Als der Toyota Prius 1997 als Pionier des Hybridantriebs auf den Markt kam, stellte er die Welt der Automobilindustrie auf den Kopf. Damals wurde die technische und ästhetische Kühnheit des Fahrzeugs von der Konkurrenz beneidet, von Kritikern gelobt und von den Kunden geschätzt. Dies gilt insbesondere für die zweite und dritte Generation. Die vierte Generation, die 2016 auf den Markt kam, hatte unter einer schwierigeren kommerziellen Karriere zu leiden. Die Gründe dafür? Nicht nur waren Stufenheckmodelle nicht mehr so beliebt, sondern die Hybridtechnologie des Prius war mittlerweile in der gesamten Produktpalette von Toyota zu finden. Daher soll intern die Frage aufgeworfen worden sein, ob der Prius überhaupt weiterhin eine Daseinsberechtigung habe. Toyota kam aber zum Schluss, dass das Modell zu ikonisch war, um es aufzugeben. «Als wir darüber nachdachten, welche Rolle der Prius der fünften Generation in unserer Produktpalette spielen sollte, lautete die Anweisung von Akio Toyoda, wir sollten ihn zu einem Taxi machen», erklärt Satoki Oya, der Chefingenieur des Prius, der AUTOMOBIL REVUE. «Aber wir Ingenieure waren nicht der Meinung, dass das Modell in diese Richtung gehen sollte. Wir wollten vielmehr, dass der Prius zu einem emotionalen Coupé wird, das Fahrspass vermittelt. Mit anderen Worten: Wir haben Herrn Toyoda überhaupt nicht zugestimmt. So legten wir ihm eine Skizze und unsere Pläne vor, und er gab uns schliesslich freie Hand.»
Da Emotionen vor allem durch die Ästhetik geweckt werden, habe man sich auf Stil und Design konzentriert, so Chefingenieur Satoki Oya. Die neue, fliessende und harmonische Silhouette wird kombiniert mit einer aggressiveren Frontpartie, die durch eine lange, abfallende und spitz zulaufende Motorhaube gekennzeichnet ist. Die Front ist aber gar nicht so aerodynamisch, wie sie aussieht. Trotz der gedrungenen Front ist der Luftwiderstandsbeiwert schlechter als beim Vorgängermodell, das deutlich näher an der Idealform des Wassertropfens war. Da die Frontfläche des neuen Modells jedoch kleiner ist, sei der resultierende Gesamtwiderstand bei beiden Generationen mehr oder weniger identisch, erklärt Satoki Oya. Hinten hat das Heck sein kleines Fenster unter dem Spoiler zugunsten eines Lichtbandes aufgegeben. Der Radstand wurde um 50 Millimeter verlängert, während die Gesamtlänge um 46 Millimeter reduziert wurde. Ohne das Risiko einzugehen, bei einem so subjektiven Aspekt wie dem Design Partei zu ergreifen, muss man anerkennen, dass die Designer eine enorme Arbeit geleistet haben. Das wird besonders deutlich, wenn man das neue Modell neben seinen Vorfahren sieht.
Auch unter der Haube verbessert
Nicht nur die ästhetischen Verbesserungen sind bemerkenswert, sondern auch die technischen: Die neue Generation wird nicht nur auf der TNGA-C-Plattform der zweiten Generation aufgebaut, die Toyota als leichter und steifer beschreibt, sondern verfügt auch über einen neuen Antriebsstrang. Die kombinierte Leistung liegt jetzt bei 164 kW (223 PS) – ein enormer Fortschritt im Vergleich zu den 90 kW (122 PS) des vorherigen Prius Plug-in-Hybrid.
Interessanterweise wird das Auto nur noch als Plug-in-Hybrid (PHEV) angeboten, «weil dies besser zum umweltbewussten Image passt, das der Prius bei Europäern hat», heisst es bei Toyota. Oder liegt es an den CO2-Anforderungen, die die Hersteller in Europa mittlerweile erfüllen müssen? Wie auch immer, die PHEV-Technologie, die vollständig elektrisches Fahren im Alltag und Flexibilität auf langen Strecken kombiniert, hat sich längst als wertvoll erwiesen. Die neue Lithium-Ionen-Batterie mit höherer Energiedichte und einer Kapazität von 13.6 kWh ermöglicht eine theoretische Reichweite von 69 Kilometern. Die Batterie kann entweder wie gewohnt über das Stromnetz aufgeladen werden oder optional über Solarpanels auf dem Dach des Autos. Da braucht es aber etwas mehr Geduld, denn diese ermöglichen eine Reichweite von bloss acht Kilometern pro Tag – vorausgesetzt, das Auto steht den ganzen Tag an der Sonne. Die Batterien sind so kompakt, dass sie unter der Rücksitzbank und nicht wie bisher im Kofferraum untergebracht werden können. Der Vorteil dieser Konfiguration ist, dass sie nicht nur Platz spart, sondern auch den Schwerpunkt des Fahrzeugs senkt und somit für mehr Fahrspass sorgt.
