Am 10. November hat die Europäische Kommission den Vorschlag für die Euro-7-Norm präsentiert. Sofern das Europäische Parlament oder der Rat nicht noch Einsprache erhebt, wird die neue Abgasnorm ab 1. Juli 2025 für den Massenmarkt und im Jahr 2030 für Nischenhersteller in Kraft treten. Klar ist, dass die neuen, strengeren Abgasgrenzwerte auch von der Schweiz übernommen werden. Was ändert sich mit Euro 7 im Vergleich zur – auch bereits strengen – Euro-6-Norm?
Laut Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme an der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), bringt der Vorschlag der Kommission drei wichtige Neuerungen mit sich: «Die erste betrifft die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Benzin- und Dieselmotoren. Mit der neuen Euro-7-Norm müssen alle Fahrzeuge, unabhängig von ihrer Motorisierung, künftig dieselben Grenzwerte einhalten.» So wird der Grenzwert für Kohlenmonoxid (CO) zukünftig 500 mg/km betragen, und zwar für alle Personenwagen. Während dies für Dieselmotoren keine Rolle spielt, da dieser Grenzwert bereits aktuell gilt, ist dies für Benzinmotoren eine Neuerung. Bisher lag für sie der Grenzwert bei 1000 mg/km, der Ausstoss muss also halbiert werden. Bei den Stickoxid-Emissionen (NOX) ist es umgekehrt: Der Grenzwert für Personenwagen mit Benzinmotor bleibt bei 60 mg/km, während Dieselfahrzeuge ihren Ausstoss von 80 auf 60 mg/km senken müssen. Bei den anderen Werten (Feinstaub, Kohlenwasserstoffe, Nichtmethankohlenwasserstoffe, s. Tabelle) bleiben die Grenzwerte weitgehend unverändert. Neu wird auch der Ausstoss von Ammoniak (NH3) begrenzt und darf nicht mehr als 20 mg/km betragen. Entgegen früheren Diskussionen wird es auch weiterhin keine Grenzwerte für den CO2-Ausstoss in den Abgasnormen geben.
Schwierig zu erreichen
Auf den ersten Blick scheint der Vorschlag der Europäischen Kommission relativ moderat zu sein, wenn man bedenkt, welche Einschränkungen die verschiedenen Euro-Normen den Herstellern in der Vergangenheit auferlegt haben. Christian Bach erklärt: «Seit einigen Jahren müssen die Fahrzeughersteller nicht nur die Labortests für die WLTP-Werte durchführen, sondern auch Messungen auf der Strasse, die sogenannten Real Driving Emissions. Bisher durften Fahrzeuge beim Fahren auf der Strasse bis zu 50 Prozent mehr Stickoxide ausstossen als im Labor, «weil die Realität ein schwierigeres Umfeld ist als das Labor mit seinen perfekten Bedingungen», wie Bach erläutert. Mit der Einführung der neuen Norm entfällt diese Kulanz den Herstellern gegenüber. «Ein Euro-7-Fahrzeug muss auf der Strasse genauso sauber sein wie auf dem Prüfstand, und zwar unabhängig von Wetter, Temperatur oder der Höhe», erklärt Bach. Für ihn ist diese zweite grosse Neuerung, die Euro 7 mit sich bringt, zweifellos die am schwersten zu erfüllende. Denn sie betrifft nicht nur das Abgasreinigungssystem wie den Katalysator oder den Partikelfilter, sondern auch die Software. Viele Autos sind mit einem Navigationssystem ausgestattet und können eine Vielzahl von Daten wie Temperatur, Strassenneigung oder Höhe messen, aber nur wenige teilen diese Informationen mit dem Motorsteuergerät (ECU). In Zukunft soll sich das ändern. Wenn der Motor und das Abgasnachbehandlungssystem richtig informiert sind, werden sie in der Lage sein, ihre Arbeitsweise so anzupassen, dass der Treibstoffverbrauch angesichts der bevorstehenden Strecke und der Bedingungen, unter denen das Auto unterwegs ist, so gering wie möglich ist. Die Automobilindustrie nutzt dazu auch Machine-Learning, damit die Systeme aus den von ihnen verarbeiteten Daten lernen und damit ihre Leistung verbessern können.
Weniger Leistung
Leider könnten die ökologischen Vorteile, die der neue Standard mit sich bringt, zumindest unter bestimmten Bedingungen mit dem Risiko einer schlechten Motorleistung einhergehen. «Bei niedrigen Temperaturen oder in grosser Höhe könnte das Steuergerät die Motorleistung minimieren, damit der Motor weiterhin so sauber wie versprochen bleibt. Das beste Beispiel dafür ist ein Auto, das einen Wohnwagen über einen Bergpass zieht. Wenn ein Auto einen Wohnwagen in der Kälte über eine Passstrasse zieht, arbeitet ein Verbrennungsmotor zwangsläufig unter Bedingungen, die er nicht mag. Das ist eine besonders schwierige Situation, in der der Motor möglicherweise seine Leistung und sein Drehmoment einschränken muss», erklärt Bach. Im vorliegenden Beispiel könnte dies natürlich für den Autofahrer – und alle hinter ihm Fahrenden – sehr unangenehm sein.
