Man sollte im Journalismus ja grundsätzlich zurückhaltend sein mit Superlativen. Aber manchmal sind sie eben doch angebracht. So beim Civic Type R. Er ist der beste Hot Hatch. Punkt. Die Erwartungen waren auch hoch, so lange wie Honda die Fans wieder warten liess, bis der Type R endlich herauskam, schliesslich ist der normale Civic der zehnten Generation bereits seit bald zwei Jahren auf dem Markt. Und auch um die Leistung wurde ein grosses Geheimnis gemacht. Auf jeden Fall mehr als die 320 PS des Vorgängers soll er haben, so die einzige Auskunft von offizieller Seite. Dann wohl deutlich mehr, hofften die Fans. Natürlich, was denn sonst? Aber darüber, wie viel mehr es sein würden, hüllte man sich in Schweigen. Jetzt ist es klar: Es sind 242 kW (329 PS) – gerade einmal neun PS mehr als der Vorgänger.
Reicht das schon, um der beste Kompaktsportler zu sein? Es reicht, nicht nur weil die bisherige Messlatte auch bereits der Civic Type R war, sondern auch weil das Auto nicht nur von seiner Motorleistung lebt. Wenn es nicht der Motor ist, was ist es dann? Das lässt sich am besten erfahren in einem Umfeld, in das viele Sportwagen hingehören, wo sie aber trotzdem kaum anzutreffen sind: auf der Rennstrecke. Und wir haben Glück. Denn während die Kollegen vor uns noch über die nasse und später feuchte Strecke eiern und die Kollegen nach uns sich durch strömenden Regen quälen, erwischen wir eine halbe Stunde trockenes Wetter und trockenen Asphalt. Honda beweist auch gleich das Vertrauen ins eigene Material, denn während es bei der Konkurrenz zwei oder drei behutsame Runden betreutes Fahren gibt, lässt uns Honda eine halbe Stunde rotzen. Nach dieser halben Stunde wird vollgetankt, dann ist der nächste dran. Den ganzen Tag, Tag für Tag, zehn Tage lang. Honda hat dafür zwei Autos mitgebracht. Kein Reservefahrzeug, kaum Ersatzteile.
Alles ist steif
Wir sind auf der Rennstrecke von Estoril (P) unterwegs, der Kurs ist nicht sehr anspruchsvoll – fordert also das Auto mehr als den Fahrer. Bereits nach einer Geraden und einmal Einlenken zeigt sich, was die Kronjuwelen des Autos sind: das Fahrwerk! Die Räder sind neu als Reverse-Felgen ausgeführt, bei denen der kleinste Durchmesser und damit tragende Teil an der Innen- statt an der Aussenseite liegt. So können sie als 19-Zöller ausgeführt werden anstatt wie bisher in 20 Zoll, und die ungefederte Masse wird geringer, ohne dass die Optik beeinträchtigt wird. Auch wurde die gesamte Fahrwerksgeometrie auf die neu 265 Millimeter breiten Reifen angepasst. Der Lenkrollradius ist deutlich kleiner als beim Vorgänger, was das Eigenlenkmoment verringert, sodass sich die 420 Nm kaum mehr bemerkbar machen. Einzig beim Gangwechsel mit eingelenkten Rädern zerrt das Antriebsmoment spürbar am Lenkrad.
Sonst ist alles direkt, alles steif. Alle Lager geben weniger nach als beim Vorgänger, der Radträger ist steifer. Die Sturzfestigkeit wurde gegenüber dem Modell von 2017 um 16 Prozent, gegenüber der vorangehenden Generation von 2015 sogar um 25 Prozent verbessert. Die Steifigkeit der Lenkung wurde deutlich vergrössert. Damit die Servolenkung trotzdem noch funktioniert, mussten die Ingenieure bei Honda die Sensoren für das Lenkmoment komplett neu entwickeln.
