Es geht voran!

Die Auto Shanghai brachte nicht nur eine gewaltige ­Fülle an Neuheiten. Viel wichtiger noch: Sie zeigte, wie hoch der aktuelle Stand der E-Technik in China schon ist. Der Blick in die Zukunft macht Hoffnung.

Es ist nicht ganz so einfach, an interpretierbare Informationen der chinesischen Auto­hersteller zu gelangen. Während, zum Beispiel, McLaren zu seinem neuen 750S eine Pressemitteilung mit 7000 Worten geschrieben hat und fast 100 hochklassige Bilder des neuen Fahrzeugs mitliefert, gibt es zur vielleicht spannendsten Neuheit der Auto Shanghai, dem BYD Seagull – nichts. Kein Wort, kein offizielles Bild. Und vor allem keine technischen Angaben. Anfragen an den Hersteller verschwinden in den unendlichen Weiten des Internets. Man muss sich also auf die Artikel in den einschlägigen Medien verlassen, die Informationen filtern, sich selbst ein Bild zu machen versuchen.

Als sicher darf gelten, dass der Seagull, der in China zu einem Basispreis von unter 10 000 Franken angeboten werden wird, auf der Plattform 3.0 von BYD steht. Das bedeutet, dass er über eine 800-Volt-Architektur verfügt. Das wiederum heisst, dass die Chinesen diese deutlich aufwändigere und teurere Technologie, die von den europäischen Herstellern bislang nur selten verwendet wird, anscheinend bereits so gut auch nach unten skalieren können, dass sich der Aufwand rechnet. Noch interessanter ist aber, dass der Kleinstwagen über eine Natrium-Ionen-Batterie verfügen soll.

Der BYD Seal ist das erste Serien-E-Auto mit Cell-to-Body-Struktur. Das schafft nicht nur mehr Stabilität, sondern spart auch Gewicht.

Schneller laden mit Natrium

Dazu muss man jetzt etwas ausholen. Die am häufigsten verwendete Batterietechnik sind aktuell die Lithium-Ionen-Akkus, dazu gibt es eine noch etwas günstigere Variante, die LFP-Batterien mit Lithium und Eisenphosphat. Lithium ist nun aber sehr selten (nur gerade 0.006 Prozent der Erdkruste bestehen daraus) und entsprechend teuer, zudem wird es in nur gerade vier Ländern abgebaut, in China, Australien, Argentinien und Chile. Natrium dagegen ist das sechsthäufigste Element (2.8 Prozent der Erdkruste) und sehr günstig. Auch Kobalt muss in diesen neuen Akkus, wie schon beim LFP-Akku, nicht mehr verwendet werden, die Anode besteht aus Aluminium anstatt aus Kupfer. Die Natrium-Akkus lassen sich extrem schnell laden und haben auch kein Problem mit Temperaturen von minus 20 Grad Celsius.

Natrium-Batterien sind zudem in ihrem Aufbau ihren Lithium-Verwandten sehr ähnlich, ausser dass Natrium als Träger der Ladung zwischen den Polen fungiert. Für die Akku- und Fahrzeughersteller ist das entscheidend, denn so können sie bei der Herstellung die gleichen Werkzeuge, Prozesse und Strukturkomponenten verwenden. Das erspart langwierige und sehr teure Umrüstungen der Infrastruktur.

Nachteile gibt es selbstverständlich auch. Die Energiedichte der vom grössten Batteriehersteller der Welt, der chinesischen Catl, bereits gebauten Energiespeicher liegt derzeit noch bei etwa 150 Wh/kg, während die besten Lithium-Ionen-Akkus derzeit auf 260 Wh/kg kommen.

