über dem Fond wurde um 20 mm reduziert, und die Proportionen der Flanken übernehmen die Formel vom 911-er. Das unterstreicht den Gesamteindruck eines «Viertürer-Coupés» zusätzlich. Auch die Ansicht von hinten erinnert, dank dem gleichen Heckleuchtendesign, stark an das legendäre Modell der Marke, während die Leiste dazwischen mit dem Porsche-Schriftzug kürzlich ihr Debüt beim 718 Boxster/Cayman gab. Am Bug feiert der Panamera die Familienzugehörigkeit mit dem Macan und Cayenne mit den gleichen Kanten auf der Motorhaube. Die Lufteinlass-öffnungen unter der Stossstange sind klar von den Rennversionen des Cayman und des 911-er inspiriert.
Mit 5.05 m Länge, 1.94 m Breite und 1.43 m Höhe wächst der neue Panamera um jeweils 34, 5 und 5 mm gegenüber dem bisherigen Modell. Der Radstand wird um 30 mm auf 2.95 m gestreckt, sodass sich die Insassen auf einen geräumigeren Innenraum freuen können.
In der Erwartung der ersten Probefahrten, die wir wahrscheinlich in wenigen Wochen absolvieren können, geben wir hier eine Übersicht auf die Innovationen, die der Panamera mitbringt und mit denen er sich zweifellos mit an die Spitze seiner Kategorie hieven dürfte.
FAHRWERK
KOMFORT UND LEISTUNG Als Flaggschiff von Porsche kann der Panamera auf die aufwendigsten Fahrwerkskomponenten Rückgriff nehmen, die zudem völlig aus Leichtmetall gefertigt werden (Aluminium). An der Vorderachse (linkes Bild) kommt eine elektromechanisch arbeitende Zahnstangenlenkung zum Einbau. Vorne und hinten gibt es luftunterstützte Stossdämpfer mit drei Kammern (bisher zwei). Das erlaubt eine um 60 % grössere Luftmenge und sorgt für einen viel breiteren Einstellbereich. Dadurch können die drei Fahrmodi des PASM-Fahrwerks (Porsche Active Suspension Management) in ihren Kennlinien feiner abgestimmt werden.
Mit dem verstellbaren Fahrwerk kann die Bodenfreiheit des Panamera für das Überfahren von Hindernissen um 20 mm angehoben oder vorne um 28 mm und hinten um 20 mm abgesenkt werden, was der Aerodynamik und der Hochgeschwindigkeitsstabilität zugute kommt.
Der Panamera darf zudem vom PDCC Sport (Fahrdynamiksystem) und dem PTV Plus (Torque Vectoring) profitieren. Ersteres sorgt für ein sportliches Fahrverhalten und integriert die elektromechanischen Kurvenstabilisatoren, so dass Wankbewegungen der Karosserie eliminiert werden können. Das Torque Vectoring regelt die Sperrwirkung des hinteren Differentials und verteilt vor allem bei Kurvenfahrt das Antriebsdrehmoment im idealen Verhältnis auf die Hinterräder.
Alle fahrwerskrelevanten Systeme sind hier erstmals in einer einzigen Steuerung zusammengefasst. Das «4D Chassis Control» benannte Hirn ist für das immer optimale Fahrverhalten, für die Handlichkeit und die Stabilität zuständig. Als Option kann der Kunde eine Hinterachslenkung ordern (rechtes Bild). Diese lenkt mit einem Winkel von bis zu 2 8° bis etwa 50 km/h im Gegensinn zu den Vorderrädern ein und bietet eine bessere Handlichkeit. Bei höheren Tempi lenken die Räder parallel zu den Vorderrädern und sind damit der Stabilität zuträglich.
NEUE PLATTFORM

Die einzelnen Module verwenden einen Materialmix mit viel Aluminium (mindestens 31 %; auf der Abbildung in Hellgrau), um den Leichtbau zu garantieren. Dazu kommen verschiedene hochfeste Stahllegierungen (Beige und Dunkelgrau) und Kunststoffe. Das Rezept ist nicht neu im Automobilbau, aber die Thermoformung bestimmter komplexer Teile aus Hochfestigkeitsstahl, wie etwa des Querträgers hinter dem Armaturenbrett, erforderte neue Produktionsverfahren.
