Gerne durchstöbern wir das Angebot der bekannten Auktionshäuser. Wenn uns etwas besonders gut gefällt, präsentieren wir es hier als «Pick of the Week». Heute ist es ein 71er Reliant Scimitar GTE, gesehen bei der Oldtimer Galerie Toffen.
- Das erste Kombi-Coupé
- Anständige Fahrleistungen
- Designer war Lamborghini-Fan
Es soll hier nicht die Diskussion geführt werden, was ein «Shooting Brake» ist. Und auch nicht, wer die ersten dieser zweitürigen (sic!) Kombis gebaut hat, solche Aufbauten gab es in Amerika und England schon vor dem 1. Weltkrieg, gemäss gängiger Definition wären dann auch Lastwagen «Shooting Brake». Für die moderneren, sportlicheren Formen sieht sich gern Aston Martin als Vorreiter, doch das waren alles teure Einzelstücke; wir würden da eher die Chevrolet Nomad der Jahre 1955 bis 1957 in vorderster Linie sehen, von denen tatsächlich höhere Stückzahlen gebaut wurden. Aber hier geht es ja um den ab 1967 angebotenen Reliant Scimitar GTE, den man tatsächlich als erstes in Serie produziertes Kombi-Coupé betrachten darf.
Reliant war 1935 im englischen Tamworth gegründet worden und machte sich über die Jahrzehnte einen guten Namen als Hersteller von dreirädrigen Fahrzeugen. Erst in den 60er Jahren versuchten sich die Engländer an stabileren Konstruktionen, darunter war auch der ab 1965 angebotene Scimitar GT (SE4) – ein noch ziemlich klassisches Coupé mit Stufenheck, das von Tom Karen entworfen und von unterschiedlichen Ford-Motoren angetrieben wurde. Ein brutaler Erfolg war dieses Fahrzeug aber nicht, unter anderem deshalb, weil die Platzverhältnisse doch eher beschränkt waren.
Im Auftrag von Triplex Safety Glasses entwickelte Reliant auf Basis eines SE4 einen Kombi mit grossen seitlichen Glasflächen, die bis ins Dach hineingezogen wurden; die englische Presse bezeichnete diesen Prototypen als «Gewächshaus». Er war gemäss Designer Tom Karen auch der Impuls für den GTE, den habe er erhalten, als er zum ersten Mal einen Lamborghini Espada sah, dessen Raumkonzept ihn beeindruckte.
Noch am gleichen Tag habe er eine Version des Scimitar GT mit Kombiheck und zwei Türen gezeichnet. Nur passte dieser Entwurf nicht auf das Chassis des schon vorhandenen Modells, Reliant entwickelte für das neue Modell einen eigenständigen Rahmen mit 20 Zentimeter mehr Radstand sowie einer deutlich breiteren Spur.
Der intern als SE5 bezeichnete Reliant Scimitar GTE kam 1968 auf den Markt; als Motorisierung zur Wahl standen zwei Sechszylinder von Ford, einmal mit 2,5, einmal mit 3 Liter Hubraum und etwa 125 PS. Der 2,5-Liter war wenig gefragt, dafür erhielt das manuelle 4-Gang-Getriebe bald einen Overdrive, zur Wahl stand ab 1970 auch eine Borg-Warner-Automatik, ab 1972 kam der 135 PS starke 3-Liter aus dem Ford Granada zum Einsatz, im SE5a gab es ab Ende 1972 dann ein neues Innenleben.
Eine dritte Generation des Scimitar, SE6, kam dann ab 1975 auf den Markt, sie war grösser, aber irgendwie nicht eleganter. Reliant baute das Kombi-Coupé bis 1986, es entstanden über 14’000 Exemplare; in England gibt es aber einen Hersteller, der diese Scimitar bis heute auf Bestellung fertigt. Die englische Prinzessin Anne ist wohl eine der grössten Liebhaberinnen dieses Fahrzeugs, je nach Quelle hat sie schon acht oder auch zehn Stück besessen. Der Ruf der Fahrzeuge, die nach einem orientalischen Krummsäbel benannt sind, war nicht immer der beste, sie galten als eher unzuverlässig, doch man kann davon ausgehen, dass die heute noch existierenden Exemplare die schlimmsten Kinderkrankheiten hinter sich haben.
In der Auktion der Oldtimer Galerie Toffen am 25. März 2023 findet sich nun ein Reliant Scimitar GTE in der Version SE5 mit Jahrgang 1971 und dem 3-Liter-Ford-Essex-Motor, selbstverständlich mit manuellem 4-Gang-Getriebe. Es ist dies ein in England ausgeliefertes Fahrzeug, also Rechtslenker, mit wahrscheinlich 102’000 Meilen auf dem Tacho. Das hübsche Kombi-Coupé wurde im vergangenen Jahr in die Schweiz importiert und befindet sich in gutem Zustand mit schöner Patina – ein Schätzpreis folgt dann noch.
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier – und dann ist da auch noch der Newsletter. Die «Pick of the Week» der vergangenen Wochen waren ein Fiat 1100 Familiare und ein Talbot Sunbeam Lotus.
Wirklich ein tolles Auto. Können Sie mir sagen wie der Neupreis seinerzeit war? Insbesondere interessiert mich der von 1976.
Die Reliant wurden 1976 in der Schweiz nicht mehr offiziell angeboten. Für 1975 nennt der AR-Katalog keinen Preis, 1974 waren es noch 22’800 Franken gewesen.