Es ist ein komplexes Hybridsystem, das Nissan entwickelt hat für den neuen X-Trail. Ein Verbrennungsmotor treibt einen Generator an. Dieser speist eine Batterie, aus der der Elektromotor angetrieben wird. Mit den Rädern mechanisch verbunden ist einzig der Elektromotor, der X-Trail ist also im Grunde ein Seriellhybrid, wie es beispielsweise ein Fisker Karma auch war. Was also macht das System komplex? Um das zu verstehen, muss man das Pferd von hinten aufzäumen. Zuerst einmal ist da der Verbrennungsmotor. Der ist nämlich nicht einfach ein gewöhnlicher, einigermassen effizienter Benzinmotor, wie man ihn aus dem Konzern kennt, sondern ein Dreizylinder-Turbomotor mit variabler Verdichtung. Je nachdem, ob der Motor gerade besonders leistungsfähig oder besonders effizient arbeiten soll, kann die Verdichtung von 8:1 bis 14:1 stufenlos angepasst werden, indem der Anlenkpunkt vom Pleuel auf die Kurbelwelle verschoben und dadurch der Hub (und der Hubraum) verändert werden.
Und wieso muss ein Motor, dessen einzige Aufgabe es ist, die Batterie zu laden und der gar nicht mechanisch mit den Rädern verbunden ist, überhaupt verschiedene Betriebszustände haben? Ist der grosse Vorteil dieser Motoranordnung nicht eben genau der, dass der Verbrennungsmotor immer im effizientesten Betriebspunkt laufen kann? Eigentlich schon, aber da kommt eine weitere Eigenheit des X-Trail zum Zug: Die nutzbare Batteriekapazität liegt bei bloss 1.7 kWh – das reicht nicht besonders weit. Die Lithium-Ionen-Batterie unter der zweiten Sitzreihe dient also lediglich als Puffer und nicht als Speicher, um effektiv ohne Verbrennungsmotor fahren zu können. So muss der Verbrennungsmotor je nach Fahrsituation und Lastanforderung seine gesamten 116 kW (158 PS) über den Generator in den Elektromotor fliessen lassen, damit es flott vorangeht. Bei gemässigter Fahrweise reicht etwas weniger Leistung, und der Verbrennungsmotor kann bei Bedarf die Pufferbatterie in einem verbrauchsarmen Modus mit geringer Verdichtung wieder füllen.
Bis zu sieben Plätze
Ist das Fahrzeug mit Allradantrieb ausgerüstet, kommt noch ein weiterer Elektromotor hinzu, der die Hinterachse antreibt. Der ist in der Lage, noch einmal 100 kW (136 PS) zusätzlich zu leisten, die Systemleistung steigt aber nicht auf die Summe der beiden Motorleistungen, sondern um bloss zehn PS auf 157 kW (214 PS) – das begrenzende Element ist weiterhin der Verbrennungsmotor, der die Energie für den Elektroantrieb bereitstellen muss. Wieso aber so eine aufwändige Konstruktion und nicht einfach ein gewöhnlicher Hybrid? «Das Ansprechverhalten ist besser und das Fahrgefühl ruhiger, da der Verbrennungsmotor nicht die Räder antreibt», erklärt Product Marketing Manager Aditya Moorthy die Entscheidung. Was er damit meint: Das Fahrverhalten des X-Trail soll demjenigen eines Elektroautos nahekommen, indem das Drehmoment sofort an den Rädern anliegt und der X-Trail deutlich schneller auf Lastwechsel reagiert, als dies mit einem Verbrennungsmotor möglich wäre. Dies aber mit dem Vorteil, dass das Auto nicht geladen werden muss.
Der Nissan X-Trail soll also gewissermassen ein Elektroauto für alle sein, die zwar die Vorteile des elektrischen Fahrens, aber kein Elektroauto fahren wollen. In der Praxis zeigt sich das dann folgendermassen: Der Verbrauch des allradgetriebenen X-Trail, den wir für unsere erste Ausfahrt zur Verfügung hatten, lag nach etwas Autobahn und viel Überlandstrassen bei rund sieben Litern pro 100 Kilometern. Mit der verhältnismässig kleinen Batterie muss es am Ende eben dann doch der Verbrennungsmotor richten, und das schlägt sich entsprechend im Verbrauch nieder. Damit ist auch klar, dass der Verbrennungsmotor, wenn auch relativ ruhig und dezent, im Hintergrund so gut wie immer mitläuft.
