Nachdem sich Politiker verschiedener Couleur für die Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» ausgesprochen hatten, war die Reihe an den Wirtschaftsvertretern, die darlegten, weshalb sich ein «Ja» zu diesem Volksbegehren aufdrängt.
Besonders wichtig für KMU
Hans-Ulrich Bigler, Zürcher FDP-Nationalrat und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), erklärte, weshalb ein «Ja» notwendig sei. Die Schweizer Wirtschaft und insbesondere die KMU (Kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten), die bekanntlich das Rückgrat der Wirtschaft bilden, seien auf eine moderne, sichere und funktionierende Strasseninfrastruktur angewiesen. 60 Prozent der Güter würden auf der Strasse transportiert, und gar 75 Prozent betrage der Anteil des Personenverkehrs, der die Strasse nutze. Selbst der öffentliche Verkehr nutze zu 75 Prozent die Strassen. Die Vernachlässigung der Strasseninfrastruktur in den vergangenen Jahren habe der Volkswirtschaft direkten Schaden zugefügt, wie er an einigen Beispielen zu zeigen versuchte. Die Albanese Baumaterialien AG in Winterthur könne ihre Kunden wegen der häufigen Staus weniger besuchen. Die Fahrzeuge der Sulser Transport AG in Brunegg AG stehen täglich rund zwei Stunden im Stau. Insgesamt seien es rund 21 500 Staustunden pro Jahr, was Kosten von rund 1,5 Mia. Franken verursache. Die Initiative fordere deshalb, dass der Staat seine Aufgabe wahrnehme und endlich und konsequent in die Strasseninfrastruktur investiere. Schliesslich lieferten die Strassenbenutzer dem Staat pro Jahr über 9 Mia. Franken an Steuern ab.
Initiative rettet den NAF
Die Vorlage über den NAF (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds) und die Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» seien kein Widerspruch, sondern bedingten sich gegenseitig, hielt Stefan Holenstein, ACS-Generaldirektor, fest. Das Volksbegehren rette den NAF, weil es eine solide finanzielle Basis für die im NAF vorgesehenen Strassenprojekte schaffe. Sollte die Initiative angenommen werden, müsste die NAF-Vorlage in Bezug auf die Finanzierung angepasst werden. Doch seien weder die geplante Fonds-Struktur noch die in der Vorlage enthaltenen Projekte in Frage gestellt, verdeutlichte Holenstein seine Aussage.
Für den Handel überlebenswichtig
Mit über 680 000 Mitarbeitenden sei der Handel in der Schweiz der wichtigste private Arbeitgeber, hielt Jean-Marc Probst, Präsident Handel Schweiz, fest. Handel Schweiz ist der Dachverband des Han dels, dem 33 Branchenverbän de mit 3700 Unternehmen ange hören. Die Branche sehe sich heute mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Neben dem Einkaufstourismus gehörten auch die Digitalisie rung und die Globalisierung da zu, dank welchen neue Märkte erschlossen werden könnten und sich neue Perspektiven erschlössen. Durch diese Ent wicklung und Innovationen hät ten sich das Bedürfnis und das Verhalten der Kunden verändert. Dadurch und durch den gesamten Online-Handel würden heute grosse Warenmengen auf der Strasse befördert und hier verkauft.
Deshalb sei das Strassennetz für den Handel von existenzieller Bedeutung, erklärte Probst. Sein einwandfreies Funktionieren werde einfach vorausgesetzt. Die Wichtigkeit einer gut funktionierenden Infrastruktur für die Prosperität und den Wohlstand des Landes komme in der Diskussion indes kaum zum Ausdruck. Dabei trügen leistungsfähige und zuverlässige Infrastrukturnetze massgeblich dazu bei, die Transaktionskosten für alle Wirtschaftsteilnehmer zu senken. Demgegenüber könnten Störungen und Kapazitätsengpässe auf dem Strassennetz erhebliche volkswirtschaftliche Schäden anrichten. Bedauerlicherweise habe man es versäumt, genügend finanzielle Mittel für Ausbau und Unterhalt zu genehmigen. Denn je älter die Strassen werden, umso teurer werde der Unterhalt. Heute rechne man mit über 4 Mia. Franken pro Jahr.
Die Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» komme zum richtigen Zeitpunkt. Sie verlange die volle Zweckbindung der Mineralölsteuer. Gleichzeitig wolle sie die Wirtschaft nicht zusätzlich mit höheren Benzinsteuern belasten. Handel Schweiz stehe deshalb überzeugt für die Initiative ein, erklärte Probst abschliessend.
Eine intakte Strasseninfrastruktur sei sowohl für den privaten Verkehr als auch für den öffentlichen Verkehr von Bedeutung, denn über 6000 öffentliche Verkehrsmittel befahren die Schweizer Strassen, sagte der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Das gelte nicht nur für das dicht besiedelte Mittelland, sondern auch für abgelegene Regionen und Berggebiete, die für den Tourismus sehr wichtig sind. Das steigende Bevölkerungswachstum verbunden mit einer steigenden Nachfrage nach Mobilität sei auf gut sanierte und unterhaltene Strassen angewiesen. Schliesslich wies Wobmann darauf hin, dass bei einer Annahme der Initiative der öffentliche Verkehr nicht zu kurz käme, denn bereits gesprochene Mittel, die in den öffentlichen Verkehr fliessen, würden weiterhin dafür eingesetzt. Nun gelte es, die Strasseninfrastruktur nicht zu vernachlässigen. Ein «Ja» zur Initiative ermögliche das.
Langfristig gesichert
Schliesslich erklärte auto-schweiz-Präsi dent François Launaz, nur mit der Annah- me der Milchkuh-Initiative sei die Finanzierung von Unterhalt und Ausbau unseres Strassennetzes langfristig gesichert. Denn damit stünden pro Jahr 1,5 Mia. Franken mehr aus der Mineralöl steuer für das Strassennetz zur Verfügung. Damit würde sichergestellt, dass das Geld in Zukunft zielgerichtet für die Strasse eingesetzt werden könne und nicht in der allgemeinen Bundeskasse versickere.