Die physikalischen Eigenschaften des Stahls und des Aluminiums (Schmelztemperatur, Dehnung oder elektrochemisches Potenzial) sind höchst unterschiedlich, so dass sich Porsche für den Weg entschied, die Teile im kombinierten Klebe- und Rollfalzverfahren (Zusammenfügen der Materialien durch die Formenfaltung ohne Schweisspunkte) herzustellen. Die Rohkarosserie wiegt lediglich 335 kg. Mit der Vorgabe von höchstens 2000 kg Trockengewicht für die Limousine mussten die Techniker alle Systeme auf deren Schlankheitspotenzial hin untersuchen.
Der Zulieferer Faurecia trug seinen Teil zum Kampf um jedes Pfund bei. Die Franzosen optimierten ihre Rahmen für die vorderen Sitze mit einer um 8 kg leichteren Struktur, ohne dabei den Komfort oder die Sicherheit zu kompromitieren.
ZUKUNFTSWEISENDE TECHNOLOGIEN
IN DIE MODERNE Die Schnittstelle Fahrer/Fahrzeug ist geradezu revolutionär. Ästhetisch hat sich am Armaturenbrett nicht viel verändert, aber was darunter steckt, ist komplett neu. Links und rechts des zentral platzierten Analog-Drehzahlmessers findet man jetzt zwei 7-Zoll-Bildschirme für die restlichen Anzeigen. Die Mittelkonsole wurde gründlich aufgeräumt. Die unzähligen Knöpfe machen einigen wenigen Hauptschaltern Platz, der Rest wurde in das PCM-Interface (Porsche Communication Management) integriert. Dessen Funktionen werden über einen riesigen 12.3-Zoll-Bildschirm via Touchpad angesteuert. Das System ist selbstverständlich mit allen persönlichen Elektronikgeräten vernetzbar und bietet durch das Smartphone eine Riesenauswahl an Apps und Dienstleistungen. Mit der Stereo-Option des deutschen Soundspezialisten Burmeister erkauft man sich nicht nur 1455 Watt und 21 Lautsprecher, sondern auch ein Algorithmen-Programm, das die Klangqualität von MP3-Dateien verbessert.
Die Scheinwerfer verfügen über LED-Matrix-Licht mit 109 Dioden, die ihre Helligkeit permanent den momentanen Bedingungen anpassen (Blendungsverhinderung, Kurvenausleuchtung usw.). Neben den heute in dieser Klasse schon selbstverständlichen Systemen wie adaptivem Tempomat, Spurhalteassist und Verkehrszeichenerkennung bietet der Panamera zusätzlich auch eine Nachtsichthilfe und ein «vorhersagendes» Fahrprogramm mit dem Namen «InnoDrive». Bei eingestelltem Tempomat berechnet das System über das Navigationssystem die nötigen Beschleunigungen und Verlangsamungen für die nächsten 3 km und optimiert selbständig die Gas-, Schalt- und Bremseingriffe. Der elektronische Copilot rechnet dabei mit Kurven, Steigungen, Kreuzungen und vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeiten. Im Verbund mit Radar- und Video-Sensoren passt sich der Regler kontinuierlich den Verkehrsbedingungen an.
MOTOREN UND GETRIEBE

DEBÜT FÜR DAS GETRIEBE Der neue Panamera ist der erste Porsche mit einem PDK mit 8 Stufen statt der bisherigen 7. Künftige hinterrad- wie auch allradgetriebene Modelle können mit diesem Getriebe versehen werden. Selbst die Hybrid-Version könnte sich dieser Kraftübertragung bedienen, denn sie lässt im Gehäuse genug Platz für den integrierten Elektromotor. Das PDK mit 8 Gängen verträgt Drehmomente von bis zu 1000 Nm. Der oberste Gang dient vor allem der Verbrauchssenkung, denn der Topspeed wird im 6. Gang erreicht. Die Box baut 15 cm kürzer und wiegt 8 kg mehr als der 7-Gänger, aber die Reibungsverluste konnten um 28 % verringert werden.






