Genau 236.828 Autos wurden in der Schweiz und Liechtenstein 2020 neu zugelassen. 2019 waren es 311.466. Macht minus 24 %. Seit der Ölkrise Mitte der 70er-Jahre waren es nie mehr weniger. Gemessen daran, dass der kumulierte Marktrückgang Anfang Mai noch bei 35,6 % lag und man damals nicht wusste, wie heftig und wie lange Corona die Welt und ihre Märkte in den Schwitzkasten nimmt, ist man derart mit einem blauen Auge davongekommen. Vorausgesetzt, es bleibt dabei! Der Anteil an Hybrid-, Elektro-, Gas- und Wasserstoffmodellen – wobei die zwei Letzteren statistisch vernachlässigbar sind – hat sich von 13.1 % im Jahr 2019 auf 28.2 % erhöht. Reine Steckerfahrzeuge – vollelektrisch oder Plug-in-Hybrid also – machen dabei rund 14.3 % oder 33.933 aus. Allein die Zahl der Plug-in-Hybride ist von 4.261 auf 14.429 oder um fette 238 % gestiegen. Total rollten 2020 just 66.687 Fahrzeuge mit Alternativ-Antrieb neu auf die Strasse. Der Anteil rein elektrischer Modelle beträgt rund 8.2 % (2019: 4.2 %). Damit gehört die Schweiz zu den mitunter Besten in Europa.
Man gönnt sich ja sonst nichts
Freilich mussten 2020 alle Marken Federn lassen. Das Spektrum der der Zulassungs-Einbussen reicht von minim bei Mini (-0.2 %), Tesla (-0.3 %), Porsche (-1.3 %) über wenig bei Volvo (-4.8 %), DS (-3.8 %) und Renault (-5.5) bis sehr viel bei Ssangyong (98 % /), Alpine (62 %) und viel bei Opel (55 %), Honda und Subaru (rund 48 %) und Citroën (44%). Was die Marktanteile angeht haben die meisten Marken in der Krise minim verloren oder blieben unverändert. Im Sportreporterjargon würde man den Zieleinlauf in dieser Disziplin so kommentieren: Mercedes setzt sich hauchdünn vor BMW durch. Hinter dem deutschen Duo vervollständigt Renault das Podest. Mercedes und BMW konnten je 1 Prozent Marktanteil zulegen, wobei Mercedes hinter dem Komma noch ein Mü besser abschneidet. Bei Renault sind es 0,9 %. «Ein riesiges Lob an unsere Händler», sagt Mercedes Schweiz CEO Marc Langenbrink. «Die Herausforderung mit Corona war riesig, aber unser Handel hat auf die aussergewöhnliche Situation hervorragend reagiert.» Man habe sich um digitale Themen gekümmert und vom Importeur diesebzüglich auch eingefordert (Videos, Tools z.B.). Und man habe sich sehr um den Kundenkontakt bemüht. «Auch wenn es oft nur darum ging, wieder ging einmal Hallo zu sagen». Allein dank Letzterem konnte man – wie bei vielen anderen auch – das Aftersales-Geschäft auf einem sehr guten Niveau halten. Langenbrink verweist auf einen interessantes Detail. «Im Durchschnitt lag der Verkaufspreis unserer Autos rund 10.000 Franken über dem von vor Corona.» Der Umstand, dass sich viele die es sich leisten konnten sich etwas mehr Auto gönnten als sie das vielleicht unter normalen Lebensumständen getan hätten, ist auch anderweitig eststellbar. Nicht umsonst schneidet zum Beispiel auch Porsche oder BMW derart gut ab. «Wir sind sehr stolz auf das Ergebnis, das wir dem hervorragenden Einsatz unserer Handelspartner, Lieferanten und Mitarbeitenden zu verdanken haben», sagt BMW Schweiz CEO Paul de Courtois. Und: «Wir