Optisch ist er gewöhnungsbedürftig, der Toyota BZ4X. Das Design spricht wieder eine ganz neue Sprache, was wiederum nichts Neues ist, schliesslich sind die Japaner meist deutlich weniger konsistent, was die Modellgestaltung angeht, als man sich das von den europäischen Herstellern gewohnt ist. Im BZ4X fallen rundherum die grossen Flächen auf, die durch scharf gezogene Kanten ineinander verwoben sind. Alles erinnert an eine Mischung aus RAV4 und Lexus. Auch technisch gibt es reichlich Gemeinsamkeiten zwischen dem BZ4X und dem kürzlich präsentierten Lexus RX, was nicht erstaunlich ist, schliesslich bauen sie beide auf der neuen E-TNGA-Plattform auf.
Die neue Plattform wurde exklusiv für batterieelektrische Fahrzeuge entwickelt und soll dank ihrer Flexibilität in Zukunft in einer Vielzahl von Modellen eingesetzt werden. Die Hochvolt-Batterie ist als strukturelles Element in den Unterboden integriert und trägt zur Versteifung des Chassis bei. Die Fixpunkte der Plattform sind die Position der Motoren an der Vorder- und bei Bedarf an der Hinterachse, die Sitzposition des Fahrers relativ zur Vorderachse und die Breite des Batteriepakets. Der Radstand und die Länge der Batterie können variieren in Abhängigkeit von der Anzahl verbauter Batteriezellen. So kann die Palette der BZ-Modelle in den kommenden Jahren laufend erweitert werden. Auch die Nomenklatur der Modelle ist darauf ausgerichtet, wie Toyota erklärt: «BZ steht für Beyond Zero, also für alle unsere rein elektrischen Modelle, das 4 für die Fahrzeuggrösse und das X markiert einen Crossover.» Das Fundament für den Ausbau der neu geschaffenen Elektromarke BZ ist also gelegt.
Und obwohl – oder gerade weil – sich Toyota lange Zeit als Zauderer gegeben hat, was Elektroautos angeht, und den Eindruck erweckte, man arbeite direkt an der Einführung der Feststoffbatterie, sollen jetzt keine Zweifel mehr aufkommen, dass man es ernst meint. Die Überwachung der 71.4 kWh grossen Lithium-Ionen-Batterie soll so ausgereift sein, dass Toyota auf die Batterie eine Garantie von zehn Jahren gibt, die im Basispreis von 49 900 Franken bereits inklusive ist. Nicht inklusive ist hingegen – für die heutige Zeit etwas unverständlich – das Navigationssystem. Dafür muss die teurere Ausstattungslinie Style bestellt werden, die mindestens 53 900 Franken kostet. Soll noch der Allradantrieb hinzukommen, werden noch einmal 2500 Franken mehr fällig.
Grosses Auto, viel Platz
Für diesen Preis gibt es aber viel Auto: Der BZ4X, der gewissermassen als elektrischer RAV4 gilt, bietet dank des grossen Radstands von 285 Zentimetern ein deutlich geräumigeres Inneres als sein Verbrenner-Pendant bei vergleichbaren Abmessungen. Auch für fünf Erwachsene bietet das SUV genügend Platz, und dank des durchgehend flachen Bodens sitzt es sich bei Vollbesetzung auch auf der Rückbank angenehm. Dem zugute kommt die Kniefreiheit hinten und vorne. Die Entscheidung der Interieurdesigner, auf ein Handschuhfach zu verzichten, sorgt für ein angenehmes Raumgefühl für den Beifahrer. So richtig praktisch ist das aber trotzdem nicht, es fehlt ein geeigneter Ort, um Fahrzeugpapiere, Parkscheibe und Servicemappe unterzubringen, zumal die Ablagemöglichkeiten auch sonst eher beschränkt sind. Die massive Mittelkonsole frisst unnötig Platz, der für Stauraum genutzt werden könnte. Da bieten die Mitbewerber effizienter Lösungen, die Vorteile der flachen Batterie im Unterboden zu nutzen. Der Kofferraum ist mit einem Ladevolumen von mindestens 452 Litern etwas kleiner als in einem RAV4 und leidet unter dem Problem so vieler neuer SUV: Die flache Heckscheibe sieht zwar elegant aus und verbessert den Luftwiderstand, sie beschneidet aber auch das Kofferraumvolumen. Einen Frunk unter der vorderen Haube gibt es nicht, die Ladekabel können in einem Fach unter dem Ladeboden im Kofferraum verstaut werden.
