Es lief gut für Audi, damals in den 1990er-Jahren. Man hatte sich bestens positioniert als Verfolger hinter BMW und Mercedes, die Verkaufszahlen gingen stetig aufwärts. Und es sollte noch besser werden. Unter der Leitung von Claus Potthoff experimentierte Audi schon Anfang des Jahrzehnts mit einem für die damalige Zeit sehr fortschrittlichen Design mit vielen Rundungen, als erstes Modell sollte der A6 ab 1997 davon profitieren. Konservativ konnten innerhalb des VW-Konzern ja Golf und Passat.
Symbol für den Aufbruch
Doch es ging noch mehr, und die Frage ist ein wenig: Huhn oder Ei? Im September 1994 legte Freeman Thomas im Audi-Designcenter im kalifornischen Simi Valley einen Entwurf vor, der überragend war. Ob damals schon die Idee bestand, ein kompaktes Sportcoupé auf Basis des Golf 4 auf den Markt zu bringen oder ob erst der Entwurf von Thomas zu diesen Überlegungen führte, wissen nicht einmal mehr Audi-Mitarbeiter aus jenen Jahren genau. Sicher ist, dass schon im Herbst 1995 eine erste Coupéstudie an der IAA gezeigt wurde, kurz darauf in Tokio auch ein Roadster. Die Bezeichnung TT war auch ganz neu für Audi, symbolisierte den Aufbruch. Sie stand für die Tourist Trophy auf der Isle of Man, wo die Audi-Vorgänger DKW und NSU einst grosse Motorraderfolge gefeiert hatten.
Noch im Dezember 1995 fiel die Entscheidung, den TT in Serie zu produzieren, im Herbst 1997 stand das Coupé an der IAA, 1998 bei den Händlern, der Roadster folgte ein Jahr später. Es war wirklich ein aussergewöhnliches Fahrzeug, Audi versuchte sich damit sozusagen an der Quadratur des Kreises. Der Kreis, diese perfekte geometrische Form, ist überall zu finden, nicht nur aussen, auch innen – alles ist rund. Audi beschrieb den TT damals als «eine fahrende Skulptur, höchste Qualität in Flächen und Linien». Jede Linie hat ihren Zweck, man bezeichnete den Audi TT als «Bauhaus-Architektur auf Rädern».
«Zu gefährlich»
Doch die so brillante Form sorgte auch gleich für Probleme: Schon kurz nach Verkaufsstart kam es zu einer Serie von schweren, auch tödlichen Unfällen. Walter Röhrl sagte nach einer erste Testrunde: «Für den normalen Menschen zu gefährlich. Wenn der bei 200 das Gas wegnimmt, fährt der rückwärts.» Das Problem lag darin, dass das Heck bei höheren Geschwindigkeiten starken Auftrieb verursachte, dadurch sehr instabil wurde und in Verbindung mit dem sportlich ausgelegten Fahrwerk kaum mehr beherrschbar war. Eine kleine Abrisskante am Heck sowie eine etwas weichere Fahrwerksabstimmung sorgten für Besserung, doch das Spoilerchen störte halt die so grossartigen Linien des TT.
Er ist trotzdem ein sehr hübsches Fahrzeug, auch heute noch. Wir fuhren einen Audi TT (Typ 8N) mit Jahrgang 1999, also schon mit Spoiler, in einer der bravsten Versionen mit 1.8-Liter-Turbo, 180 PS, Frontantrieb. Das tönt nicht nach wilder Sportlichkeit, ist es auch nicht, aber es geht gut voran. In engen Kurven scharren die vorderen Räder, die Antriebseinflüsse auf die Lenkung sind ziemlich grob, also lässt man das schnell wieder bleiben. Doch auf kurvigen Landstrassen ist der weniger als 1.3 Tonnen schwere Audi ein Genuss und komfortabler als moderne Sportwagen. Bloss der Sound ist etwas kümmerlich. Aber es gab ja auch noch einen Sechszylinder mit 250 PS und Allradantrieb, bei dem die Fahrleistungen so gut waren wie das Aussehen des Fahrzeugs.