konnten im 2020 unseren Absatz an elektrifizierten Fahrzeugen gegenüber 2019 weit mehr als verdoppeln. Auch das ist ein riesiger Erfolg.» Ebenso gut gelaunt wie De Courtois ist Claude Gregorini, Country Operations Director bei Renault Suisse: «Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Wir haben vor allem mit den neuen Elektro- und Hybrid-Modellen gepunktet.» Renault konnte fast 3.000 Zoe und 318 Kangoo Z.E. ausliefern. Gregorini: «Ein neuer Jahresrekord für unsere Bestseller unter den Elektroautos und Elektrovans.» Ein Rekord, der auch das Portemonnaie freut. «Wir konnten die Co²-Ziele für Personenwagen und Nutzfahrzeuge nicht nur erreichen, sondern klar unterschreiten.» Weniger gut lief es bei Opel. Die Rüsselsheimer sind die einzige Marke, die 2020 mit minus 1.3 % Marktanteilen eine markante Einbusse hinnehmen musste. Allerdings stehen man hier just im Hinblick auf die Elektrifizierungswelle mit optisch, technisch und finanziell äusserst attraktiven Modelle in den Startlöchern. Erinnert sei an den Corsa-E, den Mokka-E oder den Grandland X Hybrid.
Für 2021 erwartet Renault-Boss Gregorini «einen leichten Corona bedingten Nachholeffekt.» Die Franzosen bauen 2021 ihr Stromer-Angebot weiter aus. Der Captur und der Arkana City SUV kommen als Vollhybrid. Zudem wird in der In der zweiten Jahreshälfte der preislich attraktive Dacia Spring Electric und das Serienmodell des Konzeptautos Mégane E-Vision als rein elektrisches Crossover- erwartet. BMW-Boss De Courtois sagt mit Blick auf 2021: «Corona wird weiter für volatile Marktbedingungen sorgen.» Allein, man sei parat die Challenge zu meistern. «Zuletzt haben wir im abgelaufenen Jahr gezeigt, dass wir auch in herausfordernden Zeiten leistungsfähig bleiben.» Im Zuge der Elektrifizierung rüstet die BMW Group ihre Werke so um, dass Fahrzeuge mit Diesel-, Benzin- und Hybridantrieb sowie vollelektrische Modelle auf derselben Linie gefertigt werden können. «Das ermöglicht es uns, zukünftig noch flexibler auf die Kundennachfrage zu reagieren», so De Courtois. Zu Lieferengpässen sollte insofern nicht kommen. «Bereits bei der Bestellung des Fahrzeugs können wir unseren Kunden den voraussichtlichen Liefertermin kommunizieren und diesen auch einhalten», verspricht der BMW-Chef. Wie viele Autos indessen 2021 über den Ladentisch gehen, wird sich weisen. ……
10 bis 15 Prozent plus für 2021
Im Grossen und Ganzen, sagt Marco Vincenzi vom Schweizer Wirtschaftsinstitut BAK economics Basel, haben viele Leute grössere Investitionen vorerst aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit aufgeschoben.» Und letztere ist noch längst nicht ausgestanden umso mehr als dass die Auswirkungen vis-à-vis dem Virus verzögert eintreten. «Den Peak punkto Arbeitslosigkeit mit geschätzt 4 % werden wir im ersten Quartal 2021 erreichen», sagt Vincenzi. Gemäss einer Umfrage des Auto und Gewerbe Verbandes (AGVS) unter rund 160 Stakeholdern der Branche sind aber dennoch mehr als 60 % der Meinung, dass 2021 für ihr Unternehmen «eher besser» als 2020 verläuft. Dass es «viel besser» wird glauben 5,6 %.