Die Theorie stimmt auch in der Praxis. Wie sich bei einer exklusiven Prototypentestfahrt herausstellte, hat der neue Prius im Vergleich zu seinem Vorgänger enorme Fortschritte gemacht. Die Lenkung ist präzise und direkt, wenn auch etwas zu leichtgängig im Bereich der Mittellage. Die Bremsen sind gut dosierbar und kräftig, der Übergang vom regenerativen Bremsen zu den mechanischen Bremsen ist kaum spürbar. Ansonsten leidet das Auto weder an Wank- noch an Nickbewegungen. Dies ist auf die straffe Fahrwerksabstimmung zurückzuführen, die den allgemeinen Fahrkomfort beeinträchtigt – die Limousine ist damit eindeutig nicht mehr für Taxifahrer geeignet. Negativ fällt die schlechte Traktion an der Vorderachse auf, wenn das Auto zu aggressiv gefahren wird. So bekundet der Prius Schwierigkeiten, die 223 PS auf den Boden zu bringen. Andererseits: Wer hätte gedacht, dass es einmal möglich sein würde, mit einem Prius die Reifen qualmen zu lassen?
Vom BZ4X inspiriert
Das Armaturenbrett ist vom BZ4X inspiriert, und die digitalen Instrumente sind auf einem Sieben-Zoll-Bildschirm über dem Lenkradkranz angebracht. Was im BZ4X Sinn macht, da dessen Cockpit auf den Einsatz der Drive-by-Wire-Technologie und das Yoke-Lenkrad ausgelegt ist, wirkt im Prius deplatziert, denn für diesen wird ausschliesslich die konventionelle Lenkung angeboten. Das 12.3-Zoll-Multimediasystem ist intuitiv und flüssig zu bedienen. Die Verarbeitung ist mit geschäumten Materialien auf dem Armaturenbrett und der Oberseite der Türverkleidungen im Allgemeinen gut. Leider gibt es noch einige Stellen mit wenig schmeichelhaftem Hartplastik. Da das Dach tiefer liegt als früher, um die Frontfläche und damit den Luftwiderstand zu minimieren, ist die Kopffreiheit der hinteren Sitzplätze reduziert. So stossen grosse Menschen mit dem Kopf ans Dach. Ein weiterer Beweis dafür, dass der Prius nicht mehr für Taxifahrer geeignet ist.
Toyota hat den Treibstoffverbrauch seines Hybrids noch nicht bekannt gegeben, aber es ist wahrscheinlich, dass er im WLTP-Zyklus unter einem Liter pro 100 Kilometer liegt. Dieser Wert ist natürlich nur möglich, weil die Batterien die ersten 69 Kilometer abdecken. Sind die Batterien leer, soll das Auto rund 4.6 l/100 km benötigen, so Toyota. Der Preis für das Auto, das im Frühling 2023 auf den Markt kommen soll, ist noch nicht bekannt.
Stärker und effizienter
Bisher hatte der Prius das Privileg, die neuen Hybridantriebsstränge von Toyota in seinen verschiedenen Generationen einzuführen, doch das ist nun nicht mehr der Fall. Es ist auch ein Zeichen für die schwindende Bedeutung des Modells innerhalb des Konzerns, dass der Antriebsstrang dieser neuen Generation bereits im Corolla Cross eingeführt wurde. «Der Antriebsstrang ist im Wesentlichen derselbe wie im Prius der vierten Generation», erklärte Satoki Oya, der Chefingenieur des Prius, der AUTOMOBIL REVUE. «Wie bisher kann die Leistung des Verbrennungsmotors zwei verschiedene Wege gehen. Im ersten Fall wird sie über ein Planetengetriebe direkt an die Räder geleitet. Im zweiten Fall wird sie, ebenfalls über das Planetengetriebe, zur Motor-Generator-Einheit MG1 geleitet und in der Batterie gespeichert. Von da kann sie über die MG2 an die Räder abgegeben werden.» Trotz des Namens, den die Ingenieure ihr gegeben haben, wird die MG1 nie als Motor verwendet. Sie hat nur die Rolle eines Generators im Antriebsstrang. Beim reinen Elektroantrieb wird die Energie direkt von der Batterie geliefert. Der Plug-in-Hybridantrieb des Prius der vorherigen Generation leistete 90 kW (122 PS). Das neue Modell hat nun 165 kW (223 PS). Diese Leistung ist nicht nur auf die beiden neu dimensionierten Elektromaschinen und den grösseren Atkinson-Vierzylinder zurückzuführen, sondern auch auf die neue Batterie, die mehr Leistung abgeben kann. Aber nicht nur die Leistung wurde optimiert, sondern auch die Effizienz. «Wir haben versucht, die Reibungsverluste im Antrieb zu minimieren. Um dies zu erreichen, haben wir die Ölmenge im Achsgetriebe auf ein Minimum reduziert und zur besseren Schmierung eine Ölpumpe installiert. Ausserdem setzen wir ein neues Öl mit einer besseren Viskosität ein», erklärt Satoki Oya. Trotz des grösseren Hubraums nimmt der neue Zweiliter-Vierzylinder nicht mehr Platz unter der Motorhaube ein. Dasselbe gilt für die beiden Elektromaschinen, die trotz ihrer Leistungssteigerung ebenfalls verkleinert wurden.