Schreiben wir es einmal so: Die Preise für diese frühen TT sind am Boden. Man bekommt die Fahrzeuge dieser ersten Generation für zwei Butterbrote. Bis 2006 wurden 178 765 Coupés gebaut, dazu 90 733 Roadster, und jetzt ist der Zeitpunkt, sich noch eine dieser Designlegenden anzuschaffen. Exemplare ohne Spoiler gibt es nur wenige. Wenn man sich den Kauf überlegt, sollte man darauf achten, ein Fahrzeug aus den Baujahren nach der Modellpflege im Jahr 2000 auszusuchen, dann gab es auch ESP.
Die nicht mehr so reine Form
Auf den Typ 8N folgten 2006 der Typ 8J und 2014 der TT FV/8S. Letzterer wird auch der letzte TT sein, es wird keinen Nachfolger mehr geben, mit den 100 Exemplaren der Iconic Edition wird der Audi TT das Zeitliche segnen (zusammen mit dem R8). Zwar verfügt die dritte Generation des TT immer noch über die so typische Dachwölbung, doch sonst hat man sich längst von der Reinheit der Form verabschiedet, auch innen: keine hübschen Rundinstrumente mehr, dafür das erste Virtual Cockpit.
Doch wir wollen nicht jammern, denn schliesslich hat im TT der so wunderbare Fünfzylinder noch einen letzten Auftritt. 2016 eingeführt, ist dieser TT RS mit seinen 400 PS und 480 Nm maximalen Drehmoments der heimliche Gegenentwurf zu einem Porsche 911. Allradantrieb, klar, muss sein bei Audi (auch wenn es nur Haldex ist), Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, knapp über 1.5 Tonnen, er will in 3.7 Sekunden auf 100 km/h rennen. Nein, die ganz grosse Performance-Nummer ist auch die von uns gefahrene letzte Generation des TT nicht, sie basiert weiterhin auf dem Golf und wirkt allein deshalb schon etwas eingeschränkt. Auch der Sound ist leider, leider nicht mehr so, wie wir ihn am Audi-Fünfzylinder immer geliebt hatten. Dafür fehlt uns etwas das Verständnis, gab es doch bis vor Kurzem noch diese wunderbare Akrapovic-Titananlage, die das Scheppern und Fauchen der legendären Maschine akustisch so wunderbar unterstützte.
Andererseits: Wir jagten den TT RS an einem ganz frühen Morgen den komplett verlassenen Col de Turini hoch (von der falschen Seite, die viel schöner zu fahren ist). Und auf solchen Strassen ist der völlig übermotorisierte, aber halt auch schön kompakte Über-Golf schon eine extreme Gaudi. Aus der Serpentine knallen, zweiter Gang, dritter Gang (von Hand natürlich, bis 5000 U/min reicht, nachher wird er nur noch lauter, aber nicht mehr viel schneller), dann vor der nächsten 170-Grad-Wende massiv in die Eisen, runter in den ersten Gang, weit vor dem Scheitelpunkt wieder heftig aufs Fahrpedal – das macht süchtig. Klaglos macht der Audi die Hatz mit, er knistert und riecht dann zwar oben auf der Passhöhe, aber dafür sind Sportwagen gemacht, da braucht man kein Mitleid zu verspüren.
Zukünftiger Klassiker
Es heisst, dass die Iconic Edition längst schon ausverkauft sei (weshalb es uns etwas wundert, dass sie noch auf Präsentationen herumgezeigt wird), in der Schweiz lässt sich der TT RS mit dem famosen Fünfzylinder nicht mehr über die Webseite von Audi konfigurieren, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass das Thema nun wirklich abgeschlossen ist.
Aber auch wenn man nun vielleicht wirklich zu spät ist, da oder dort wird es schon noch Neuwagen geben – und gerade als RS hat der TT sicher das Zeug zu einem zukünftigen Klassiker. Auch hat Akrapovic vermutlich noch ein paar Auspuffanlagen vorrätig. Die aber dann wohl etwa so viel kosten wie ein günstiger gebrauchter Audi TT der ersten Generation.