Wenn Alpina bergwärts fährt, brauchen das nicht gleich die Alpen zu sein. Die aktuellen Produkte aus der BMW-Veredelungsschmiede mit Herstellerstatus im ostallgäuischen Buchloe (D) standen Ende Juni am Bilster Berg startbereit in der Pitlane. Zum Credo der Marke zählt seit jeher die Multitasking-Fähigkeit: Alpina-Modelle werden für sportlich orientierte Vielfahrer mit hohen Komfortansprüchen gebaut, sollen jedoch auch auf der Rennstrecke eine gute Figur machen.
Im Diesel auf Rennkurs
Neustes Beispiel ist die Dieselvariante D4 S Gran Coupé, die dieseltypisch haushälterisch mit dem Treibstoff umgeht, daneben aber auch – dieseluntypisch – auf der Rennstrecke mithält. Ihr Dreiliter-Reihensechszylinder mit BMW-Mildhybridtechnik sorgt mit 261 kW (355 PS) für ein eindrückliches Fahrerlebnis, wie einige Runden mit dem Neuling auf dem anspruchsvollen Rundkurs Bilster Berg bewiesen.
Wie in den meisten Dieselautos ist es auch im D4 S in erster Linie das bullige Drehmoment, das begeistert, zumal es mit 730 Nm extrem üppig ist und zudem schon bei weniger als 2000 U/min zur Verfügung steht. Und da sowohl die Hoch- als auch die Niederdruckstufe des Aufladesystems eine variable Turbinengeometrie aufweisen, profitiert man beim Beschleunigen von spontanem Ansprechen und geschmeidigem Leistungsaufbau. Das aufwendige Kühlsystem mit elektromechanischer Kühlmittelpumpe sorgt zusammen mit dem Ladeluftkühler auch unter Volllast für thermische Stabilität. Die Kraftübertragung wird vom Achtgang-Wandlerautomatikgetriebe von ZF übernommen. So ist der Sprint von 0 auf 100 km/h in 4.8 Sekunden möglich, als Höchstgeschwindigkeit nennt der Hersteller 270 km/h – was aber auf der Strecke am Bilster Berg nicht zu überprüfen war.
Stets auf allen Vieren
Charakteristisch für den Allradantrieb, der auf dem X-Drive-System von BMW basiert, ist die vollvariable Momentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse. Passend zum Charakter eines Alpina-Modells ist sie deutlich hinterachsbetont, und zudem sorgt ein elektronisch geregeltes Hinterachssperrdifferenzial für bestmögliche Traktion bei zügiger Kurvenfahrt. Ebenfalls förderlich für das Querdynamikpotenzial ist der grosse Negativsturz von 1.25 Grad an der Vorderachse.
Alpina-spezifisch sind an diesem Fahrzeug ausserdem die Abstimmung des Sportfahrwerks – inklusive Bereifung – sowie die Regelalgorithmen der Fahrdynamiksysteme. Die 20-Zoll-Schmiederäder Alpina Classic im markentypischen 20-Speichen-Design zählen mit zu den bestimmenden optischen Merkmalen der Karosserie. Das D4 S Gran Coupé ist voraussichtlich ab Ende September lieferbar.
Auch im Hinblick auf niedrige Verbrauchswerte und geringe Schadstoffemissionen betreibt Alpina seit Jahren grossen Aufwand. Der D4 S rückt den Emissionen, im Besonderen den Stickoxiden, mit Oxidationskatalysator und einer SCR-Beschichtung im Partikelfilter sowie einem motornahen SCR-System und zwei SCR-Katalysatoren mit Adblue-Einspritzung zu Leibe. Der WLTP-Verbrauchswert beträgt 6.9 l/100 km, was einem CO2-Ausstoss von 182 g/km gleichkommt.