Der X-Trail hat aber auch ganz andere Qualitäten. Und die liegen vor allem in seiner Vielseitigkeit. Gegen einen Aufpreis von 1200 Franken gibt es – leider nur für die Version mit Allradantrieb – eine dritte Sitzreihe, die für Kinder oder auf kurzen Fahrten für Erwachsene durchaus passabel ist. Die zweite Sitzreihe lässt sich dreiteilig umklappen und in Längsrichtung um bis zu 22 Zentimeter verschieben, auch hier dreiteilig. So gelingt der Einstieg in die dritte Reihe ganz angenehm, und es lassen sich Personen und Gepäck in allerlei Konfigurationen und Kombinationen problemlos transportieren. Auch der Platz in der zweiten Reihe ist ganz ordentlich. Da dank des elektrischen Allradantriebs der Kardantunnel entfällt, ist der Boden im Fond eben und das Platzangebot geräumig. Dass auf den störenden Mitteltunnel verzichtet werden kann, ist der Versatilität der CMF-C-Plattform zu verdanken, auf der der X-Trail basiert. Obwohl diese sehr wohl auf den Einsatz konventioneller Allradantriebe ausgelegt ist und auch der Vorgänger des neuen X-Trail damit ausgestattet war, ist der Kardantunnel nicht zwingend notwendig. Zudem wartet der X-Trail, wie man es sich für ein Familienfahrzeug wünscht, mit weiteren praktischen Lösungen auf, so beispielsweise mit weit öffnenden hinteren Türen, die ein bequemes Einsteigen oder Einladen eines Kindersitzes ermöglichen.
Meist ganz konventionell
Im Unterschied zum vollelektrischen und futuristischen Ariya gibt sich der X-Trail also als der Konventionelle und Bodenständige. Das zeigt sich ohne Zweifel auch im Innenraum. Das Bildschirmlayout mit dem grossen Head-up-Display, dem digitalen Instrumentencluster und dem Infotainment ist wenig überraschend, dazu gibt es die bewährten Knöpfe für die Bedienung von Heizung und Klimaanlage. Dennoch bedeutet Bodenständigkeit nicht Verzicht. So ist das Interieur elegant ausgeführt, in unserem Fall mit Lederbezügen auf den Sitzen, unterschäumten und dadurch weichen Bezügen auf dem Armaturenbrett und der Mittelkonsole und einer holzähnlichen Maserung auf den Kunststoffbauteilen.
Für Echtleder benötigt es dann aber auch die höchste Ausstattungslinie Tekna Plus, die ausschliesslich für die Variante mit Allradantrieb erhältlich ist und mindestens 57 690 Franken kostet. Lederimitat gibt es in der Ausstattungslinie Tekna, die ab 53 790 Franken erhältlich ist. Falls die dritte Sitzreihe gewünscht ist, sind es jeweils 1200 Franken mehr. In der Basis kostet der Nissan X-Trail bloss 39 990 Franken, wobei es dafür dann auch nur den Fronttriebler mit 150 kW (204 PS) gibt. Die Ausstattung ist da eher bescheiden, Leder sucht man vergebens, ebenso elektrisch verstellbare Sitze oder eine umfangreiche Auswahl an Assistenzsystemen. Schade, dass auch die sieben Sitzplätze nicht in der Basisversion erhältlich sind. Da muss es mindestens der Allrad sein, damit die dritte Sitzreihe verbaut wird. Dafür gibt es dann nicht mehr viele Optionen, diese bündelt Nissan ja glücklicherweise in Ausstattungslinien. Und der X-Trail bleibt ein faires Angebot: Für ein SUV mit Hybridantrieb und Platz für bis zu sieben Personen gibt es am Preis vom günstigsten bis zum teuersten X-Trail wenig auszusetzen.