Alkohol am Steuer figuriert unter den Unfallursachen seit Jahren schon auf den vordersten Rängen. Deshalb sah eine Regelung innerhalb des Verkehrssicherheitspakets Via sicura ursprünglich vor, dass Personen, denen der Führerausweis auf unbestimmte Zeit wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand entzogen wurde, nach Durchführung einer Therapie und aufgrund einer günstigen Prognose den Führerausweis mit der Auflage zurückerhalten sollten, während fünf Jahren nur noch Motorfahrzeuge zu führen, die mit einer Atemalkohol-Wegfahrsperre ausgerüstet sind. Diese Sperre blockiert nach der Atemprobe die Zündung, wenn der Lenker alkoholisiert ist.
Von dieser Regelung möchte der Bundesrat nun absehen, wie er im Evaluationsbericht zu Via sicura vom Juni 2017 geschrieben hat. Es habe sich nach seiner Auffassung im Zuge der Vorbereitungsarbeiten gezeigt, dass der Aufwand im Vergleich zum Nutzen zu hoch sei, bemerkt die Landesregierung in ihrer Medienmitteilung und fügt hinzu, den hohen Kosten in der Entwicklung und im Betrieb der Anordnungen stünde nur eine sehr kleine Gruppe an möglichen Betroffenen gegenüber.
Bedauern bei der bfu
Diesen Entscheid des Bundesrats hatte namentlich die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) bedauert. Gemäss einer Studie darf laut bfu damit gerechnet werden, dass es mit dieser einfachen Massnahme in Kombination mit Rehabilitationsprogrammen im Strassenverkehr möglich ist, pro Jahr 3 bis 5 Todesopfer und 40 bis 60 Schwerverletzte zu vermeiden.
Ferner würden selbst Experten nicht selten daran zweifeln, dass die von ihnen als nicht mehr abhängig beurteilten Personen doch einmal wieder betrunken Auto fahren werden. Zur Erinnerung: In der Schweiz wird pro Jahr gegen 80 000 Personen der Führerausweis entzogen, davon betreffen rund 15 000 der Entzüge Alkohol am Steuer. Vor diesem Hintergrund ist eine jüngst durchgeführte Veranstaltung der bfu zu sehen, die sich mit dem Thema Kampf dem Alkohol in Form der Alkohol-Wegfahrsperre befasste.
Pioniere in Schweden
An diesem Anlass vom 17. Oktober erläuterte Pär-Ola Skarviken von der schwedischen Verkehrsbehörde (Swedish Transport Agency) das schwedische System. Schweden war das erste europäische Land, das eine Alkohol-Wegfahrsperre 1999 zuerst versuchsweise und dann definitiv eingeführt hatte.
Das ganze Programm mit der Wegfahrsperre ist in Schweden eine Administrativmassnahme. Die Justiz ist nicht daran beteiligt. Die Wegfahrsperre tritt anstelle des Führerausweisentzugs. Das momentan laufende Alkohol-Wegfahrsperre-
Programm dauert noch bis Ende 2017. Dann werden die Massnahmen bewertet.
Österreich zieht nach
Wie am bfu-Event Armin Kaltenegger vom Austrian Road Safety Board (Kuratorium für Verkehrssicherheit KFV) ausführte, startete in Österreich das Programm Alkohol-Wegfahrsperre am
1. September 2017. Seit diesem Datum erhalten alkoholauffällige Lenker die Möglichkeit, am sogenannten «alternativen Bewährungssystem mittels Alkohol-Wegfahrsperre» teilzunehmen. Umgangssprachlich werden die eingesetzten Geräte auch «Alkolock» genannt. Es handelt sich bei diesem System, gleich wie in Schweden, um eine rein freiwillige Massnahme. Betroffene können selbst entscheiden, ob sie teilnehmen wollen. Entschliessen sie sich dagegen, bleibt die Lenkberechtigung weiterhin entzogen, bis die von der Behörde vorgeschriebene Entzugsdauer abgelaufen ist. Ferner gibt es neben diesen beiden Ländern auch in Finnland, den Niederlanden und in Polen Alkoholwegfahrsperre-Programme.
Konträre Positionen
Im Rahmen der bfu-Veranstaltung mit dem Namen «Safe & Sober Talk» erklärte die Psychologin Charlotte Wunsch, sie leitet unter anderem diverse bfu-Kurse, sie habe in ihrer 25-jährigen Beratungstätigkeit die Erfahrung gemacht, dass derjenige, der alkoholisiert fahren wolle, das tue, ob er dürfe oder nicht. Claudio Reich vom Strassenverkehrsamt Graubünden bemängelte seinerseits an der Wegfahrsperre, dass auch Unschuldige von der Sperre betroffen sein könnten. Etwa wenn das Auto im Eigentum eines Ehepaars steht und nur einer von beiden der Wegfahrsperre unterliegt.
In einem solchen Fall dürfe auch der andere nicht fahren und das sei unbefriedigend. Oder Personen, die das Auto aufgrund ihres Berufs pro Tag sehr oft bräuchten und jedes Mal zuerst ins Gerät blasen müssten, verlören damit viel Zeit. Hier wurde Verbesserungspotenzial geortet. Ob das Parlament den Vorschlägen des Bundesrats in dieser Angelegenheit folgt, ist heute eine Gleichung mit vielen Unbekannten.
AO