Die Gründe für die Zuversicht liegen natürlich im Impfstoff. Aber aber auch an der Gewöhnung an die Situation und einem wirtschaftlichen Nacholbedarf. Vieles, was 2021 punkto Marktentwicklung sprich -erholung zu erwarten ist, hängt indessen davon ab, wie schnell wir das Virus in den Griff kriegen. «Ich denke, dass wir die Maske sicher nicht vor Sommer ausziehen können», sagt Mercedes Schweiz CEO Marc Langenbrink. Das Vorkrisenniveau der gesamtwirtschaftlichen Leistung der Schweiz wird gemäss dem BAK erst Ende 2024/25 wieder erreicht werden. Sofern man Corona mit dem Impfstoff bis im Sommer in den Griff kriegt rechnen auch die Basler Ökonomen damit, dass der Neuwagenmarkt allmählich Fahrt aufnimmt. Jedoch erst ab dem zweiten Halbjahr 2021. Für das Jahr 2021 rechnet BAK mit 266.000 Neuwagen, was einem Plus von rund 12.5 % entspricht. Damit läge der Neuwagenmarkt auch im nächsten Jahr deutlich unter dem Schnitt der vergangenen Jahre. Mittelfristig. Bis man die 300.000er-Marke neu zugelassener Fahrzeuge in einem Jahr auf Schweizer Strassen erreicht dürften noch ein paar Jahre vergehen.
Nicht alles war negativ
Das zurückliegende Jahr hatte indes trotz einbrechender Umsätze auch sein Gutes. Marc Langenbink: „Wir haben unheimlich viel über digitale Technologien gelernt, die unsere Strukturen nachhaltig prägen werden.“ Zudem sei das Auto als pandemiesicheres Individual-Verkehrsmittel wiederentdeckt worden. Gemäss einer Umfrage von Autoscout24 ist das Auto als Verkehrsmittel für 70% der Befragten wichtiger als vor der Coronazeit; Gemäss einer Umfrage des international tätigen Marktforschungsunternehmen Ipsos tendieren 66 % der befragten Konsumentinnen und Konsumenten dazu, die öffentlichen Verkehrsmittel fortan eher zu meiden und falls möglich vermehrt das Auto zu nehmen. In dem Zusammenhang stieg dazu passend die Frequenz der Suchanfragen der Google Trend Daten bezüglich Autokauf massiv. Es gibt also durchaus Licht am Horizont des Automarkt-Himmels – sogar dank Corona!
Relevante Tageszulassungen
Auch bei einem Markt ohne Corona wäre es nahezu unmöglich gewesen auf die 311.466 Neuzulassungszahlen des Vorjahres zu kommen. Aufgrund der massiv strengeren CO2-Grenzwerte, die ab 2020 gelten (95 g Co2/km statt 130 g/km z.B. bei PKW), wurden 2019 überdurchschnittlich viele Personenwagen von hiesigen Händlern per Tageszulassung eingelöst. Darunter vor allem viele grossmotorisierte Allrad-Fahrzeuge mit entsprechend wuchtigem CO2-Ausstoss. Total waren es 2019 rund 30.000 Autos, die mit einer Tageszulassung registriert wurden. Zirka dreimal so viel wie 2020 und in «normalen» Jahren.
Tageszulassungen sind ein übliches Instrument im Handel. Im Normalfall primär um Import-Ziele zu erreichen. Die Co2-Sanktionen bringen hier indes eine neue Dynamik hinein. Derzufolge befinden sich unter den Tageszulassungen auch besonders saubere Autos, die dazu dienen, den Flottendurchschnitt nach unten zu schrauben und so keine exorbitanten Co2-Sanktionszahlungen zu leisten.
Für den Konsumenten sind Tageszulassungen sehr interessant. Die Händler dürfen im Gegensatz zu bestellten Neuwagen auf Tageszulassungen hohe Rabatte geben. Zwischen 20 und 30% sind üblich. Der Nachteil: Es gibt nur fertig konfigurierte Autos. Zudem läuft die Werksgarantie üblicherweise ab der Anmeldung beim Strassenverkehrsamt. Letztere kann also je nach dem schon stark verkürzt sein.