Doch bleiben wir gleich bei Catl. Die Contemporary Amperex Technology Co. Limited mit Sitz in Ningde und gegründet 2011 ist mit einem Marktanteil von 37 Prozent im vergangenen Jahr mit Abstand wichtigster Batterienhersteller im Automobilbereich vor LG und BYD, die beide auf jeweils 13.6 Prozent kommen. Ebenfalls auf der Auto Shanghai haben die Chinesen eine komplett neue Batterie angekündigt, die über eine Energiedichte von 500 Wh/kg verfügen soll. Was einer Verdoppelung der bisherigen Kapazität gleichkäme. Man kann sich leicht ausrechnen, was das bedeutet: Entweder werden die Akkus halb so gross bei gleicher Reichweite – oder die Reichweite verdoppelt sich bei gleicher Grösse. Catl spricht sogar davon, dass solche Batterien in Flugzeugen verwendet werden könnten.

Aber eben, mit der Preisgabe der technischen Feinheiten halten sich die Chinesen extrem zurück. Man darf aber davon ausgehen, dass es sich bei dieser Condensed-Matter-Batterie um eine Art Feststoffzellenakku handelt. Als kondensierte Materie werden in der Physik Materialien in festem und flüssigem Aggregatzustand bezeichnet, etwa im Gegensatz zu Gas und Plasma. Für die Condensed Battery hat Catl anscheinend eine adaptive Netzstruktur im Mikromassstab entwickelt, die die Wechselwirkungskräfte zwischen den Ketten reguliert. Damit sollen Veränderungen in den elektrochemischen Reaktionen von chemischen Prozessen mit ultrahoher Energiedichte berücksichtigt werden können. Zudem soll die Condensed Battery ­eine Reihe von Innovationen bei den einzelnen Bauteilen einer Batteriezelle nutzen können, darunter bei der Separatorfolie, einer nicht näher beschriebenen Hochenergiekathode und einer neuen Art Anode.

Packaging als A und O

Der Fortschritt wäre immens. Wobei man den Konjunktiv hier eigentlich gar nicht verwenden muss, schon im nächsten Jahr sollen die ersten E-Autos mit dieser Technik auf den Markt kommen. Und das ausgerechnet bei Chery, einem zwar etablierten Hersteller, der aber in den vergangenen Jahren nicht unbedingt mit positiven Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht hat. Doch kürzlich kam es zu einer Änderung in der Eigentümerstruktur – und einer der Grossaktionäre bei Chery ist jetzt, wen wundert es, Catl.

Doch das ist noch lange nicht alles, auch beim Packaging sind die Fortschritte plötzlich enorm gross. Zuerst wurde die Cell-to-Pack-Bauweise (CTP) angekündigt. Das ist die direkte Integra­tion der Batteriezelle in das Batteriepack, bei der auf den Einsatz von einzelnen Batteriemodulen verzichtet wird. Dazu muss man wissen, dass die bisher grösste Tesla-Batterie aus 4860 Modulen bestand, die einzeln miteinander verbunden werden mussten. Werden grössere Pakete verwendet, so ergibt sich weniger totes Verpackungsmaterial, es entsteht mehr Platz für das eigentliche Speichermaterial. Renault/Nissan kommen schon im nächsten Jahr mit CTP, andere europäische Hersteller sind in der Testphase, die Chinesen aber bereits ­einen Schritt weiter.

Da geht es dann um CTB, Cell to Body. BYD verwendet diese Technik bereits jetzt im Seal, der in China schon auf dem Markt ist und bald auch in Europa angeboten werden wird. Auch bei CTB besteht die Batterie aus grösseren Paketen, diese werden aber so verwendet, dass sie gleich tragender Teil der Plattform sind. Das macht nicht nur den Unterbau des Automobils deutlich steifer, sondern spart auch Platz und Material. CTB-E-Autos können flacher gebaut werden und sind auch etwas leichter. Wie es genau um die Crash-Sicherheit und vor allem die Reparaturfreundlichkeit aussieht, ist hingegen ein anderes Thema. Doch es macht den Eindruck, als ob dieses Packaging die Zukunft darstelle. Auch Tesla lässt CTP aus und kommt bald schon direkt mit CTB. 

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