Gerne durchstöbern wir das Angebot der bekannten Auktionshäuser. Wenn uns etwas besonders gut gefällt, präsentieren wir es hier als «Pick of the Week». Heute ist es ein 82er Talbot Sunbeam Lotus, gefunden bei Silverstone Auctions.
- Talbot? Sunbeam? Lotus?
- Rallye-Weltmeister 1981
- Erstaunlich wenig erhaltene Exemplare
Nein, wir werden hier die Geschichte von Talbot nicht erzählen, sie ist zu lang. Gleiches gilt für Sunbeam. Und für Lotus sowieso, da ist die Geschichte zwar nicht ganz so lang, aber umso spannender. Doch spannend ist eben auch, wie gleich drei dieser grossen Namen zusammen zu einem Auto kamen. Die gar nicht so kurze Kurzversion: Ab 1958 kaufte der amerikanische Chrysler-Konzern Aktien des französischen Herstellers Simca auf, 1967 übernahm Chrysler auch noch die englische Rootes-Gruppe (Hillman, Humber, Sunbeam, etc.); daraus entstand Chrysler Europe.
Und dann kam Lotus
Mitte der 70er Jahre entwickelte dieses eigenartige Konglomerat – es gab Fahrzeuge, auf denen stand vorne Chrysler, hinten aber Simca – mit feiner finanzieller Unterstützung der britischen Regierung den Chrysler Sunbeam, der im schottischen Linwood produziert werden sollte. Das Fahrzeug, Code R 424, basierte auf dem Hillman Avenger, wurde von Roy Axe gezeichnet und innerhalb von nur 18 Monaten produktionsfertig gemacht. Bloss, da war Chrysler das Geld schon ausgegangen, Peugeot übernahm 1978, besann sich des seit 1959 nicht mehr benutzten Namens Talbot – und schon haben wir 2/3 des Namens zusammen.
Die Basisversion des Chrysler/Talbot Sunbeam musste mit einem 0,9-Liter-Vierzylinder mit gerade einmal 42 PS auskommen. Doch noch unter Chrysler Europe entstand die Idee, den eigentlich grossen Namen Sunbeam auch wieder dorthin zu bringen, wo er hingehörte: auf die Rennstrecken. Man näherte sich Lotus, wo Colin Chapman gerade den Auftrag für den Jensen-Healey verloren, aber schon eine neue Version des 907-Vierzylinders mit 2,2 Liter Hubraum und einen 4-Ventiler in petto hatte, als 911 bezeichnet.
Das bedeutete dann 150 PS bei 5750/min und ein maximales Drehmoment von 203 Nm bei 4500/min; geschaltet wurde über ein ZF-5-Gang-Getriebe. Klar, nur Heckantrieb, denn klar, hinten war da eine (billige) Starrachse.
Gaspedaleinsatz
Der Talbot Sunbeam Lotus wurde 1979 auf dem Genfer Salon vorgestellt – und gerade von der Presse hymnisch gefeiert. Die sonst eher zurückhaltende AUTOMOBIL REVUE schrieb: «Auf ebener Fahrbahn legt der Sunbeam Lotus anfänglich ein untersteuerndes Kurvenverhalten an den Tag, doch bei zunehmendem Tempo vollzieht sich allmählich der Wechsel zum Übersteuern, das aber mit leichtem Zurückdrehen des Lenkrades leicht unter Kontrolle zu halten ist. Virtuosen des Volants können in engen Biegungen durch Leistungseinsatz mühelos ein vehementes Wegwischen des Hecks provozieren und diesen Fahrzustand durch dosierten Gaspedaleinsatz und durch Gegenlenken mit der erfreulich präzisen und recht direkten Lenkung (3 2/3 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag) bis zum Kurvenausgang beibehalten. Diese ausgesprochen sportliche Fahrweise wird durch das gut abgestufte ZF-Fünfganggetriebe erleichtert, das sich – hat man sich einmal an das ungewohnte Schaltschema mit dem ersten Gang links hinten gewöhnt – blitzschnell und exakt schalten lässt».
Ende 1980 gewannen Toivonen/White auf einem Talbot Sunbeam Lotus die RAC-Rallye, dazu kamen die Plätze 3 und 4. Doch so richtig gut lief es den Talbot Sunbeam Lotus dann in der Saison 1981, als die «Franzosen» den Konstrukteurs-Titel holen konnten.
Extremer Schwund
Man muss es klar sehen: es war die letzte Saison vor der Gruppe B, Audi trat schon mit mit dem Quattro an (Mikkola, Mouton), Renault hatte den R5 Turbo am Start (Ragnotti), Toyota den Celica (Waldegard), Ford den ewigen Escort (Vatanen, Airikkala, Wilson), Fiat noch den 131 Abarth (Alen, Bettaga), Lancia noch ein allerletztes Mal den Stratos (Darniche). Aber Talbot konterte mit Fréquelin, Toivonen, Blomqvist, gewann zwar nur in Argentinien (Fréquelin), doch wurde trotzdem locker Weltmeister, auch, weil sich die Konkurrenten gegenseitig zerfleischten.
2308 Talbot Sunbeam Lotus wurden gebaut, 1184 davon rechtsgelenkt und in England verkauft. Davon (also von den Rechtslenkern) sollen nur noch 80 existieren – ein unglaublicher Schwund. Auch deshalb ist der 82er Talbot Sunbeam Lotus mit der Chassis-Nummer T4DCYBL425455 (sowie originalem Motor), den wir bei Silverstone Auctions gesehen haben, ein aussergewöhnlicher Fund. Der dann auch noch zu einem sehr, sehr fairen Schätzpreis angeboten wird, 22’000 bis 26’000 Pfund werden erwartet. Das hat den «Pick of the Week» definitiv mehr als verdient.
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Der «Pick of the Week von vergangener Woche war ein Fiat 1100 Familiare.