Der Endspurt hat nicht viel gebracht. Trotz des vierten Wachstumsmonats in Folge (+0.9 % im Dezember 2022) beschliesst der Schweizer Neuwagenmarkt das vergangene Jahr mit nur 225 934 Neuzulassungen. Das sind 5.3 Prozent weniger als 2021, was noch schlechter ist als 2020 (–4.6 %), als die Pandemie ihren Höhepunkt erreichte. Man muss auf der Suche nach einem noch schlechteren Geschäftsgang als 2022 ins Jahr 1976 zurückgehen: Damals wurden nur 203 834 neue Autos zugelassen, die Schweiz litt seit 1975 unter den Folgen des ersten Ölpreisschocks von 1973.
Fast 50 Jahre später sind es das Coronavirus und der Ukraine-Krieg, die die Automobilbranche auf die Probe stellen. Die Lieferketten für mehrere Komponenten wie Mikrochips und Kabelbäume sind seit fast drei Jahren unterbrochen, wodurch die Produktionslinien für Autos ins Stocken geraten sind. Die Lieferzeiten für Neuwagen betragen manchmal mehr als zwölf Monate. Aber der Markt erholt sich nach und nach. «Die Situation hat sich in der zweiten Jahreshälfte etwas verbessert, aber wir sind noch weit von der Normalität entfernt», sagt Christoph Wolnik, Sprecher von Auto-Schweiz, dem Dachverband der Schweizer Automobilimporteure.
Siegeszug der elektrifizierten Autos
Inmitten dieser Krise haben elektrifizierte Autos (Hybride, Plug-in-Hybride und Elektroautos) ihren Siegeszug fortgesetzt. Mehr als jedes zweite in der Schweiz verkaufte Auto war im letzten Jahr elektrifiziert, im Vorjahr waren es mit 45 Prozent noch knapp weniger. Aber es fällt auf, dass die Hälfte aller elektrifizierten Autos Hybride sind. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber diese Kategorie schliesst die sogenannten Mildhybride (MHEV) ein, und diese sind nicht in der Lage, allein mit Strom zu fahren – die elektrische Maschine entlastet nur den Verbrennungsmotor. Diese Mildhybrid-Fahrzeuge sind in der Produktpalette der Hersteller weit verbreitet und werden sogar in Einstiegsmodellen angeboten, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass sich viele Käufer nicht bewusst sind, dass sie ein solches Fahrzeug gekauft haben.
Der Erfolg von Elektroautos in der Schweiz ist kein Zufall. Auch 2022 schlossen sie das Jahr mit einem Marktanteil von 17.8 Prozent ab, im Vergleich zum Vorjahr sind das 6.6 Prozent mehr. Die Drohungen des Bundesrates, bei Stromknappheit die Nutzung von Elektroautos in der Freizeit zu verbieten, haben die Schweizer offensichtlich nicht abgeschreckt. Zumindest noch nicht. «Mögliche Einflüsse werden wir höchstens verzögert sehen, wenn Kundinnen und Kunden heute und morgen nochmal einen Benziner oder Diesel statt ein Elektroauto bestellen», sagt Wolnik.
Während das Verbot von Elektroautos bei Stromknappheit vielleicht nie in Kraft treten wird, droht eine andere Gefahr: der Mangel an Ladestationen. Die Zahl der Autos mit Stecker, also einschliesslich der Plug-in-Hybride, wächst schneller als das Netz von Aufladestationen in der Schweiz. Die Schere zwischen Fahrzeugen mit Stecker und öffentlichen Ladestationen öffnet sich zunehmend. «Das Verhältnis von Steckerfahrzeugen zu öffentlichen Ladestationen geht zunehmend in die Höhe, wir stehen jetzt bei 20:1.», sagt Wolnik. «Der Bund muss dringend mehr tun. Vor allem braucht es aber Lösungen für Mieter und Stockwerkeigentümer, die oft auf Goodwill von Vermietern oder Nachbarn angewiesen sind.» Wenn es eine Marke gibt, die immer darauf geachtet hat, genügend Ladestationen anzubieten, dann ist es Tesla. Der Hersteller verfügt über ein eigenes Netz. So konnten sich die Schweizer hemmungslos auf das Model Y stürzen, das im letzten Jahr das meistverkaufte Auto in unserem Land war.