Trockene Theorie und Zahlen sind das eine – die Praxis sieht nur allzu oft anders aus. Nicht so beim Type R. Wenn Honda sagt, man habe die Lenkung direkter gemacht, dann hat man das auch getan. Bereits in den ersten Bögen liefert das Auto den Beweis dafür, dass es messerscharf den Befehlen des Lenkrades folgt. Es gibt wenige Sportwagen – und keine in diesem Segment –, die eine derartige Verbundenheit mit der Strasse schaffen, wie es der Type R kann. Die angepasste Fahrwerksgeometrie macht sich aber nicht nur in engen Kurven bemerkbar, sondern ganz speziell auch bei der Bodenhaftung in langgezogenen, schnellen Bögen. Da gleicht das Warten auf das für Fronttriebler typische Untersteuern, einem Warten auf Godot – es kommt und kommt nicht. Stattdessen tänzelt der Kompaktsportler beim Spielen mit dem Gaspedal mit dem entlasteten Heck.
Exklusiv für den Type R hat Honda auch diverse Karosserieteile neu entwickelt, und im Gegensatz zum Vorgänger war mehr Sein und weniger Schein die Devise. So gibt es eine neue Motorhaube, neue Stossfänger, Seitenschürzen und einen Heckspoiler. Um ganze 90 Kilogramm bei 200 km/h konnte der Auftrieb damit allein an der Vorderachse reduziert werden. «Damit kommen wir schon deutlich in den Bereich, wo wir nicht nur den Auftrieb reduzieren, sondern Abtrieb generieren», erklärt Ko Yamamoto von Honda Europa stolz. Die 200 km/h werden in Estoril nur an wenigen Stellen erreicht, aber die Bremsen werden umso mehr gefordert, wenn Journalisten und Rennfahrer Runde um Runde drehen. Die Standhaftigkeit ist beeindruckend, auch nach 30 Minuten intensiver Fahrt auf dem Track sind sie noch genau so bissig wie zu Beginn – für ein Strassenfahrzeug ist das erstaunlich. Sie kommt aber auch nicht von ungefähr. Um das zu garantieren hat Honda beim Serien-Civic die Nebelleuchten weggelassen und durch Luftkanäle zu den Bremsscheiben ersetzt. Man habe das in Suzuka getestet, erklärt Yamamoto. Nach fünf Runden Renneinsatz habe die Temperatur bloss 540 Grad betragen, beim Vorgänger seien es 600 Grad gewesen. Beruhigend zu wissen.
Komfortabel ohne Kompromiss
Natürlich hat man sich auch um den Antrieb gekümmert – aber die Änderungen am Zweiliter-Turbobenziner fallen schon fast banal aus: Ansaugwiderstand reduziert, weniger Trägheitsmoment im Turbolader, weniger Gegendruck im Abgastrakt. Ergibt etwas mehr Leistung und Drehmoment im Vergleich zum Vorgänger. An der Charakteristik ändert sich aber nichts. Dazu gibt es ein überarbeitetes Getriebe, die Führung des Schalthebels ist noch präziser geworden, die Gänge lassen sich noch knackiger einlegen. Alles ist irgendwie beeindruckend. In den 25 Jahren, die es den Type R bei Honda bereits gibt, scheint man einiges gelernt zu haben.
Selbstverständlich macht sich der neue Type R auch auf der Strasse verdammt gut. Honda hat den Grenzbereich in Gefilde verschoben, die man zwar auch auf der Strasse erfahren will – aber weder darf noch soll. Dafür zeigt sich bald, dass die Spreizung des Autos deutlich grösser geworden ist. War bisher alles bretthart und waren die Sitze kaum gepolstert, so machen die adaptiven Dämpfer inzwischen einen ganz akzeptablen Job, und die Schalensitze sind anständig gepolstert, sodass auch Langstrecken machbar sind. Dafür gibt es sogar extra einen Komfort-Modus. Es bleibt die Frage, wie viel Komfort ein Auto in diesem Segment zu haben hat. Diese Frage lässt sich am besten über den Preis beantworten. Mindestens 57 990 Franken kostet der Type R. Das ist ein happiger Preis und vor allem ein happiger Aufschlag gegenüber dem Vorgänger, den es noch für etwas über 40 000 Franken gab. Aber die Klientel für den Civic Type R ist wohl erwachsen geworden und mit ihr das Auto. Da gehört ein Komfort-Modus genauso dazu wie genügend Platz für den Kindersitz auf der Rückbank. Und ein Look, der sich nicht mehr an Spätpubertierende richtet genauso wie ein Preis, den man sich leisten wollen muss. Und können.