Alleskönner B4 Gran Coupé
Zu den neuen Kreationen aus Buchloe gehört auch das Alpina B4 Gran Coupé. Optisch wirkt der mit 20-Zöllern und speziellen Alpina-Aerodynamikkomponenten ausgestattete Viertürer nicht nur sehr sportlich, sondern dank perfekter Proportionen auch besonders elegant. Mit dem Dreiliter-Reihensechszylinder und zwei Monoscroll-Turboladern mit strömungsoptimiertem Turbinengehäuse liefert die Coupé-Limousine ein maximales Drehmoment von 730 Nm – 30 Nm mehr als bisher – und eine Höchstleistung von 364 kW (495 PS), was gegenüber dem Vorgänger eine Steigerung um 33 PS bedeutet. In der Tuning-Kur waren auch die Ansaugluftführung und der Ladeluftkühler. Das mächtige Drehmoment, das schon bei niedrigen Drehzahlen den Maximalwert erreicht, wird über das Automatikgetriebe auf alle vier Räder verteilt. Um noch schnellere Gangwechsel zu ermöglichen, wurden im ZF-Getriebe Wandler und Radsatzbestückung weiter verstärkt. Schaltungen erfolgen wahlweise automatisch oder manuell über die kleinen Wippen am Lenkrad. Als Beschleunigungszeit auf 100 km/h gibt Alpina 3.7 Sekunden an, die Höchstgeschwindigkeit soll bei 301 km/h liegen.
Trotz des hohen Leergewichts von 1.9 Tonnen sorgt der aufgeladene Reihensechszylinder in jeder Fahrsituation für viel Leistungsreserven, zumal sowohl das Drehmomentmaximum als auch die Leistungsspitze über ein breites Drehzahlband vorliegen. 730 Nm werden von 2500 bis 4500 U/min und 495 PS von 5000 bis 7000 U/min geliefert. Damit stellen weder steile Rennstreckenabschnitte noch tückische Kurvenfolgen ein Problem dar. Gute Arbeit kann nämlich auch den Fahrwerkingenieuren bescheinigt werden. Die straffe Feder-Dämpfer-Abstimmung harmoniert perfekt mit der High-Performance-Bereifung, und die Lenkung macht sehr präzises Einlenken möglich.
Die zweite ausgeprägte Alpina-Expertise ist der Komfort. Er soll in jedem Modell inbegriffen sein. So sind unter anderem Sitz- und Lenkradheizung sowie das Fahrassistenzsystem Driving Assistant vorhanden, und auf Wunsch lässt sich das Interieur individuell gestalten, beispielsweise mit der Lavalina-Lederausstattung, die aus der hauseigenen Sattlerei stammt. Die Auslieferung des neuen B4 Gran Coupés beginnt bereits in den kommenden Wochen.
B3 als Limousine und Kombi
Mit dem gleichen Antriebsstrang wie das B4 Gran Coupé kommt der aktualisierte B3 daher, voraussichtlich ab Oktober. Optisch unterscheidet sich die Modellüberarbeitung durch kleinere Exterieur-Modifikationen und durch das neue Scheinwerferdesign. Im Innenraum fällt die jüngste Generation des Infotainmentsystems I-Drive mit grossem Curved Display auf. Die Fahrleistungen beziffert Alpina mit 3.6 Sekunden für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h und 305 km/h für die Höchstgeschwindigkeit im Fall der Limousine. Mit 3.7 Sekunden und 302 km/h bleibt die Touring-Version nur wenig zurück. Auch fahrdynamisch steht sie der Limousine in nichts nach.
