34 TAUSENDSTEL HABEN ENTSCHIEDEN

Marcel Fässler und Rolf Ineichen lagen beim 24h-Rennen in Daytona bis kurz vor Schluss in Führung – letztlich konnte aber nur Fässler feiern. Ineichen hatte im Finale viel Pech.

Die beiden Corvette boten den Fans in Daytona eine phänomenale Show: Nach 24 Stunden trennten die Schwesterautos minimale 0,034 Sekunden.

Der dreifache Le-Mans-Gewinner Marcel Fässler hatte 2015 beim WEC-Rennen in Fuji per Mail eine Anfrage von Chevrolet erhalten, ob er sich einen Start für das Werksteam in Daytona und Sebring (12h) in der GTLM-Klasse vorstellen könne. Umgehend konfrontierte Fässler seinen Chef, Dr. Wolfgang Ullrich, mit diesem Wunsch. Der Audi-Sportchef erteilte die Freigabe, und damit konnte der Schwyzer seine Daytona-Premiere feiern – und was für eine.

Dramatik ohne Ende

Atemberaubende Positionskämpfe und zahlreiche Führungswechsel sorgten dafür, dass den Fans entlang der weltberühmten Rennstrecke auch in der Nacht nie langweilig wurde. Bis zur letzten Rennstunde konnte sich keiner der Starter entscheidend absetzen. Am Ende entwickelte sich ein nervenaufreibender Dreikampf um den Sieg zwischen dem Werks-Porsche von Earl Bamber und den beiden Corvettes. «Ich konnte am Ende einfach nicht mehr hinsehen», beschrieb Fässler die dra­matische Schlussphase, als zunächst sein Teamkollege Oliver Gavin und kurze Zeit später auch Antonio Garcia in der zweiten Werks-Corvette an Bamber vorbeizogen. Was dann passierte, ist mit Worten einfach nicht zu beschreiben. Die beiden «Chevy»-Piloten bekamen vom Kommandostand die Freigabe für offenes Racing, mit der Einschränkung, sich dabei aber bitte nicht zu berühren. Was folgte war ein Krimi, wie ihn kein Drehbuchautor hätte besser schreiben können. Die beiden «Chevy»-Jungs zeigten eine beeindruckende Show mit einem extrem spannenden Rad-an-Rad-Kampf, den Gavin letztendlich mit dem Wimpernschlag von 34 Tausendstelsekunden im Fotofinish für sich entschied. Das war der knappste Zieleinlauf in der Geschichte des berühmten US-Langstreckenmarathons.

Noch nie erlebt sowas

«Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals ein solches Finale erlebt zu haben», berichtete Fässler, der sein Glück kaum fassen konnte: «Wir haben 24 Stunden Vollgas gegeben. Das hat unheimlich Spass gemacht.» Chevrolet hatte über die Distanz das beste Gesamtpaket, es wurde während des Rennens sogar noch im Detail verbessert, wie Fässler anmerkte: «Weil wir zu viel Untersteuern hatten, haben wir den Flügel verstellt.» Diese Massnahme war mitentscheidend, dass man zum Schluss die Attacken der Konkurrenz kontern konnte. Fässler war total happy, das ihm nach seinen Siegen in Le Mans und Spa nun auch ein Triumph in Daytona glückte.

Bitter, bitter, bitter…

Davon kann Rolf Ineichen nur weiter träumen. Nach dem Pech zuletzt in Dubai, als er 20 Minuten vor Ende der 24-Stunden-Hatz auf einem Podestplatz liegend wegen einer gebrochenen Ventilfeder, die einen Motorschaden zur Folge hatte, vorzeitig aufgeben musste, traf es den Unternehmer aus Küssnacht diesmal noch härter. Sein Teamkollege Fabio Babini musste in der GT-Daytona-Klasse (GTD) nur zwei Minuten vor Rennende (!) zu einem Splash-and-Dash an die Box, um den völlig leeren Benzintank mit etwas Kraftstoff zu füllen. Durch die dabei verlorene Zeit fiel das Konrad-Team mit dem bis dahin tadellos laufenden Lamborghini Huracan noch bis auf Rang fünf zurück. «Das ist wirklich unglaubliches Pech, was uns da widerfahren ist. Die Enttäuschung im Team ist riesengroß. Wir hatten den Sieg bereits vor Augen – umso bitterer ist dieser Rückschlag», erklärte Ineichen. Alle Fahrer haben mehr oder weniger geweint, so Teamchef Franz Konrad, der nicht fassen konnte, was da geschehen war. «Wir müssen nach vorne schauen, irgendwann kommt das Rennglück zurück», meinte Ineichen, der immerhin im vierten Anlauf in Daytona erstmals die Zielflagge sah.

