Da denkt man, man sei ein passabler Autofahrer, prügelt den Porsche GT3 RS ganz ordentlich über die Rennstrecke im englischen Silverstone, steigert das Vertrauen in die Materie und das Tempo von Runde zu Runde. Und dann sitzt man bei Timo Bernhard, einem unter anderem zweimaligen Langstrecken-Weltmeister, ins Auto, und der haut dermassen einen raus, dass die Erkenntnis über das Auto nochmals eine ganz andere Dimension bekommt. Der GT3 RS kann mehr, als Herr und Frau Muster jemals werden ausloten können, wenn sie nicht gerade ehemalige Le-Mans-Gewinner sind.
Einen Porsche zeichnet aber ja auch aus – und sei er noch so radikal –, dass man ihn auch ganz gemütlich fahren kann. Nicht, dass wir das hier wollen, ganz und gar nicht, aber es ist schon extrem, wie er sich bei langsamer Fahrt zum Beispiel vom KTM X-Bow GT-XR unterscheidet. Auch mit dem RS lässt es sich am Sonntagmorgen ohne Mühe – für so viel Komfort wie irgendwie möglich im Innenraum ist auch hier gesorgt – zum Bäcker fahren. Dementsprechend gutmütig ist der derzeit schärfste Elfer.
Am wohlsten fühlt sich der RS aber doch in schnellen Kurven, und zwar in den allerschnellsten, wie wir selbst mehrmals erfahren durften. Womit wir direkt beim Thema Aerodynamik sind. Man hört es oft, «form follows function», die Form folgt der Funktion, so richtig konsequent umgesetzt wird das allerdings bei den wenigsten. Der GT3 RS hingegen lebt von all seinen auffallenden Anbauteilen. Das sieht teilweise nur bedingt elegant aus, ein herkömmlicher Elfer verzückt rein nach stilistischen Gesichtspunkten wohl mehr. Es sorgt aber für massiv viel Abtrieb und damit Bodenhaftung. Maximal produziert der RS 860 Kilogramm Abtrieb, das ist mehr als doppelt so viel wie beim Vorgänger. Für das Eigengewicht von 1450 Kilogramm sorgt Karbon wohin das Auge reicht, an den Türen, den vorderen Kotflügeln, am Dach und natürlich am Spoiler. Wer das Weissach-Paket ordert, bekommt auch unter dem Kleid noch mehr davon.
Alles einstellbar
Wir könnten die gesamte Zeitung mit Erklärungen der aerodynamischen Kniffe füllen und diese abfeiern, denn sie sind zahlreich und auch beeindruckend. Aber das haben wir schon getan, daher hier nur nochmals in Stichworten das Wichtigste zur Erinnerung: Frontsplitter, Sideblades, Louvers, Finnen auf dem Dach, aktive Flaps und natürlich der riesige Heckspoiler, der das Dach in der Höhe überragt. Wichtigstes Element dabei ist der neue Mittenkühler im Vorderwagen. Zwar entfällt dadurch der Kofferraum, allerdings wurde damit nicht nur die Kühlleistung verbessert, sondern auch Raum geschaffen, um die aktiven Aerodynamikelemente zu integrieren. Oder wie Porsche-Aerodynamiker Mathias Roll zusammenfasst: «Ein Traum.»
Der aktive Heckflügel mit Schwanenhals-Aufhängung erlaubt mit dem Drag-Reduction-System (DRS) ein Feature, das zwar in der Formel 1 bestens bekannt ist, nicht aber auf der Strasse. Mit flachgestelltem Flügel erreicht der RS einen Topspeed von 296 km/h – das ist durch die kürzere Übersetzung des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes etwas weniger als beim GT3 –, mit mehr Abtrieb sind es noch rund 260 km/h. Das System kann zwar über das Lenkrad direkt angesteuert werden, der RS erkennt aber eigentlich selbst, wann welcher Modus der bessere ist.
