Adventurous Spirit, den Abenteuergeist, will Ford in Zukunft viel stärker spürbar machen. Das Image als Hersteller gebrauchstüchtiger No-Nonsense-Autos haben insbesondere die europäischen Repräsentanten des Fliessbandpioniers aus Dearborn im US-Bundesstaat Michigan satt. Ford Europa verabschiedete sich deshalb nicht nur aufgrund der Elektrifizierungsstrategie von seinen langjährigen Hauptpfeilern wie Mondeo, Focus oder Fiesta. Sich selbst hat der Konzern allerdings bereits mit dem Verkauf der Premier Automotive Group mit Jaguar, Land Rover, Volvo und Aston Martin kurz vor und nach der Finanzkrise 2008 aus dem Premiumbereich zurückgezogen. Nun droht der Rest von Fords Europapräsenz sich in der Belanglosigkeit aufzulösen. Rund fünf Prozent Anteil am europäischen Markt sind zu wenig. Um die Brücke vom bisherigen Status mit soliden und durchs Band mit guten Kritiken versehenen Modellen – im Marketingjargon heisst deren wahres Problem «stuck in the middle», sie haben also ein Profilierungs- und Identifizierungsproblem – hin zur neuen, heilsversprechenden Elektrozukunft zu schlagen, versuchen es die Europäer vorderhand mit original-importierter Americana.
Der Mustang als uramerikanische Sport- respektive GT-Ikone und der elektrische Mustang Mach-E verkörpern Wild Performance, eine der vier von Ford definierten Modellfamilien der näheren Zukunft. Daneben steht als zweiter Bereich Urban Escape. Nicht die überstürzte Flucht aus der Stadt ist damit gemeint, sondern wohl hauptsächlich der Ort, wo die grössten Fische innerhalb des Ford Modellportfolios gefangen werden sollen. Hier zu finden sind nämlich die Bestseller Puma und Kuga. Für den Bereich Active Adventure hält der Ford Explorer die Fahne hoch. Und im vierten Bereich schliesslich, Ultimate Outdoor, will Ford den Adventurous Spirit zelebrieren. Hierzu gehören der für März 2023 versprochene und in den USA bereits mit Erfolg angebotene Bronco sowie der als Zwischending von Personenwagen und Nutzfahrzeug gehandelte Ranger respektive Ranger Raptor, der noch stärker als Lifestyle- denn als Nutzfahrzeug konzipierte Bruder.
US-Vorbild
Es war gewiss der anhaltende Erfolg des Jeep Wrangler, der bei Ford nach längerer Abwesenheit den Bronco wieder auferstehen liess. Das Tolle an ihm ist, dass es Ford sehr ernst meinte mit dem wilden, ungezähmten Pferd, so die Bedeutung des Namens Bronco. Anders als der neu geschaffene Offroad-Gentleman Defender aus Grossbritannien setzt der neue Bronco nicht auf Hightech und Komfort, sondern auf altvertraute Werte wie Starrachse hinten, Leiterrahmen und mechanische Differenzialsperren und nimmt damit das Thema Geländetauglichkeit sehr ernst. Ganz seiner Vergangenheit verpflichtet, lässt sich der auf funktionale Sachlichkeit getrimmte Wagen – andere meinen, er erinnere an ein Playmobil-Auto – dank herausnehmbarer Dachteile auch oben ohne bewegen. Der Bronco ist mit zwei Radständen und zwei Motorisierungen verfügbar. Für den ersten Kontakt im Hartsteinwerk in der Nähe von Kitzbühel (A) stand uns der Bronco mit langem Radstand und 2.7-Liter-Turbo-V6 zur Verfügung.
Weiter als der Fahrer
Knuffige Räder, die kaum unter das Blechkleid passen, und nahezu nicht vorhandene Überhänge vorne wie hinten deuten bereits an, was der Bronco zu bieten hat. Der im Ford-Werk Wayne (USA) gebaute Wagen ist auch in gröbstem Gelände kaum zu stoppen. Dank Reduktionsgetriebe, Sperrdifferenzial hinten wie vorne, entkoppelbarer Querlenker und Trail-Control, einer Art Gelände-Tempomat, schafft der Bronco Passagen, in denen unbedarfte Gelegenheitsgeländefahrer an ihre mentalen Grenzen stossen. Ja, der Bronco wird dem Adventurous Spirit absolut gerecht. Mit seinem aus dem Mustang und dem Ranger Raptor bekannten Zehngang-Automaten steht in jeder Situation ein exakt passendes Räderpaar zur Verfügung, für ganz schwierige Fälle lässt sich bei eingelegtem Geländegang auch die erste Fahrstufe des Automaten sperren. Gefühlt lässt sich so mit dem Bronco ein Haus verschieben.
