Japanische Legenden

Jungs der Nuller-Jahre träumten dank «Fast and Furious» nicht mehr von deutschen und italienischen Sportwagen, sondern von japanischen. Wir haben drei Legenden wiedervereint.

Vier Turbolader in drei Autos – und der Honda NSX hat keinen davon. Die anderen beiden Autos haben also je deren zwei: der Toyota Supra und der Nissan Skyline R34. Auch sonst sind die drei Japaner so unterschiedlich und doch so unzertrennbar miteinander verbunden für alle Tuningfans und Millenials, die mit den «Fast and Furious»-Filmen und Need-for-Speed-Games gross geworden sind. Nissan Skyline, Toyota Supra, Honda NSX: Die drei Autos standen für die heilige Dreifaltigkeit der japanischen Sportwagenentwicklung, für die Herausforderer gegen die gestandenen, etwas angestaubten und überteuerten europäischen Sportwagenbauer. Und sind auch genau deswegen zu einem ikonischen Paradoxon geworden, denn eigentlich waren nicht alle von ihnen besonders sportlich, es waren nicht alle besonders günstig, und obwohl sie der Inbegriff für Tuning sind und waren, wollen heute doch alle möglichst originale, unverbastelte Modelle.

Aber die europäischen Hersteller hatten um die Jahrtausendwende ein Problem. Porsche hatte den fantastischen 993 abgelöst durch den ungeliebten 996 und parallel dazu die erste Generation des Boxster lanciert. Ferrari mangelte es nach der Einstellung des F50 an einem Leuchtturmmodell, Mercedes hatte ausser dem veralteten SL keinen Sportwagen im Angebot, und BMW arbeitete noch am Nachfolger für den E36 M3. Begeistert von «Fast and Furious» schielte die Jugend plötzlich nach Japan, auf die Motoren, um die sich Legenden von 1000 und mehr PS zu spinnen begannen. Als «The Fast and the Furious» im Jahr 2001 Millionen junger Männer in die Kinos zog, war aber eigentlich die Ära von Supra, Skyline und NSX schon so gut wie vorüber, die Produktion wurde 2002 eingestellt. Der NSX erhielt zwar noch ein Facelift ohne Klappscheinwerfer, das bis 2004 weiter produziert wurde, an das sich aber heute kaum mehr jemand erinnert.

Japan Domestic Market

Der Nissan Skyline R34 von Marco Fanconi hat Jahrgang 2002 und ist damit einer der letzten gebauten Skyline. Es ist ein Name, der die Kinder der 1990er-Jahre, also die Jungs der Nuller-Jahre, träumen liess und der sich bei nicht wenigen ins Gehirn gebrannt hat als Synonym für JDM. Japan Domestic Market: Diese Autos waren nie für den Export bestimmt. Der Begriff stammt aus den USA, wo es dank protektionistischer Gesetze so gut wie keine Möglichkeit gab und gibt, ausländische Fabrikate zu importieren, die jünger als 25 Jahre sind. So existieren bloss eine Handvoll R34 in den USA, was den Mythos um den Hauch des Illegalen erweiterte und auch auf die Wahrnehmung in Europa abfärbte. Auch der perlweisse Skyline von Fanconi ist ein Import aus Japan. Da das Modell nie für den Export vorgesehen war, ist er ausschliesslich als Rechtslenker erhältlich.

Und wer einmal auf dieser falschen Seite des Autos Platz genommen hat, bemerkt gleich die nächste Einzigartigkeit. In einer Zeit, in der es hierzulande üblicherweise Monochrom-Displays und in der Oberklasse erste Navigationssysteme mit Farbbildschirm gab, hatte der Skyline bereits eine ganze Playstation eingebaut. Auf dem zentralen Bildschirm lassen sich von der Abgastemperatur bis zur Einspritzzeit verschiedenste Werte anzeigen, die niemanden interessieren, der es sich nicht zum Hobby gemacht hat, mit seinem maximalen Ladedruck vor seinen Freunden anzugeben. Aber eigentlich ist allein die Tatsache, dass das Auto so etwas kann, Grund genug, um damit anzugeben. Die mit Stoff überzogenen Sitze und Türverkleidungen, die direkt aus einem Nissan Sunny stammen könnten, und das hochmoderne Infotainment machen den Innenraum des Skyline zu einem Amalgam verschiedener Epochen und unterschiedlicher Anforderungen.

Nicht minder legendär als das Auto ist auch sein Motor, der RB26DETT. Auch das ist eine Kombination aus Zahlen und Buchstaben mit besonderer Bedeutung: ein Hubraum von knapp 2.6 Litern, dazu zwei obenliegende Nockenwellen (D), Saugrohreinzspritzung (E) und ein Twinturbolader (TT). Aufgrund eines Gentleman’s Agreement leistet das Aggregat bloss 280 PS. Mit den Geschichten der 1000-PS-Skyline im Hinterkopf ist aber jedem Fan klar, dass da noch deutlich mehr geht. Das hat auch Marco Fanconi bewiesen, dem dieses Exemplar gehört. Der Motorraum sieht aus wie aus einem «Fast and Furious»-Film. Der längs verbaute Reihensechszylinder füllt den Platz unter der Haube schon satt aus, daneben sind noch die beiden Turbolader gepfercht. Und beim Auto von Marco Fanconi kommen noch zwei offene Luftfilter und ein Wastegate-Ventil im Ansaugtrakt dazu. «Die werde ich als nächstes eintragen lassen, zusammen mit dem Chiptuning», meint er – hoffnungsvoll.

