Bald sechs Jahrzehnte alt ist der Toyota Corolla und gehört damit weltweit zu den am längsten produzierten Modellen. Mit über 50 Millionen Fahrzeugen ist er auch eines der am meisten gebauten Modelle – wobei sich hier die Geister an der Frage scheiden, was wirklich als eigenes Modell zählt und was nicht. Ausser Frage steht aber, dass der Corolla eines der erfolgreichsten Modelle von Toyota ist. Nach einer Kunstpause auf dem europäischen Markt ab 2007, während der Toyotas Kompaktwagen als Auris unterwegs war, brachte man den bekannten Namen 2019 etwas überraschend wieder zurück. Noch bei der Präsentation am Autosalon in Genf hiess das Modell Auris, bis zum Marktstart im Herbst liess Toyota dann diesen Namen aber komplett fallen und brachte den Corolla zurück. Das war vor vier Jahren – was bedeutet: Es ist an der Zeit für eine Modellpflege.
Und diese kommt auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar daher. Zwei neue Farben sind es, angepasste Leuchtenkonturen, neue Felgen und ein veränderter Kühlergrill. Die grossen Änderungen am Corolla sind also nicht sichtbar. Und hören sich auch gar nicht so gross an. Eine neue Generation Hybridantrieb habe man verbaut und die Assistenzsysteme erweitert und verbessert, erklärt Vincent Dewaersegger von Toyota Europe. Das dahinter doch mehr steckt, als es im ersten Moment den Anschein hat, zeigt sich auf der Strasse.
Fünfte Hybridgeneration
Als Motorisierung gibt es weiterhin die Wahl zwischen 1.8-Liter- und Zweiliter-Hybrid, allerdings hat Toyota den Antrieb deutlich verbessert und nennt ihn nun die «fünfte Generation des Hybridantriebs». Neben einigen kleinen Anpassungen am Verbrennungsmotor ist es vor allem der elektrische Teil, der überarbeitet wurde. Das Konzept basiert weiterhin auf zwei Elektromotoren – die beide leichter und kompakter gebaut und gleichzeitig leistungsstärker sind als die bisherigen Motoren. Damit wird das Leistungsverhältnis zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor zugunsten des E-Antriebes verschoben und der gesamte Antrieb kräftiger und direkter.
Eine ganz neue Motorsteuerung, bei der nicht nur die Software, sondern auch die Hardware komplett überarbeitet wurde, und eine neue Hochvoltelektronik reduzieren die elektrischen Verluste und verbessern die Gesamtleistung des Antriebs. Im 1.8-Liter-Hybrid steigt diese von 90 kW (122 PS) auf 103 kW (140 PS), im Zweiliter-Hybrid von 135 kW (184 PS) auf 144 kW (196 PS). Trotz Mehrleistung wurde der CO2-Ausstoss im kleineren Motor um 2 g/km und im grösseren sogar um 12 g/km verbessert. Auch die Lithium-Ionen-Batterie wurde überarbeitet und vor allem verkleinert und ist jetzt 14 Prozent leichter und deutlich kompakter als bisher, was im Kofferraum mehr Platz schafft, da sie unter der Rückbank Platz findet. Ein neues Kühlsystem soll ausserdem die Lebensdauer der Batterie verlängern, da sie geringeren Temperaturschwankungen unterliegt.
Auf der Strasse macht sich der Unterschied zum Vorgänger ganz besonders beim 1.8-Liter bemerkbar. Die Zeit für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h hat Toyota von 10.9 auf 9.1 Sekunden gesenkt. Durch die neue Antriebseinheit hängt das Auto auch direkter am Gas und spricht schneller an. Was sich nicht geändert hat: die Charakteristik des CVT-Getriebes, das wie gewohnt Teil des Geheimnisses von Toyotas Hybridkompetenz ist. Für die Effizienz des Antriebes wohl unerlässlich, beisst sich die Charakteristik und die Geräuschkulisse des hochdrehenden Verbrenners mit dem ansonsten sportlich-direkten Verhalten des Antriebes. Allgemein fällt die eher spärliche Lärmdämmung des Innenraums auf, nicht nur gegen Motor-, sondern auch gegen Abrollgeräusche.
Etwas weniger gross sind die Unterschiede beim Fahrverhalten des Zweiliter-Hybrids, bei dem die Beschleunigung von 7.9 auf 7.4 Sekunden leicht verbessert wurde. Damit zeigt der Antrieb schon fast sportliche Züge. Beiden Varianten gemeinsam sind die harmonischen Übergänge zwischen den Antriebsarten. Gerade in der Stadt wechselt das System nahtlos und kaum spürbar zwischen Verbrenner und Elektromotor hin und her. Über den EV-Knopf kann rein elektrisches Fahren forciert werden, wobei das Auto bei erhöhter Leistungsanforderung, also bei kräftigerem Beschleunigen, selbständig wieder in den Hybridmodus zurückwechselt. Gerade in der Stadt mit einem sehr hohen Elektroanteil fällt auch die CVT-Charakteristik in den Hintergrund, und der Corolla fährt sich äusserst ruhig.