Darüber hinaus könnte die Komplexität der Steuergeräte grosse Auswirkungen auf den Markt haben, da einfachere Fahrzeuge ohne eine geeignete, ausgeklügelte Motorsteuerung in den Ruhestand treten müssen. Das bedeutet, dass in erster Linie die billigsten Fahrzeuge betroffen sein werden. Die anderen Fahrzeuge werden aufgrund ihrer zunehmenden Komplexität zwangsläufig teurer werden. Die Kommission möchte in ihrem Entwurf jedoch gegen diese Auswirkungen vorgehen und sicherstellen, dass neue Autos wirtschaftlich attraktiv bleiben. «Die Kosten für die Nachrüstung werden auf 357 bis 929 Euro für ein Dieselfahrzeug und 80 bis 181 Euro für ein Benzinfahrzeug geschätzt», erklärt die Kommission in ihrem Vorschlag. Es bleibt abzuwarten, ob diese Werte von den Herstellern eingehalten werden. Vor allem wird es interessant sein zu sehen, wie sich diese Kosten auf die Autofahrer auswirken werden.
Die Reifenhersteller im Visier
Laut Christian Bach sind das dritte Element, auf das die Europäische Kommission mit der Euro-7-Norm abzielt, die Partikel, die nicht aus dem Auspuff, sondern aus sekundären Komponenten wie Reifen und Bremsen emittiert werden. Gerade auch im Hinblick auf die Elektrifizierung wird sich der Fokus bei den Emissionen verschieben. «Es wird angenommen, dass Emissionen aus Reifen die grösste Quelle von Mikroplastik in der Umwelt sind. Es wird erwartet, dass bis 2050 bis zu 90 Prozent aller vom Strassenverkehr emittierten Partikel auf Emissionen ausserhalb des Auspuffs entfallen werden», so die Kommission. Deshalb will sie diese in Zukunft messen und begrenzen. Zu diesem Zweck will sie einen Bericht über den Reifenabrieb erstellen und anschliessend eine Verordnung erlassen, in der sie den Reifenherstellern Grenzwerte auferlegt. Diese sollen bis Ende 2024 bekannt gegeben werden.
Die Reifenhersteller stehen dem Vorschlag der Kommission wohlwollend gegenüber. Wie der französische Reifenhersteller Michelin der AUTOMOBIL REVUE erklärt, begrüsse man den Vorschlag der Kommission. «Er ist ein wirksames Werkzeug, um die mit dem Reifenabrieb verbundenen Partikelemissionen insgesamt zu reduzieren», sagt Bénédicte Corbier, Pressesprecherin von Michelin. Michelin hat natürlich ein Interesse an einem solchen Grenzwert, weil es die Hersteller von Billigreifen vom Markt verdrängen könnte. «Ein solcher Grenzwert wird es ermöglichen, die weniger leistungsfähigen Reifen schnell vom Markt zu verdrängen», so Corbier. Ob und wie stark sich die neuen Regelungen auf die Preise von Reifen, vor allem von günstigen Reifen, auswirken, wird sich noch zeigen.
Abgesehen von diesen Aspekten spricht die Europäische Kommission auch von einer neuen Anforderung an die Lebensdauer von Batterien. Damit stützt der Vorschlag auch eine neue Regelung der Vereinten Nationen, die eine Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit von Elektrofahrzeugen und deren Batterien so festlegt, dass sich diese während des gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeuges nicht verändern darf. Damit soll auch das Vertrauen von Kunden in Elektroautos gestärkt werden. Darüber hinaus geht der Vorschlag auch auf das Recycling von Autos ein, indem er die Bedeutung der Rücknahmen und Wiederverwertung von Altfahrzeugen und ihren Bauteilen hervorhebt. Mehr noch, er fordert die Autohersteller auf, all diese Aspekte bereits bei der Konstruktion eines Fahrzeugs zu berücksichtigen.
Für Christian Bach sind alle durch die Euro-7-Norm nötigen Entwicklungen zwar einschneidend, aber auch notwendig: «Aus meiner Sicht haben wir keine andere Möglichkeit, als die Emissionen zu reduzieren, unabhängig von der verwendeten Technologie.» Auch wenn die nötigen Veränderungen tiefgreifend sind, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Industrie den ökologischen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnten, fortsetzt. Davon hängt auch ab, wie die Industrie in den kommenden Jahren von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Fahrzeuge, die sie in Zukunft auf den Markt bringt, auch weiterhin die Menschen begeistern. «Die Automobilindustrie ist es gewohnt, die enormen Herausforderungen, denen sie ausgesetzt ist, zu meistern», ist Christian Bach überzeugt. Bleibt zu hoffen, dass er recht behält.