Die Japaner hätten die Elektromobilität verschlafen – diesen Vorwurf hört man oft. Doch wahr ist diese Aussage nur bedingt. Klar, gerade von Toyota als grösstem Autohersteller der Welt hätten sich viele ein frühes, volles Bekenntnis zu dieser Antriebsform gewünscht. Tatsache ist aber, dass die japanischen Marken ihr Geld in Regionen machen, wo der Elektroantrieb (noch) kaum eine Rolle spielt. Das gilt nicht nur für Toyota, Nissan oder Mazda, sondern auch für Honda. Der zweitgrösste Autohersteller aus dem Land der aufgehenden Sonne ist in erster Linie auf den US-Markt fokussiert, wo die Elektromobilität nur in einzelnen Regionen langsam in Schwung kommt.
Deshalb sehen die Japaner bei der Entwicklung ihrer Modelle weder den Elektrohype noch die spezifischen Kundenwünsche der Europäer als Priorität. Dennoch zeigt Hondas jüngste Modelloffensive nun, dass sich das langsam ändert. Neben der Neuauflage des CR-V, der ein globaler Bestseller ist, wurde auch ein kompaktes Elektro-SUV mit dem kryptischen Namen E:Ny1 vorgestellt, das noch in diesem Jahr auf den Markt kommen wird. Dazu gesellt sich mit dem ZR-V eine neue Baureihe, die mit einem besonderen Augenmerk auf eine hohe Fahrdynamik voll auf die europäischen Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Endlich ausgereift
«Wir glauben, dass der ZR-V das perfekte Paket bietet, um die einzigartigen Anforderungen der Kunden in ganz Europa zu erfüllen», ist Projektleiter Yutaka Kato überzeugt. «Wir wollten ein einzigartiges SUV entwickeln, das sich von den anderen Modellen des Segments klar abhebt, mit herausragendem Komfort, einem wunderschönen Interieur, einer kraftvollen Präsenz und unserem aussergewöhnlichen Hybridantrieb.» Das sind grosse Worte, doch schon nach wenigen Kilometern wird klar, dass Honda mit dem ZR-V tatsächlich ein grosser Wurf gelungen ist.
Da ist zum einen der einzigartige Hybridantrieb, den Honda als «hochgelobt» umschreibt, der in Europa aber auch schon für Nasenrümpfen sorgte. Er wurde seit seiner Premiere in der letzten CR-V-Generation aber stetig überarbeitet und wirkt nun im ZR-V endlich ausgereift. Der Clou des E:HEV genannten Systems: Ein Zweiliter-Vierzylinder-Benziner mit Direkteinspritzung, der im Atkinson-Zyklus arbeitet, fungiert mehrheitlich als Stromgenerator und versorgt damit zwei E-Motoren, die wiederum die Vorderräder antreiben. Der ZR-V ist also fast immer als Seriellhybrid im Elektroantrieb unterwegs und profitiert so auch von dessen Eigenschaften: volles Drehmoment aus dem Stand, starker Antritt, gute Elastizität. So reichen dem Honda eine Systemleistung von 135 kW (184 PS) sowie ein Gesamtdrehmoment von 315 Nm, um das 1.6 Tonnen wiegende SUV flott in Schwung zu bringen. Von null auf hundert in 7.8 Sekunden, Topspeed 173 km/h – mehr braucht ein solches Familienauto nicht. Der WLTP-Normverbrauch von 5.8 l/100 km ist nicht berauschend, aber ganz o. k.
Innerorts ist man so also vorwiegend im EV-Modus unterwegs, der Strom dazu kommt aus der Lithium-Ionen-Batterie. Wird das Pedal kräftiger getreten, wechselt das System in den Hybridmodus, in dem der Verbrenner den Strom für den EV-Antrieb produziert – angetrieben wird aber weiterhin rein elektrisch. Erst bei konstant hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn treibt der Verbrenner die Räder direkt an, bei Bedarf wird er von den E-Motoren unterstützt. Wird in den Bereich des Topspeeds beschleunigt, wechselt das System wieder zurück in den Hybridmodus, um die volle Leistung des E-Antriebs freizusetzen. Das Motorgeräusch wird dabei linear auf die Drehzahl abgestimmt, was Honda inzwischen gut gelöst hat. Bei älteren Generationen dieses Hybridsystems war das noch nicht der Fall, und man fühlte sich an ein CVT-Getriebe erinnert.
Überraschend viel Fahrspass
Neben dem gelungenen Hybridantrieb ist es aber vor allem das Fahrverhalten, das begeistert. Dass Honda das kann, wissen Type-R-Fahrer schon lange, nun haben die Japaner diese Eigenschaften endlich auch auf ein SUV übertragen. Der ZR-V rollt grundsätzlich komfortabel ab und ist ein wohliger Gleiter, doch sein wahres Talent kommt in Kurven zur Geltung. Dank eines leichten, steifen Chassis, eines sportlich abgestimmten Fahrwerks mit MacPherson-Aufhängung vorne und einer Mehrlenker-Hinterachse bleibt das SUV selbst bei schnellen Richtungswechseln waagrecht und souverän. Das macht der kompakte Japaner so gut, dass man sich einen ZR-V Type R wünscht – doch daraus wird leider nichts.
Spass macht auch die präzise und mitteilsame Lenkung. Der ZR-V zieht gierig zum Scheitelpunkt und lässt sich sauber aus der Kurve führen. Dieses Fahrverhalten in Verbindung mit den bequemen Sitzen und der guten Ergonomie im Cockpit sorgt für überraschend viel Fahrspass. Dieses Cockpit wirkt mit einem aufgeräumten, klar gegliederten Layout, einem freistehenden Bildschirm über der Mittelkonsole, Digitalanzeigen hinter dem Lenkrad und einem Head-up-Display auf der Windschutzscheibe modern und elegant. Abzuwarten bleiben noch die Preise, die zum Zeitpunkt der Publikation noch nicht bekannt waren. Wenn sich das neue SUV auch da zwischen HR-V und CR-V bewegt, wird der neue ZR-V ein echter Knüller.