SUV und umweltfreundlich – diese beiden Begriffe passen irgendwie nicht so richtig zusammen, ganz sicher nicht für die Klimakleber und ihre diversen Branchenkollegen. Wobei in deren Augen ja das Auto per se ein Werk des Teufels ist und dringend verboten gehört. Aber für Fanatiker hat Fisker den Ocean auch nicht entwickelt, er soll eher jene ansprechen, die zwar die automobile Freiheit lieben, aber halt doch ein schlechtes Gewissen haben. Oder Gefahr laufen, noch eines zu bekommen.
Auf den ersten Blick sieht man dem Ocean seinen Ökoanspruch nicht an. Da steht ein stattliches Gefährt mit knapp 4.8 Metern Länge. Fast zwei Meter breit ist er, und zwar ohne Aussenspiegel. Und bei einer Höhe von 1.63 Metern wird aus der Seitenperspektive für viele Augenpaare der Hintergrund verdeckt. Unter einem Ökomobil stellt man sich wirklich etwas anderes vor. Das Interieur gibt da schon mehr Hinweise. Über 50 Kilogramm der verbauten Materialien eines Fisker Ocean sollen rezykliert oder biobasiert sein, vieles davon entfällt auf den Innenraum. Die Teppiche beispielsweise werden aus rezyklierten Plastikflaschen hergestellt. Sie sehen trotzdem gut aus, andere Intarsien können ihren wiederverwerteten Ursprung aber nicht so recht kaschieren. So wirken etwa die Kunststofftasten am Lenkrad recht speckig und knarzen bei der Bedienung, auch die Fensterheberschalter oder jene für die Klimasteuerung sind alles andere als hochwertig. Da hätte etwas mehr Sorgfalt bei der Materialauswahl nicht geschadet. Wer mit diesem Auto die Ökologie zelebrieren will, muss einfach ein paar Kompromisse eingehen.
Das gilt auch bei den Sitzbezügen. Leder gibt es nicht, dafür aber je nach Ausführung Webstoff (Fisker nennt ihn Ecofabric), ein Lederimitat oder Alcantara. Das synthetische Wildleder scheint denn auch die beste Wahl zu sein, denn vor allem die Rücksitze sind relativ schwach ausgeformt und können einen rutschhemmenden Bezug deshalb gut gebrauchen. Bequem ist das Gestühl aber auf jeden Fall, sowohl vorne wie hinten. Und Platz gibt es in Hülle und Fülle. Der Kofferraum ist mit einem Volumen von knapp 500 Litern derweil nicht riesig, dafür lässt sich die Heckscheibe für das schnelle Einladen von kleineren Objekten separat öffnen. Das funktioniert ab der Ausstattungslinie Ultra – darunter liegt Sport, darüber Extreme. Die Lancierungsversion One ist laut Fisker ausverkauft – elektrisch per Knopfdruck.
Gewaltige Reichweite
Elektrisch ist natürlich auch der Antrieb des Fisker Ocean, denn in den Augen von Firmenchef Henrik Fisker ist E-Antrieb die derzeit einzige Möglichkeit, umweltschonend unterwegs zu sein. Über die Ökobilanz der E-Auto-Batterien wurde schon genug geschrieben, solange die nicht deutlich besser wird, kann ein E-Auto auch nur bedingt die Umwelt schonen. Was der Fisker Ocean aber diskussionslos kann: äusserst weit fahren. Wenn nach dem Start ein dreistelliger Reichweitenwert mit einer Sechs zuvorderst aufleuchtet, tritt das andere typische Elektro-Gegenargument schnell in den Hintergrund. Übrigens auch das der Anhängelast: 1820 Kilo gebremst sind für ein E-SUV gut.
Gemäss WLTP schafft der Fisker Ocean in der Topversion Extreme 707 Kilometer ohne Nachladen, dem grossen 113-kWh-Akku sei Dank. Rechnerisch ergibt das einen Verbrauch von rund 16 kWh auf 100 Kilometer, der natürlich rasant in die Höhe schnellt, wenn die verfügbare Maximalleistung von 415 kW (564 PS) im Boost-Mode oft abgerufen wird. Dann machen die Mägen der Insassen aber schneller schlapp als die Batterie, denn Beschleunigung und Durchzug sind schlicht famos. Laut Werk sprintet der Ocean Extreme in vier Sekunden von 0 auf 100 km/h. Andere sind noch schneller, aber hinter dem Lenkrad fühlt es sich brutal an. Auf den weiteren Plätzen ohnehin. Der bei den Versionen Ultra und Extreme verbaute Allradantrieb bringt die Kraft problemlos auf den Boden, doch die Karosserie wippt wegen der weichen Federung etwas stark. Wer von den drei Fahrmodi Earth, Fun und Hyper den letzten wählt und besagten Boost-Mode aktiviert, sollte zur Sicherheit noch ein paar Papiertüten bereitlegen.
Fahrverhalten gut, Assistenz noch nicht
Am besten wird der Fisker Ocean im leistungsreduzierten Earth-Mode bewegt, schliesslich entspricht er dann am ehesten dem Nachhaltigkeitsanspruch des Herstellers. Zudem ist das Fahrwerk für sportliches Fahren auch sonst nur bedingt geeignet, der weich gefederte Ocean bleibt in Kurven lange neutral und quittiert ein zu hoch gewähltes Tempo mit Untersteuern, was sicher, aber nicht besonders spassig ist. Das ESP greift entsprechend rigoros ein, bei schnellen Lastwechseln erstickt es ein allfälliges Ausbrechen im Keim.
Auch die Lenkung legt keine Kurvenhatz nahe. Sie ist zwar exakt geführt, aber ziemlich leichtgängig. Und der dicke Kranz des Lenkrads kann nur von Fahrern mit überdurchschnittlich grossen Pranken ganz umfasst werden. Die meisten Fisker-Piloten werden es meistens ohnehin nur lose in Händen halten, denn der Spurhalteassistent im Ocean funktioniert so gut, dass man hinter dem Steuer wirklich die Rolle des Überwachers statt die des aktiven Lenkers einnehmen kann. Zumindest wenn der Rest funktioniert, denn auf unserer Testfahrt liess sich der Abstandstempomat partout nicht aktivieren. Kein Wunder, viele autonome Fahrfunktionen, darunter neben dem Abstandsregler auch den Spurwechselassistenten, will Fisker erst gegen Ende des Jahres per Over-the-Air-Update freischalten. Für einen erfolgreichen Neustart einer Marke wäre es natürlich schon besser, wenn alles von Anfang an richtig funktionierte.
Spannende Aussichten
Trotz der abverlangten Geduld seitens der Kunden hat Fisker laut eigenen Angaben schon alle 5000 Einheiten der Lancierungsedition One verkauft. Firmengründer Henrik Fisker bedankt sich dafür auch artig per Videobotschaft, in welcher er nochmals betont, wie nachhaltig der Ocean sei. Zumindest im Ocean One und im vergleichbaren Ocean Extreme wird diese Aussage auch beim Blick nach oben zusätzlich untermauert, denn das serienmässige Solarschiebedach generiert zusätzlichen Strom für bis zu sieben Extrakilometer am Tag. Für die Einstiegsversion Sport (die bei uns wohl Winter heissen wird) und die mittlere Variante Ultra ist es nicht zu haben, zudem gibt es bei diesen beiden grössere Abstriche bei Antrieb, Reichweite und übriger Ausstattung. Dafür kosten Sport/Winter und Ultra mit geschätzt 42 000 respektive 57 000 Franken auch deutlich weniger als der Extreme, der laut Konfigurator bei 68 990 Franken startet.