Als Nio etwa 2018 über seinen ersten Auftritt in Europa nachdachte, kamen dafür nur zwei Länder in Frage: Norwegen und die Schweiz. Warum genau sich die Chinesen für Skandinavien entschieden, will Hui Zhang, Vice President Europe, nicht erzählen, aber es gibt trotzdem gute Neuigkeiten: Kürzlich wurde ein General Manager für die Schweiz ernannt. Und dieser ist bereits fleissig unterwegs, sucht die passenden Standorte. Wann genau die Chinesen die Schweiz beehren werden, wollen sie aber noch nicht verraten.
Kein Geheimnis ist allerding, dass Nio eine Bereicherung sein wird. Das chinesische Start-up, gegründet erst 2014, hat seit 2019 sieben neue Modelle lanciert, jetzt ist die Reihe am EL6, einem SUV, das durchaus den Geschmack der breiten Masse treffen dürfte, nicht nur optisch. Der EL6 ist 4.85 Meter lang, 1.99 Meter breit, 1.70 Meter hoch, wiegt mindestens 2.4 Tonnen und verfügt über einen Kofferraum, der sich von 597 auf 1430 Liter erweitern lässt. Ja, ein mächtiges Trumm, vor allem sehr breit, was aber daran liegt, dass alle Nio-Modelle auf der gleichen Plattform basieren.
Was wiederum daran liegt, dass die Chinesen als einziger Hersteller einen Power-Swap anbieten, bei dem in fünf Minuten in speziellen Stationen die ganze Batterie getauscht werden kann. Das wird von Robotern erledigt, in Europa sind es erst wenige, in China gibt es aber bereits fast 2000 dieser Stationen. Selbstverständlich lässt sich der Nio EL6 auch an konventionellen Schnellladern anschliessen, je nach Akkugrösse mit bis zu 180 kW Ladeleistung. Zwei Batteriengrössen sind erhältlich, 75 und 100 kWh, in den nächsten Monaten soll ein 150-kWh-Monster dazukommen, mit dem die Reichweite auf gut 800 Kilometer steigen soll.
Von weich bis sehr hart
Der EL6 wird vorne von einem Induktionsmotor mit 150 kW angetrieben, hinten von einem 210 kW starken Permanentmagnet-E-Motor. Zu den insgesamt 490 PS kommen noch 700 Nm maximales Drehmoment, die das SUV in 4.5 Sekunden von null auf Tempo 100 hauen, maximal sind 200 km/h möglich. Erfreulich: Der Verbrauch bleibt relativ bescheiden, auf unserer nicht wirklich zurückhaltend gefahrenen ersten Probefahrt auch über deutsche Autobahnen blieben wir im Schnitt unter 18 kWh/100 km. Da geht sicher auch weniger.
Aber natürlich ist der schwere Fuss auch nicht wirklich die Domäne des Chinesen. Die Lenkung – nun, es gibt sicher bessere. Das Fahrwerk ist in der Komfort-Stellung sehr weich und filtert so ziemlich alles weg, was es an Unebenheiten gibt, doch der Wagen schaukelt wie ein Schiffchen auf unruhigem Wasser. Wählt man Sport oder Sport+, wird das deutlich besser, dann steht auch die volle Leistung zur Verfügung, dem Verbrauch hilft das jedoch sicher nicht. Immerhin ist bei den acht Fahrmodi eine deutliche Spreizung erkennbar, die aber immer auch etwas klinisch anmutet.
Gar nicht künstlich ist dafür der Innenraum des Nio. Die Platzverhältnisse sind fürstlich, auch hinten sitzt man ausgezeichnet. Der Innenraum ist sowieso das Prunkstück des Chinesen, hochwertige Materialien, sehr sauber verarbeitet – der EL6 bewegt sich zweifellos auf Premiumniveau. Das gilt auch für die Bedienerführung, die hauptsächlich über den gewaltigen Touchscreen geschieht. Und über Nomi, die fröhliche Kugel auf dem Armaturenbrett, deren Spracherkennung derzeit wohl Benchmark ist im automobilen Bereich.
Kompliziertes Geschäft
Der Nio EL6 mit der 100-kWh-Batterie kostet in Deutschland ab 53 500 Euro. Dazu kommen 289 Euro Batteriemiete im Monat – oder 21 000 Euro zusätzlich, kauft man den Akku. Dann kann man aber nicht vom möglichen Batterietausch profitieren. Ach, es ist alles noch kompliziert, da könnte Nomi ein bisschen nachbessern.