So sehr einst Chris Bangle mit seinem Design der Siebner-Reihe die Fach- und Fangemeinde polarisierte, so wenig überschwänglich war das Echo auf die ersten Fotos der neuen, siebten Generation der bayerischen Oberklasselimousine. Viel zu massig sei das Auto, zu riesig der Grill, zu protzig sowieso alles. Beim ersten Kontakt im echten Leben relativiert sich das ziemlich schnell. In natura steht der neue BMW deutlich harmonischer in der Landschaft, wenngleich sich die Grösse nicht wegdiskutieren lässt. Auf stolze 5.39 Meter Länge spannt sich der neue Siebner. Vorne grüsst die üppig dimensionierte, aufrecht stehende Niere, die von einem Leuchtband umrandetet wird, damit man sie ja nicht übersieht. Entlang der kantigen Seitenlinie landet der Blick auf dem wuchtigen Heck, unter dem sich 500 Liter Kofferraum befinden. Das neue Gesicht prägen die obenliegenden Tagfahrlichter und darunter in einer Nische zurückgesetzt die Doppelscheinwerfer in adaptiver LED-Technik mit Matrix-Fernlicht.
Nur noch als Langversion
Wurde der Siebner bislang immer in zwei Radstandlängen angeboten, gibt es die siebte Generation ausschliesslich mit langem Radstand von knapp 3.22 Metern. Dieser ist vor allem in China begehrt – was auch zeigt, wer die Zielgruppe des Autos ist. 45 Prozent der Baureihe finden in China ihre Käufer, 26 Prozent der Autos gehen ins restliche Asien und in den Nahen Osten, 20 Prozent in die USA. Europa spielt mit neun Prozent nur noch eine kleine Rolle. Dementsprechend fiel die kürzere Version aus dem Programm, und angesichts der niedrigen Verkaufszahlen ersparte sich BMW sogar den Aufwand, den 760i mit doppelt aufgeladenem V8 in Europa zu homologisieren. Topmodell der Verbrennerfraktion in der Schweiz wird der M760e xDrive sein, der mit elektrisch unterstützten sechs Zylindern auskommen muss. Das wahre Topmodell ist aber der i7. «Der elektrische Antrieb passt perfekt zum Oberklasseanspruch», sagt Entwicklungsvorstand Frank Weber.
Der i7 ist unangestrengt dank des enormen Drehmoments, dabei aber extrem ruhig in allen Belangen. Die beiden Antriebsmotoren an Vorder- und Hinterachse leisten insgesamt 400 kW (544 PS) und schieben die 2.7 Tonnen schwere Limousine mit 745 Nm Drehmoment kräftig an. Der vordere Motor leistet 190 kW, der hintere 239 kW, beide kommen ohne Seltene Erden aus. Die Fahrleistungen des i7 sind souverän mit 4.7 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h, erst bei Tempo 240 wird abgeregelt. Auch auf eher holprigen Strassen verliert der mit einem Luftfahrwerk und Wankstabilisierung ausgestattete Testwagen nicht die Contenance, dank des niedrigen Schwerpunkts umrundet er Kurven wie auf sprichwörtlichen Schienen. Auf gemischten Passagen mit Autobahntempo 120, auf Bergpassagen und bei moderatem Landstrassentempo bewegt man den i7 im Bereich des WLTP-Verbrauchs von rund 20 kWh/100 km. Damit sollten rund 500 Kilometer Reichweite auch im Alltag erreichbar sein, für die WLTP-Reichweite muss man den rechten Fuss etwas zügeln.
Für Entwicklungsvorstand Frank Weber ist indes im elektrischen Antriebsstrang noch «sehr viel Potenzial». In der nächsten Modellgeneration «werden wir aus jeder Wattstunde Energie 30 Prozent mehr Reichweite generieren können», sagte Weber. Er kündigte an, dass BMW mit Einführung der Neuen Klasse auf 800-Volt-Technik setzen und auch bei den Batteriezellen einen Schwenk zu Rundzellen machen werde, die vor allem mit hoher Energiedichte punkteten.