Könnte man den BZ4X von aussen auf den ersten Blick für einen Lexus halten, so passiert das im Inneren sicher nicht. Hier zeigt sich der Toyota zu Recht bodenständig. In der Basisvariante gibt es Stoffsitze, in den höherwertigen Ausstattungen immerhin Teilleder – Kunstleder natürlich, wie es sich heute gehört für ein ökologisch korrektes Auto. Am Armaturenbrett findet eine Kombination aus Plastik, Klavierlack und Stoffbezügen Verwendung, wobei vor allem der Einsatz von Hartplastik sehr grosszügig ausfällt. Ins Auge sticht die einzig- und eigenartige Konstruktion rund um Lenkrad, Lenksäule und Instrumententräger. Die Platzierung des hochauflösenden, digitalen Kombiinstrumentes ausgegliedert über dem Armaturenbrett ist gewöhnungsbedürftig, hat aber den grossen Vorteil, dass die relevanten Anzeigen immer im Blickfeld sind. So kann Toyota im BZ4X sogar komplett auf ein Head-up-Display verzichten, der Mehrwert wäre vermutlich gering.
Kräftig und direkt
Die Verbundenheit des BZ4X mit dem RAV4 weckt auch gewisse Erwartungen: Die erfüllt das SUV mit seiner Geländegängigkeit, einer spezifischen Allradsteuerung und einer Wattiefe von 50 Zentimetern. Dank des X-Mode gibt es unter anderem einen Offroad-Tempomaten und einen Bergabfahrassistenten.
Während sich offroad eine Kompetenz beweisen lässt, so muss ein Auto am Ende auf der Strasse überzeugen. Der BZ4X hat keine sportlichen Ambitionen, ist in der von uns gefahrenen Allradversion aber doch recht zügig unterwegs. Er zieht kräftig an, 6.9 Sekunden für den Sprint von 0 bis 100 km/h wären vor nicht allzu langer Zeit noch ein sportlicher Wert gewesen. Heute sind sie dank zweier Elektromotoren mit einem Drehmoment von 336 Nm normal. Bis Autobahntempo geht das auch ganz ruhig, erst bei höheren Geschwindigkeiten nehmen die Windgeräusche überhand. Die Lenkung ist präzise und auch um die Mittellage direkt. Das Gewicht von knapp zwei Tonnen macht sich durchaus bemerkbar, daran hat man sich ja – leider – gewöhnt. Über der Vorderachse bauen der Elektromotor und darüber die Leistungselektronik ähnlich hoch wie ein Verbrennungsmotor. Um die Batterie so flach wie möglich bauen zu können, wurde ein grosser Teil der Hochvoltkomponenten in eine eigene Einheit unter der Haube ausgelagert. Das hebt aber den Schwerpunkt noch einmal etwas höher, als er zwangsläufig schon ist. Das Fahrwerk mit Einzelradaufhängung vorne und hinten, wie es bei der E-TNGA-Plattform serienmässig ist, ist gut abgestimmt, sodass der BZ4X satt auf der Strasse liegt. Die Steer-by-wire-Technologie ist, wie auch für den Lexus RX, noch nicht homologiert, soll aber im nächsten Jahr folgen.
Anstelle eines B-Modus, wie man ihn unter anderem aus den Hybridmodellen von Toyota kennt, gibt es im BZ4X einen Schalter, mit dem sich die Rekuperation verstärken lässt. Beim Loslassen des Gaspedals verzögert das Auto mit bis zu 0.15 g, was nicht ausreicht, um Ein-Pedal-Fahren zu ermöglichen. Toyota gibt für den BZ4X AWD einen sehr tiefen Verbrauch von 15.9 kWh/100 km an, für die Variante mit Frontantrieb sogar 14.3 kWh/ 100 km. In der Realität pendelte sich auf der rund 100 Kilometer langen Strecke mit Stadtverkehr und hohem Landstrassenanteil der Verbrauch bei 18 bis 19 kWh/100 km ein. Das ergibt eine Reichweite von 375 bis 400 Kilometern. Nachladen ist am Gleichstromanschluss mit bis zu 150 kW möglich, 80 Prozent sollen in unter 30 Minuten erreicht sein. Der Onboard-Charger für Wechselstrom lässt eine Ladung mit elf Kilowatt zu. Die ersten Fahrzeuge waren noch mit einem Sechs-Kilowatt-Charger ausgerüstet, wer jetzt einen BZ4X bestellt, erhält aber bereits das Elf-Kilowatt-Ladegerät. Die Auslieferung ist für Herbst vorgesehen.