Mehr Porsche 911 als Opel Corsa
Auch BMW und Audi waren 2022 erfolgreich und verbesserten sich jeweils um einen Platz auf den zweiten beziehungsweise vierten Platz der Markenrangliste der Schweiz. Porsche hielt sich glänzend und landete mit 4334 Verkäufen auf dem 17. Platz. In der Schweiz wurden sogar mehr 911er als Opel Corsa verkauft! Damit landete das Zuffenhausener Unternehmen noch vor Marken wie Fiat und Suzuki, die beide 2022 Abstriche machen mussten. «Wir hatten 2022 mit erheblichen Produktionseinschränkungen beim 500X und 500 Hybrid zu kämpfen, und der Panda 4×4 wurde aus dem Programm genommen, ein Modell, das auf dem lokalen Markt immer sehr erfolgreich war», erklärt Serenella Artioli De Feo, Sprecherin von Fiat-Importeur Astara. Auch Suzuki war von Lieferproblemen betroffen, wie Pressesprecherin Stefanie Ammann erklärt: «Unsere Bestseller Swift und Ignis aus japanischer Produktion konnten jedoch unseren Fachhändlern wie auch Endkunden nicht im gewohnten Umfang geliefert werden. Neben den weiterhin knappen Halbleitern waren diese Modelle im 2022 zusätzlich von limitierten Verfügbarkeiten von Transportschiffen betroffen.»
Diese Logistikprobleme, die auch andere Hersteller betrafen, werden den Schweizer Importeuren weiterhin das Geschäft verderben. Auto- Schweiz erwartet, dass der Markt 2023 nur 240 000 Autos absetzt. Die Schweiz ist noch weit entfernt von den 300 000 Einheiten der guten Jahre.
Zahlenspielerein zum vergangenen Jahr
1745 Kilogramm Dies ist das Durchschnittsgewicht der in der Schweiz zugelassenen Neuwagen im Jahr 2022. Das ist ein leichter Anstieg gegenüber den durchschnittlich 1723 Kilogramm im Jahr davor. Das Mehrgewicht ist den schweren SUV und Elektroautos geschuldet, deren Anteil bei den Neuzulassungen auf Schweizer Strassen stetig zunimmt.
208 PS Die durchschnittliche Leistung von Neuwagen stieg zwischen 2021 und 2022 um sechs PS auf 208 PS (153 kW). Dieser Anstieg ist auf den Siegeszug der elektrifizierten Autos zurückzuführen, die stärker sind als ihre Kollegen mit Verbrennungsmotor. Man denke nur daran, dass der Tesla Model Y Long Range, das meistverkaufte Auto der Schweiz, mehr als
500 PS hat.
8 Prozent Das ist der Anteil der 2022 abgesetzten Neuwagen in der Schweiz, die noch über ein Handschaltgetriebe verfügen. Der gute alte Schalthebel scheint endgültig dem Untergang geweiht zu sein und dürfte nur noch Autofans interessieren, die ihn lautstark für Sportmodelle fordern. Toyota hat diesen Wunsch erhört und bietet den Supra auch mit Schaltgetriebe an (s. Seite 14).
51.5 Prozent SUV sind in der Schweiz weiter auf dem Vormarsch, wie die Segmentzahlen der Neuwagen von 2022 zeigen. Limousinen und Kombis können mit 40.7 Prozent Marktanteil vergleichsweise gut mithalten. Für Vans (2.7 %), Bullis (1.8 %), Coupés und Cabrios (1.7 %) sowie Minivans (1.5 %) bleiben nur Krümel.
Die Top- und Flop-Modelle des vergangenen Jahres
Tesla Model Y Zum zweiten Mal in Folge platziert Tesla eines seiner Models auf dem ersten Platz der Verkaufsrangliste der Autos in der Schweiz: den Y als Nachfolger des 3. Die Firma aus Palo Alto (USA) hat allein 21.7 Prozent des Marktes für Elektroautos in der Schweiz für sich beansprucht.
Dacia Sandero Obwohl der Sandero seinen Einsteigerbonus als günstiges Auto los ist (der Preis stieg auf 14 390 Franken), ist er in der Schweiz weiterhin ein Riesenerfolg. Der rumänische Kleinwagen landete im Jahr 2022 auf Platz zehn der Schweizer Verkaufscharts, die Marke auf Platz zwölf.
Mazda MX-30 Bis 2022 wurden nur 16 Exemplare des MX-30 verkauft. Das japanische Elektro-SUV zahlt den Preis für seine sehr geringe Reichweite, die je nach Bedingungen weniger als 200 Kilometer beträgt. Eine Version mit Verbrennungsmotor als Range-Extender soll dieses Jahr die Situation verbessern.
Nissan Juke Die erste Juke-Generation fand trotz ihres auffälligen Designs noch ihr Publikum. Der Nachfolger hat bis jetzt aber noch nicht überzeugen können, er wurde 2022 nur 178-mal verkauft. Das macht auch der Marke Nissan zu schaffen, die Verkaufszahlen gingen 2022 um 30 Prozent zurück.