Mit dem Inkrafttreten der neuen Führerausweisvorschriften am 1. Januar 2021 wurden grundlegende Änderungen beim Personenwagen-Ausweis (B) eingeführt. Bereits im Vorfeld waren diese nicht unumstritten und führen inzwischen erneut zu intensiven Diskussionen. Die neue Regelung wirft Fragen zur Qualität der langen Fahrausbildung und zur Verkehrssicherheit auf. Zugleich hat sie das Umfeld vieler Fahrlehrer und Fahrschulen derart verändert, dass sie wirtschaftlich in Bedrängnis geraten sind. Letzteres hat die neue Führerausweisvorschrift auch wieder ins öffentliche Gespräch gebracht.
Die Neuerungen
Der wohl wichtigste Punkt der neuen Vorschriften dreht sich darum, dass Fahrschüler bereits ab dem 17. Altersjahr einen Lernfahrausweis erhalten können statt wie bisher ab 18 Jahren. Ergänzend wurde verfügt, dass man den Lernfahrausweis mindestens ein Jahr lang besitzen muss, um zur praktischen Führerprüfung zugelassen zu werden. Die Idee dahinter: Durch die längere Dauer sollen die Novizen mehr Fahrpraxis erlangen. Die neue Mindestdauer gilt übrigens nur bis zum 20. Lebensjahr. Wer über 20-jährig ist, wenn er den Lernfahrausweis bestellt, wird wie bisher ohne Mindestdauer zur praktischen Prüfung zugelassen.
Gleichzeitig mit dem neuen Mindestalter und der Mindestdauer wurden hingegen auch die Vorschriften in der sogenannten Zweiphasenausbildung abgeschwächt: Neulenker müssen nach bestandener Führerprüfung nicht mehr zwei Weiterbildungskurse à acht Stunden absolvieren, sondern nur noch einen einzigen, auf sieben Stunden verkürzten Kurs.
Mehr Fahrpraxis als Ziel – zwischen dieser begrüssenswerten Idee hinter der Mindestdauer und der heutigen Ausgestaltung in der Praxis öffnen sich aber Welten. Wer den Lernfahrausweis besitzt, muss im vorgeschriebenen Jahr nämlich lediglich den Verkehrskundeunterricht von total acht Stunden Dauer besuchen, sonst werden keinerlei weitere Anforderungen gestellt. Und an diesem Umstand erwachsen die eingangs erwähnten Probleme, denn es fehlen Anreize, damit die Lernfahrer die Zeit auch wirklich nutzen, mehr Fahrpraxis erlangen und sich damit sicherer im Strassenverkehr bewegen.
«Ich finde das vorgeschriebene Jahr grundsätzlich gut», sagt auch Stefan Honegger, Geschäftsführer der Transportschule in Wetzikon, «aber wir sehen inzwischen, dass der Mensch doch nicht so funktioniert, wie man sich das bei der Ausarbeitung der Vorschriften offenbar vorgestellt hat.» In der Fahrschule seien Fahrschüler nur noch selten zu Beginn ihrer praktischen Ausbildung anzutreffen. Vielmehr begnügten sie sich heute über die grösste Zeit der Lernfahrausweisdauer allein mit privat begleitetem Fahren. Erst wenn es darum gehe, die praktische Prüfung auch sicher zu bestehen, suchten sie dann kurz zuvor noch professionellen Rat vom Fahrexperten. Mit einer spürbaren Veränderung zu früher, wie Honegger erklärt: «Wir stellen heute fest, dass die Fahrschüler bereits stark vorkonditioniert zu uns kommen.» Denn ohne professionelle Fahrbegleitung sammelten sich über die Monate viele falsche Informationen in den unterschiedlichsten Bereichen des Fahrens an. Als Beispiele nennt Honegger Fahrtechnik, Blicktechnik, Verkehrsverhalten oder Gefahreneinschätzung. Solches am Schluss zu korrigieren, sei mühevoll und zeitaufwendig: «Es braucht mehr Energie und Zeit zur Korrektur, als wenn richtiges Verhalten und korrektes Wissen von Beginn weg erlernt wird.»