Flexible Plattform
Bevor die Neue Klasse in rund drei Jahren Plattform für die Elektromodelle des Herstellers wird, fährt BMW weiter die Strategie, den Antriebsstrang flexibel zu gestalten. So ist es auch beim Siebner. Auf einem Fahrzeugkonzept bauen klassische Verbrenner, Plug-in-Hybride und die vollelektrische Version auf, und alle Varianten laufen über das gleiche Produktionsband im niederbayerischen Dingolfing. Das BMW i7 genannte BEV ist also kein eigenes Modell, sondern ein Antriebsderivat der Baureihe. Erkennbar ist das auch im Innenraum, denn hier trennt der Kardantunnel den Fussraum der Länge nach. Das ist dem Konzept geschuldet – und BMW nutzt den eigentlich überflüssigen Tunnel, indem dort Verkabelung und Steuerelektronik für die im Unterboden verbaute 102-kWh-Batterie untergebracht sind. Diese lässt sich mit einer Ladeleistung von 195 kW in gut einer halber Stunde auf 80 Prozent laden.
Die im Vergleich zum Vorgänger 13 Zentimeter mehr Fahrzeuglänge kommen überwiegend den chauffierten Personen auf den hinteren Sitzen zugute. Auf Wunsch lässt sich Platz nehmen auf Sitzen aus Leder, Merino- und Kaschmirwolle, die Türen öffnen und schliessen auf Knopfdruck elektrisch, und die Elektronik stoppt das Öffnen sofort, wenn sie ein Hindernis erkennt, an dem die Tür Schaden nehmen könnte – oder wenn sie einen Velofahrer zu Fall bringen würde. Alle Funktionen, die für Wohlbefinden und Entertainment gut sind, können mit smartphonegrossen Touchdisplays links und rechts in den hinteren Türen gesteuert werden. Auf Wunsch ist der Siebner hinten mit einem 31.3 Zoll grossen Theater-Screen ausgestattet, der von der Decke herunterfährt und eine Auflösung in UHD-Qualität liefert. Der passende Sound kommt von einer Bowers-&-Wilkins-Surround-Anlage. Das Cockpit wird dominiert von einem Curved Display im Format 14.9 Zoll, das sich an die digitale und zwölf Zoll grosse Instrumententafel anschliesst. Ganz viel Blingbling bietet die Interaction-Bar genannte Bedienleiste unterhalb des Displays mit ihrer kristallinen Oberfläche. Hier sind berührungssensitive Tasten zur Steuerung von Klima und Lüftung oder zum Öffnen des Handschuhfaches untergebracht, die Streifen passen sich dem gewählten Ambientelicht an, und darunter sind versteckt die Auslässe für die Fahrzeugbelüftung untergebracht.
Bei den Assistenzsystemen setzt BMW auf eine neue Softwaregeneration und hat den Siebner für die mittelfristige Einführung von automatisiertem Fahren auf Level 3 vorbereitet. In den USA dürfen die Entwickler das Auto schon jetzt ein Stück weit mehr von der Leine lassen als in Europa. So steuert der Lenk- und Spurführungsassistent das Auto bis Tempo 130 selbständig über Autobahnen, und anders als in Europa muss der Fahrer dabei nicht die Hände am Lenkrad halten. Damit lassen sich lange Strecken sehr entspannt fahren, Spurwechsel werden über ein Tippen des Blinkers eingeleitet und automatisch ausgeführt. Die Innenraumkamera überwacht derweil konstant, ob der Fahrer auch wirklich bei der Sache ist. Bei eingeschalteter Navigation lotst der Assistent den Siebner allein von der Fahrspur – auch wenn es die ganz linke ist – in die ausgewählte Interstate-Ausfahrt.
Neben dem elektrischen BMW i7, der bei knapp 170 000 Franken startet und in diesem Monat lanciert wird, stehen für Kunden in der Schweiz später auch ein Diesel sowie zwei Plug-in-Hybride im Programm, die ab Frühjahr 2023 ausgeliefert werden. Der 220 kW (299 PS) starke 740d xDrive mit Reihensechszylinder ist mit einem Listenpreis von 139 600 Franken das Einstiegsmodell in der Schweiz.