Im High-Downforce-Mode sind ultraschnelle Kurven – und damit die Strecke in Silverstone – genau sein Ding. Darin liegt für den geübten Laien denn auch die Challenge. Obschon das Auto von Beginn weg übermässig viel Vertrauen vermittelt, sich wie auf Schienen fährt, mag es Zögerlichkeit absolut nicht. Wer vor oder, noch schlimmer, in der Kurve intuitiv den Fuss vom Gas lupft, bringt den Luftfluss und damit den RS aus der Balance. Dann, und auch nur dann, wird das Heck leicht und die Lenkarbeit etwas spontaner. So neutral er sich bei einer sauberen Linie auch fährt, selbst am absoluten Limit wie bei Bernhard, wird er leicht zickig, wenn man nicht konsequent mit ihm umgeht.
Wie der RS tickt, hat man allerdings relativ schnell verstanden. Die Diva, wie das etwa britische oder italienische Sportwagen ab und an zu tun pflegen, lässt der Deutsche nie heraushängen. Und wenn doch, dann dreht man eines der vier Rädchen am Lenkrad zur einen oder anderen Seite hin. Nebst den Fahrmodi lassen sich so die Druck- und Zugstufen der Dämpfer an Vorder- und Hinterachse und das Verhalten der elektronisch geregelten, vollvariablen Quersperre separat und mehrstufig verstellen. Zudem ist die Traktionskontrolle in sieben Stufen einstellbar. Damit lässt sich das Set-up während der Fahrt effektiv an die Streckenbedingungen oder die fahrerischen Präferenzen anpassen. War die Hinterachse während unseres ersten Stints beim Herausbeschleunigen aus der Kurve noch etwas nervös, lag der Wagen anschliessend wie ein Brett auf der Strecke. Die Anpassung der Einstellung dauerte keine zehn Sekunden.
Nur unwesentlich mehr Zeit verstreicht beim Sprint von 0 auf 200 km/h, bis Tempo 100 sind es 3.2 Sekunden. Der Vierliter-Sauger ist bekannt, die sechs Einzeldrosselklappen und der starre Ventiltrieb sind die gleichen wie im GT3. Die Zylinderköpfe, die Nockenwellenprofile und der Luftfluss wurden optimiert, womit die strengsten Emissionsnormen eingehalten werden. Zudem leistet der RS etwas mehr, die 386 kW (525 PS) und 465 Nm brauchen aber viel Drehzahl, um ihre volle Magie zu entfalten. Aber auch wenn die Zahlen unbestritten sehr imposant sind, kommt man auf einer schnellen Runde mit dem Messer zwischen den Zähnen immer dann zum Durchschnaufen, wenn man die Lenkung öffnen und das Gaspedal voll durchlatschen kann. Untermalt wird diese kurze Pause von einem Konzert, dessen Fanfaren bis 9000 U/min spielen. Ohrenbetäubend. Und wunderschön.
Wirklich beeindruckend wird es auch immer dann, wenn man voll in die Eisen tritt – was man sehr, sehr spät tun kann, wie Bernhard beweist. Die Aluminium-Monoblock-Festsattelbremsen mit je sechs Kolben und einem Scheibendurchmesser von 408 Millimetern vorne und vier Kolben und 380 Millimetern hinten verzögern brachial und konsistent. Die Stabilität ist nie ein Thema, dabei helfen die verbreiterte Spur (v. 1630 mm, h. 1582 mm) und die breiten Schlappen, die Elektronik regelt überdies äusserst feinfühlig. Wobei es gar nicht so einfach ist, den maximalen Bremsdruck aufzubauen, wie die Auswertung in der erweiterten Track Precision App zeigte. Die App sammelt sämtliche Daten des Autos, für ihre Nutzung bedarf es nur eines Smartphones.
Wer auf der letzten Rille fahren will, der muss den RS auch richtig rannehmen. Am besten so, wie Timo Bernhard es macht. Der bremst in die Kurve hinein, lässt das Auto nur ganz kurz rollen und ist fast gleichzeitig wieder auf dem Gas. So wurde es auch bei ihm zuweilen etwas eng, entweder kam das Kiesbett ungewollt nahe, oder aber jeder Streckenmillimeter wurde ausgenutzt, man kann das so oder so sehen. Das Auto jedenfalls macht alles mit. Oder wie es Porsche-Werksfahrer Jörg Bergmeister sagt: «Der Traum eines jeden Rennfahrers wird wahr.»
Toll zu lesen. Porsche einfach genial. Ich würde sofort so einen neuen RS kaufen.