Während des wilden Ritts versucht einen das ungezähmte Pferd nicht gerade abzuwerfen, es gibt genügend Haltegriffe. Die Liebe der Amerikaner zu ungetarntem Kunststoff trägt zur Atmosphäre des Innenraums, der erscheint, als könnte man ihn problemlos abwaschen, nicht unwesentlich bei. Dank seiner Zweckmässigkeit fühlt man sich allerdings durchaus wohl. Die Ausrüstung des Bronco ist PW-artig. Dem Fahrer kommen zudem trotz zwei Metern Breite und einer Länge von knapp fünf Metern die bestens einschätzbaren Dimensionen zugute – Kunststück bei dieser Form. Wer also ein Fahrzeug sucht, das ihn tatsächlich bis zum Ende der Welt und wieder zurück bringt, kann auf den Offroad-Ford zählen.
Geht!
Im Gelände eine Perle, auf der Strasse eine Zumutung? Der Bronco schlägt sich auch auf festem Untergrund ganz wacker. Natürlich ist die Sitzposition erhöht, wie erwähnt ist die Übersichtlichkeit ein netter Nebeneffekt der Würfelform. Der Bronco fährt sich auf Asphalt erstaunlich zielgenau, die Geländereifen sind weniger schwammig als beim ersten Anblick erwartet. Auch was beim Studieren der technischen Daten zunächst einiges befürchten lässt, ist weit weniger ausgeprägt. So ist die hintere Starrachse mit fünf Lenkern und einem langen Panhardstab zur Aufnahme der Querkräfte aufwändig geführt. Das vermutete Eigenlenkverhalten der Hinterachse bei Bodenunebenheiten entpuppt sich als unbegründete Befürchtung. Mit etwas Schwung lässt sich der Bronco ganz passabel über engere europäische Landstrassen manövrieren. Die Kraft des Twinturbo-V6 von 246 kW (335 PS) sorgt dabei für eine erstaunliche Dynamik. Einzig bei den mit einem elektrischen Bremskraftverstärker ausgerüsteten Bremsen sollte man sich keine Illusionen machen, der Bronco ist kein Sportwagen, und die aufgezogenen Reifen haben andere Vorzüge als herausragende Verzögerungswerte. Wie beim Raptor gebärdet sich die knuffige Pneumatik aber erstaunlich lenkpräzise. Das hilft, den zwei Meter breiten Wagen beim Kreuzen genau in derer Spur zu halten. Doch ganz generell hätte das Fahrerlebnis wesentlich anders ausfallen können angesichts des Hintergrunds des Bronco. Er ist auf Aspahlt weder amerikanisch soft noch ungehobelt, der Job des Fahrers ist keine nervenaufreibende Herausforderung, und es gibt nur wenige Dinge, die man sich anders wünschte. Gewiss wäre ein kräftiger Diesel eine valable Alternative gewesen. Doch dieser Benziner bringt ebenso viel Dampf aus dem Keller, oder ist dies bereits das Erdgeschoss? Das maximale Drehmoment von satten 563 Nm steht bei 3100 Umdrehungen an.
Nach dem Ranger gesellt sich mit dem Bronco also ein zweiter, äusserst geländetauglicher Ford zum Modellprogramm der Marke. Einzig die von der US-Version übernommenen Daten zur Anhängelast sind ernüchternd: Mit nur 1000 bis 1250 Kilogramm zieht er weniger als mancher Kompaktwagen.
Die Abenteuersparte von Ford ist treffend besetzt, der Bronco wird auch hier seine Freunde finden, das ist absehbar. Mit seiner martialischen, auf alle Eventualitäten vorbereiteten Form ist er ein typisches Kind seiner Zeit. Damit steht er irgendwann für unsere Epoche zwischen Aufbruch in eine verheissungsvolle Zukunft und Angst vor Dingen, von denen wir noch nicht so genau wissen, ob sie gut oder schlecht sein werden. Der Bronco, so viel Freude er auch macht, verkörpert als rollende Trutzburg womöglich auch … etwas Zukunftsangst.