Ära beendet

Was den Gesamtsieg angeht, so ging dieser an Scott Sharp, Ed Brown, Pipo Derani und Johannes van Overbeek. Das Quartett hat damit in der Ära der 24 Stunden von Daytona Geschichte geschrieben. Die glorreichen Vier im Ligier-Honda von Extrem Speed Motorsport (ESM) sorgten für den ersten Gesamt­sieg eines LMP2-Fahrzeuges, womit eine Phalanx von über zehn Jahren mit Siegen von Daytona-Prototypen (DP) endete.

Premieren ohne Sieg

Der Langstreckenklassiker an der Ostküste Floridas feierte heuer sein 50-Jahr-Jubiläum. Gleich drei Hersteller (BMW, Ford und Porsche) gingen in Daytona mit neuen Sportwagen an den Start. Dabei läutete BMW mit dem M6, der den Z4 ablöst, eine neue Ära ein, die mit der Enthüllung in Daytona offiziell begann. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums, das BMW dieses feiert, gingen die beiden M6 mit Sonderlackierungen an den Start. Bei BMW hoffte man insgesamt auf mehr Rennglück als in den beiden vergangenen Jahren. Damals verfehlte das werksunterstützte RLL-Team den Klassensieg um weniger als zwei Sekunden (2014) und sogar nur um 0,478 Sekunden (2015). Das doppelte Jubiläum brachte BMW aber kein Glück. Der M6 mit der Startnummer 100 fiel aussichtsreich im Rennen liegend nach einem Unfall, der offenbar durch einen mechanischen Defekt (Bremse) verursacht wurde, aus. Das Schwesterauto mit den DTM-Piloten Augusto Farfus und Bruno Spengler sowie Bill Auberlen und Dirk Werner schaffte Rang 5. Schlechter lief es Ford: Bei der mit Spannung erwarteten Premiere der neuen Ford GT klagte das Werksteam über Elektronik- und Getriebeprobleme, durch die man bereits in der Anfangsphase weit zurückgeworfen wurde. Immerhin fuhren Bourdais, Hand und Müller sowie Briscoe, Mücke und Westbrook noch auf die Ränge 7 und 9. Die beste Premiere feierte Porsche: Le-Mans-Gewinner Earl Bamber fehlten nur 12 Sekunden zum Sieg. Mit dem Porsche 911 RSR v belegte er und seine Teamkollegen Makowiecki und Christensen den dritten Platz.

Resultate – 24 Stunden von Daytona

Prototypen: 1. Derani/Sharp/Brown/Van Overbeek; Honda HPD Ligier JS; 736 Runden. 2. Barrichello/Angelelli/R. Taylor/J. Taylor; Chevrolet Corvette; 26,166 Sekunden. 3. Hunter-Reay/Dalziel/Goossens; Chevrolet Corvette ; 1:27,276. – Prototypen Challenge: 1. C.Miller/Goikhberg/Simpson/Koch; Oreca FLM09; 702 Runden. 2. Alon/KimberSmith/Gutierrez/Boulle; Oreca FLM09; 4 Runden. 3. Drissi/Drumwright/Mowlen/Vera/Gaugha; Oreca FLM09; 9 Runden. – GTLM: 1. Gavin/Milner/Fässler; Chevrolet Corvette C7; 722 Runden. 2. Garcia/Magnussen/Rockenfeller (D), Chevrolet Corvette C7.R, 0,034. 3 Makowiecki/Bamber/Christensen; Porsche 911 RSR; 12,863. – GTD: 1. Rast/Seefried/Lally/Potter; Audi R8 LMS GT3; 703 Runden. 2. Pappas/Catsburg/Long/Pilgrim; Porsche 911 GT3-R; 3,048 Sekunden. 3. Keating/Robinson/Mosing/Foss/Faulkner; Dodge Viper GT3-R; 5,059.

Arno Wester

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