Vorausschauendes Gaspedal
Ein eigentlich unscheinbares Update der Sicherheitssysteme hat ebenfalls Einfluss auf das Reisen mit dem Corolla: eine neue Kamera und ein Radar mit einem weiteren Erkennungswinkel und grösserer Reichweite. Deren Signale werden auch an die Motorsteuerung weitergeleitet und für eine dynamische Anpassung der Gaspedalkennlinie genutzt. Toyota nennt das Deceleration-Assist. Erkennt das System voraus ein verlangsamendes Fahrzeug, eine Kurve oder auch eine Abwärtsfahrt, wird beim Lösen des Gaspedals bereits eine Verzögerung eingeleitet, ohne dass der Fuss dazu aufs Bremspedal wechseln muss. Es ist im Grunde nichts anderes als ein sanftes, situatives One-Pedal-Fahren. Im ersten Moment überraschend, lässt es sich damit nach etwas Eingewöhnungszeit tatsächlich äusserst entspannt und flüssig cruisen.
Im Innenraum bringt die Modellpflege nur eine auffällige Veränderung: neue Bildschirme mit dem volldigitalen Instrumentencluster mit einer Bilddiagonalen von 12.3 Zoll und dem 10.5 Zoll grossen Infotainment. Hinkte Toyota der Konkurrenz im digitalen Bereich bisher hinterher, hat man mit dem neuen Multimediasystem wieder aufgeholt. Man kennt dieses bereits aus dem Corolla Cross, wo es mit seiner klaren Struktur und hohen Bedienfreundlichkeit punkten kann. In der GR- Sport-Ausstattungslinie – die nichts mit dem 224 kW (304 PS) starken GR Corolla zu tun hat, den es in Europa auch in Zukunft nicht geben wird – zieren rote Kontrastnähte das Armaturenbrett und die Sitze.
In der Schweiz ist der neue Toyota Corolla als fünftürige Kompaktlimousine und als Kombi erhältlich, die viertürige Stufenhecklimousine wird es mangels Nachfrage auch in Zukunft nicht geben. Der Basispreis für den Hatchback liegt bei 29 900 Franken, für den Touring Sport liegt er 2000 Franken höher.
Ein Garten mit mehr als 50 Millionen Blüten
Es geschah nur selten, dass sich jemand einem Befehl aus der obersten Führungsetage von Toyota widersetzte, doch als die Japaner 2007 aus dem Corolla den Auris machten, spielten einige Länder tatsächlich nicht mit. Es war auch schwer zu erklären, weshalb das damals schon meistverkaufte Auto der Welt einen neuen Namen erhalten sollte – ein Corolla war ein Corolla, er verkaufte sich allein schon deshalb wie von selbst. Denn seit Toyota 1966 die Bezeichnung, die für den lateinischen Begriff für Blütenkrone steht, eingeführt hatte, war es eigentlich nur bergauf gegangen. 1965 hatten die Japaner weniger als eine halbe Million Autos gebaut, zwei Jahre nach der Einführung des Corolla kamen sie schon auf 1.1 Millionen. Das Erfolgsrezept des Corolla war in den ersten Jahren so einfach wie zukunftsweisend: Toyota befragte seine Kunden genau nach ihren Wünschen. Und setzte dann auch um, was als Anregung ins Werk kam. Die Autos wurden immer besser – und die Kunden fühlten sich ernst genommen.
In den USA, damals nun wirklich nicht das Land, das kompakte Mittelklassefahrzeuge kaufte, war 1972, vier Jahre nach der Einführung, schon der einmillionste Corolla unterwegs. 1997 überholte der Toyota Corolla den VW Käfer als meistverkauftes Auto der Welt, 2021 überschritten die Japaner die Marke von 50 Millionen. Aber da hiess der Corolla auf der ganzen Welt auch wieder Corolla, das Auris-Zwischenspiel war fast schon vergessen.
Es ist kaum mehr möglich, den Überblick über all die Corolla-Modelle der letzten 57 Jahre zu behalten. Allein für die dritte, zwischen 1974 und 1979 gebaute Generation gab es vier verschiedene Typenbezeichnungen, die wiederum in verschiedene Karosserieformen unterteilt waren, dazu kamen noch zehn unterschiedliche Motorisierungen. Zu den berühmtesten Corolla gehörten die AE86, die in der Schweiz Mitte der 1980er-Jahre als Corolla GTi angeboten wurden und mit ihren 125 PS und vor allem dem Heck-antrieb unter Kennern als «GTi unter den GTI» galten.
In die Schweiz kamen die ersten Toyota Corolla auch schon 1967, also in jenem Jahr, als Emil Frey den Import der Marke in die Schweiz übernahm.