Nicht gefahren – Ausweis weg!

Wer betrunken fährt, dem kann der Führerausweis entzogen werden – logisch. Aber auch wer nicht fährt, kann ihn verlieren. Bereits eine anonyme Anschuldigung reicht aus.

Es gibt verschiedene Arten, wie man seinen Führerausweis verlieren kann. Die bekannte ist der ordentliche Führerausweisentzug. Er ist eine reine Verwaltungsmassnahme, die nach einer Verkehrsregelverletzung verhängt wird. Der Entzug wird für eine feste Dauer ausgesprochen, die von der Schwere des Verstosses und von der Vorgeschichte abhängt, und wird nicht immer mit sofortiger Wirkung vollstreckt. Die Behörden können jedoch auch einen Führerausweisentzug aussprechen, ohne dass ein Regelverstoss vorliegt. Das geschieht, wenn aus medizinischen, charakterlichen oder anderen Gründen Zweifel an der Fahrfähigkeit bestehen. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Sicherungsentzug. Dieser dient der Sicherung des Verkehrs. Ein solcher Entzug muss stets von einem Gutachten bestätigt werden.

Förderung des Denunziantentums

Zweifel an der Fahrfähigkeit können aus unterschiedlichen Gründen auftauchen. Wenn etwa ein Arzt oder eine Versicherung dem Strassenverkehrsamt gesundheitliche Probleme meldet, die das Verhalten am Steuer beeinträchtigen könnten, riskiert der Autofahrer, seinen Führerausweis auf Verdacht hin zu verlieren. Dasselbe gilt, wenn beispielsweise ein Nachbar das Strassenverkehrsamt über den Geruch von Cannabis aus einer nahegelegenen Wohnung informiert. Auf Wunsch der meldenden Privatperson wird dieser Vertraulichkeit zugesichert (Art. 30a der Verkehrszulassungsverordnung VZV). Das ist eine klare Einladung zum Denunziantentum und wird auch in Juristenkreisen stark kritisiert. Ebenso hat das Bundesgericht erhebliche Zweifel an dieser Praxis geäussert und betont, das Einbeziehen anonymer Aussagen in einem Administrativverfahren verstosse gegen die Rechtsstaatlichkeit (1C_356/2011). Die betreffende Bestimmung wurde bis heute trotzdem nicht für ungültig erklärt.

Erfreulicherweise zeigt sich das Bundesgericht in Bezug auf den präventiven Führerausweisentzug massvoll. So hob es den Ausweisentzug gegenüber einem betrunkenen Fussgänger auf. Er hatte aufgrund seines hohen Alkoholspiegels die Kontrolle über sich selbst verloren und damit bewiesen, dass er ein Gelegenheitstrinker war (1C_256/2011). Wenn der gleiche Fussgänger hingegen die Kon-
trolle über sich trotz seines hohen Alkoholspiegels behalten hätte, wäre ein vorsorglicher Führerausweisentzug gerechtfertigt gewesen, weil die Richter nämlich in dieser Selbstbeherrschung ein Zeichen einer Alkoholabhängigkeit erkannt hätten (Bundesgerichtsentscheid BGE 129 II 82).

Alkohol- oder Drogenkonsum kann zum Verlust des Führerausweises führen – auch ohne dass man gefahren ist!

Ist einmal der vorsorgliche Führerausweisentzug Tatsache, ist es oft schwierig, den kostbaren Schein wiederzubekommen. Eine Beschwerde ist zwar möglich, aber nur wenige Betroffene nehmen diesen Kampf auf. Zur Einreichung des Rekurses hat man nur eine Frist von zehn Tagen. Es handelt sich dabei um eine komplizierte Rechtsschrift, die für einen Nichtjuristen nicht einfach zu verfassen ist. Auch ist es schwierig, einen Anwalt zu finden, der in der Lage ist, in einer so kurzen Frist den Entscheid anzufechten. Hinzu kommt, dass der vorsorgliche Führerausweisentzug während des Rekursverfahrens in Kraft bleibt, bis das Gericht seinen Entscheid gefällt hat. Es ist deshalb oft schneller und billiger, sich den von den Behörden verlangten Expertisen zu unterziehen, auch wenn das bedeutet, während ein paar Monaten auf Alkohol zu verzichten.

Bei einem Gutachten muss der Autofahrer intimste Details seines Privatlebens offenlegen. So werden die Vorgeschichte, die Trinkgewohnheiten, die Einnahme von Medikamenten, der körperliche und geistige Zustand und die Lebensgeschichte des Fahrzeuglenkers erörtert und die persönliche, soziale und berufliche Situation des Automobilisten angeschaut. Wenn der vorsorgliche Ausweisentzug mit der Einnahme von Medikamenten, von Drogen oder mit Alkoholproblemen in Zusammenhang steht, werden auch Urinanalysen, Blut- und/oder Haarprobe durchgeführt, um herauszufinden, ob ein regelmässiger und bedeutender Konsum vorliegt, der auf eine Abhängigkeit schliessen lässt.

Der Beschuldigte bezahlt immer

Der Arzt erstellt einen Bericht, den er direkt an das Strassenverkehrsamt weiterleitet. Kommt er darin zum Ergebnis, dass die Fahrfähigkeit gegeben ist, erhält der Automobilist den Führerausweis zurück. Andernfalls gibt der Arzt an, unter welchen Bedingungen der Fahrzeuglenker den Führerausweis wieder erhalten kann. Das kann beispielsweise die Abgabe regelmässiger Urinproben sein. Die Kosten einer Untersuchung schwanken zwischen 1000 und 2000 Franken, je nach den erforderlichen Untersuchungen. Diese Aufwendungen gehen immer zulasten des Automobilisten, auch wenn die Expertise bestätigt, dass der Autofahrer fahrtauglich ist und die Anschuldigung ungerechtfertigt. Der letzte Punkt wird heftig kritisiert und ist Gegenstand parlamentarischer Vorstösse. Bis jetzt allerdings ohne Erfolg.

Der vorsorgliche Entzug des Führerausweises kann auch nach einer Verkehrsregelverletzung angeordnet werden, wie etwa beim Fahren in angetrunkenem Zustand. Kommen die Experten zum Schluss, dass der Automobilist fahrfähig ist, wird der sogenannte Warnungsentzug verhängt – ein normaler Führerausweisentzug. Die Dauer des bereits verstrichenen vorsorglichen Entzugs wird dann von der Dauer des Warnungsentzugs abgezogen. 

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