Sicherer? Günstiger?
Eines der erklärten Ziele des Bundes bei der Gesetzesänderung war es, den Weg zum Führerschein sicherer zu machen. Ob dies auf dem eingeschlagenen Weg gelungen ist, lässt sich nur schwer abschätzen. Die Erfolgsquote bei den theoretischen und praktischen Führerprüfungen hat sich auf jeden Fall bislang nicht verändert, wie die Statistik der Vereinigung der Strassenverkehrsämter (ASA) zeigt. In den Jahren 2019 bis 2022 lag die Erfolgsquote bei den Theorieprüfungen bei 76 bis 80 Prozent, jene bei der praktischen Prüfung im gleichen Zeitraum bei rund 66 bis 67 Prozent. Das ist auch ein Indiz dafür, dass die Nacharbeit der professionellen Fahrausbilder Früchte trägt.
Das zweite erklärte Ziel des Bundes: Den Weg zum Führerausweis günstiger zu machen. Das dürfte mit der aktuell gültigen Regelung teilweise erreicht sein und würde auch erklären, weshalb wie bisher keine Mindestlektionen oder anderweitige Begleitmassnahmen angeordnet wurden. Das ist in anderen Ländern anders, wie das Beispiel von Deutschland zeigt. Hier sind zwölf Doppelstunden theoretischer Unterricht für den Grundstoff sowie zwölf praktische Lektionen à 45 Minuten Pflicht. Diese müssen auf bestimmten Strassenkategorien (4 Stunden auf der Autobahn) oder unter bestimmten Bedingungen absolviert werden, so sind drei Fahrstunden bei Dämmerung oder Dunkelheit vorgeschrieben. In der Vernehmlassung zur heutigen Führerausweisverordnung vor fünf Jahren war eine professionelle Begleitung im Ansatz noch vorhanden, zwei obligatorische Fahrschul-Einzellektionen waren angedacht. Diese Lektionen im ersten Drittel der Ausbildungsfrist hätten eine frühzeitige professionelle Betreuung gewährleistet. Doch sie wurden nicht in die Neuregelung integriert. Die längere Nacharbeit vor der praktischen Prüfung dürfte einen Teil der Einsparung der fehlenden Begleitmassnahmen aufbrauchen, ganz abgesehen vom Konfliktpotenzial bei der Korrektur von angelerntem Fehlverhalten.
Wie es die Verordnung vorsieht, wird das Bundesamt für Strassen (Astra) im kommenden Jahr die neue Führerausweisregelung auswerten und gegebenenfalls Anpassungen vorschlagen. Mit Blick auf eine geradlinige Ausbildung hin zum geübten Fahrzeuglenker wäre die Einführung von ein paar wenigen Begleitmassnahmen wünschenswert, seien dies obligatorische Fahrstunden, ein Einführungskurs für Begleitpersonen oder ein bis zwei Kompetenzkontrollen während der Ausbildung. Mit diesen Massnahmen könnten Anreize geschaffen werden, damit die obligatorische Lernfahrausweisdauer auch wirklich für die Aufgabe genutzt wird, für die sie vorgesehen ist: eine gute Fahrpraxis zu erlangen.
Das gilt bei Lernfahrten
Notwendig für Lernfahrausweis
- Sehtest
- Nothelferkurs
- Theorieprüfung
Regeln zur Lernfahrperiode
- Unter 20-Jährige: Vor praktischer Prüfung mindestens ein Jahr im Besitz des Lernfahrausweises
- Begleitperson mindestens 23 Jahre alt, Ausweis seit drei Jahren
- Verkehrskundeunterricht (8 Stunden)
- Praktische Prüfung frühestens ab 18 Jahren
- Lernfahrausweis zwei Jahre gültig
Regeln nach der praktischen Prüfung
- Führerausweis drei Jahre auf Probe
- Weiterbildungskurs (7 Stunden, innert 12 Monaten nach Prüfung)