Der BMW-Deal und die Zukunft von Alpina
Das Traditionshaus Alpina, am 1. Januar 1965 von Burkard Bovensiepen als Tuning-Unternehmen gegründet und seit 1983 offiziell mit Herstellerstatus, kommt Ende 2025 unter das Dach der BMW-Gruppe. Den Verkauf verstehen die beiden geschäftsführenden Brüder Andreas und Florian Bovensiepen als «frühzeitige Reaktion auf die sich stetig verschärfenden gesetzlichen Rahmenbedingungen». Durch die politisch verordnete Transformation in Richtung Elektromobilität und die weltweit zunehmenden gesetzlichen Anforderungen steigen die Kosten und damit auch das Risiko für Kleinserienhersteller. Immerhin rechnen die Bovensiepens für eine Modellneuentwicklung mit zehn bis 15 Millionen Euro. «Ausserdem entfallen in einigen Ländern auch schon die Erleichterungen für Kleinserienhersteller», hält Andreas Bovensiepen fest. Im vergangenen Jahr produzierte Alpina mit 300 Mitarbeitern rund 2000 Fahrzeuge, die hauptsächlich in die USA, nach Deutschland und nach Japan geliefert wurden.
Nun haben sich die beiden Chefs also in Anbetracht der jahrzehntelangen vertrauensvollen Partnerschaft zwischen Alpina und BMW und nach reiflicher Überlegung im Kreis der Familie entschlossen, für die Marke Alpina eine sichere Zukunft zu schaffen und die Markenrechte an BMW zu verkaufen. Der seit Langem bestehende Kooperationsvertrag wird Ende Dezember 2025 auslaufen, eine enge Verbundenheit soll jedoch weiter gepflegt werden. Die Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungsdienstleistungen dürfte laut Andreas Bovensiepen sogar noch intensiviert werden.
Noch immer gute Auftragslage
Das Alpina-Geschäft wird bis Ende 2025 weitergeführt wie bisher. Unverändert bleibt auch die Zusammenarbeit mit Händlern und Importeuren. Wie die Brüder betonten, geht es aber nach 2025 weiter mit der Firma Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG als Familienunternehmen, zuerst mit der Marke Alpina Classic. Der Standort Buchloe wird dann für Heritage-Zwecke, also für den Ausbau des Classic-Geschäfts, genutzt.
«Derzeit laufen die Geschäfte von BMW Alpina hervorragend», berichtete Florian Bovensiepen. Eine grosse Nachfrage bestehe auch, weil vor dem Hintergrund der immer rigideren Emissionsgrenzwerte viele grosse Hersteller Sechs- und Achtzylindermotoren aus dem Programm nähmen. Dabei sei die Kundennachfrage für solche Motoren ungebrochen hoch.
Alpina wird weiterleben
Wenn BMW ab 2026 mit der Marke Alpina das Angebot im Luxussegment ausweitet, wird der Standort Buchloe voraussichtlich in vier Geschäftsfelder aufgeteilt.
- Unter der Marke Alpina Classic wird sich das Unternehmen verstärkt seiner Geschichte widmen – mit Neuauflagen von Classic-Teilen und Classic-Zubehör sowie dem Einstieg ins Geschäft mit jüngeren und älteren Alpina-Fahrzeugen.
- Der aktuelle Produktionsbereich Ersatzteilversorgung und Serviceangebote wird ab 2024 Zug um Zug in einen Dienstleistungsbereich umgewandelt. Selbstverständlich bleiben Ersatzteilversorgung und Service für Alpina-Modelle in Buchloe sichergestellt.
- Mit Alpina Engineering wird die Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungsdienstleistungen für Modelle der BMW-Gruppe ausgebaut. Das Know-how und die Engineering-Expertise des Familienunternehmens sind künftig aber auch Dritten zugänglich.
- Schliesslich beschäftigen sich weitere Pläne mit neuen Mobilitätsangeboten und ausserdem, so wurde angedeutet, könnte der Name Bovensiepen ab 2026 in neuem Zusammenhang auftauchen.
Last but not least setzt das Unternehmen auch in Zukunft auf sein zweites, starkes Standbein: den Wein. Der von der Familie Bovensiepen betriebene Weinhandel unter dem Namen Alpina Wein GmbH + Co. KG ist vom Verkauf der Marke Alpina an BMW selbstverständlich nicht betroffen.