Vor 30 Jahren modern

Zehn Jahre trennen den NSX vom Skyline. Mit Erstzulassungsjahr 1992 ist der Honda, mit dem Josef «Joe» Setz und Martin Marthaler am Start stehen, eines der ersten Modelle, die in die Schweiz geliefert wurden. Man sieht und merkt dem Auto das Alter nicht an, nicht nur weil es top gepflegt ist. Mit dem Dreiliter-Saugmotor setzte Honda vor 30 Jahren zum ersten Mal das VTEC-System in Kombination mit einer doppelten Nockenwelle ausserhalb Japans ein. Der querliegende V6-Mittelmotor sorgte für ein Handling, das dem eines Porsche dieser Zeit in nichts nachstand. Und auch heute nicht nachsteht. Mit den 274 PS, die der NSX bei seiner Lancierung vor über 30 Jahren stemmte, figurierte das japanische Coupé in der Sportwagenliga, auch wenn das heute ein Wert ist, den jeder halbwegs sportliche Kompaktwagen auch abliefert. Damals aber war der NSX – für einen Honda – nicht nur richtig teuer, sondern auch modern. So gab es eine Klimaanlage und sogar eine elektrische Sitzverstellung. Das wirkte sich auch auf die Preisgestaltung aus. Mit einem Einstiegspreis, der sich problemlos mit Porsche-Preisen messen konnte, hielten sich die Verkaufszahlen des NSX in Grenzen. Auch war Honda äusserst selektiv, was die Belieferung der Händler anging. Heute bedeutet das: Hohe Preise für alle, die auf der Suche nach einem NSX sind.

Es sind Zahlen, die sich kaum ins richtige Umfeld rücken lassen. Joe Setz und Martin Marthaler sind mit einem Auto aus dem Showroom da. «Ein Kundenfahrzeug, das wir bisher nicht verkaufen konnten.» Und das bei 80 000 Kilometern für 80 000 Franken. Inzwischen habe das Fahrzeug aber einen Abnehmer gefunden, meint Setz. Kein Wunder, angesichts des fast tadellosen Zustands, einzig dem Sitzleder sieht man sein Alter von über 30 Jahren an. «Die Abgasanlage ist nicht die originale, sondern eine Remus-Anlage von damals», ansonsten präsentiert sich das Auto wie frisch ab Werk. Ein wenig überrascht es dann doch, dass der NSX nicht Joe Setz selber gehört. Setz, der zwar nie Mechaniker gelernt hat, aber seit seiner Kindheit an Autos schraubt, während der Schule im Ferienjob in einer Garage gearbeitet hat und im Alter von 15 Jahren sein erstes Viertelmeilenrennen gefahren ist, steht eher auf Amerikaner. Hubraum vor Drehzahl – daran können auch die fast unglaublichen 9000 U/min, die der V6 des NSX dreht, nichts ändern.

Der Erste und für lange Zeit Letzte

«Im Gegensatz zu NSX und Skyline ist der Supra ein Sofa», sagt Oli Meier lachend. Er hat seinen Mk IV, wie die vierte Generation der Supra heisst, vergangenen Sommer gekauft, sozusagen als ganz persönliches Gegengewicht zum Lockdown. Mit dem komfortablen Gestühl, der gemächlichen Viergang-Wandlerautomatik und dem für damalige Verhältnisse hohen Leergewicht von 1.6 Tonnen mag sich das heute so anfühlen. Mitte der 1990er-Jahre, als Toyota die vierte Generation des Supra lancierte, war er aber ein echter Sportwagen – der erste und für lange Zeit letzte von Toyota. Während NSX und Skyline immer Exklusivitäten waren, die es nicht einfach bei jedem Händler im Showroom gab, war der Supra nicht limitiert. Der Absatz hielt sich trotzdem in Grenzen, schliesslich waren die über 70 000 Franken ein stolzer Preis für einen Toyota. Während in Europa ausschliesslich der Targa angeboten wurde, gab es ihn in der Schweiz auch – beziehungsweise vor allem – als Coupé. Und die Schweizer Version wartete mit einer weiteren Eigenheit auf: Der eindrückliche Heckflügel, gewissermassen das Markenzeichen des Supra, war in der Schweiz nicht zugelassen. Damit fehlte auch der aktive Frontspoiler. Der Kenner sieht daran auch den Unterschied zu einem originalen Flügel mit einem Blick auf die Front, denn auf den ausfahrbaren Frontspoiler wird beim Nachrüsten meist verzichtet. Die 19-Zoll-Felgen sind übrigens das nächste, was Oli in Angriff nehmen will. Viel zu gross wirken sie im Vergleich zu den originalen 17-Zöllern.

Da der Supra in seiner gröberen Variante explizit für den Export gebaut wurde, fühlte man sich dem 280-PS-Agreement nicht verpflichtet. Das macht den Supra im Grunde zur stärksten der drei japanischen Legenden, denn der Dreiliter-Reihensechszylinder mit zwei Turboladern leistet 330 PS bei 5600 U/min und ein Drehmoment von 441 Nm. Alternativ zur Wandlerautomatik bot Toyota ein Sechsgang-Getriebe an, das deutlich beliebter war bei der Kundschaft, da es besser zum Sportwagencharakter passte. Die Preise für schöne Exemplare mit Handschaltgetriebe haben in den vergangenen Jahren denn auch noch einmal deutlich stärker angezogen als für den Supra allgemein.

20 Jahre ist es her, dass die Produktion der drei japanischen Legenden eingestellt worden ist. In der Zwischenzeit haben es alle drei Hersteller erneut versucht. Es wäre falsch, zu behaupten, das sei ein erfolgloses Unterfangen gewesen, schliesslich waren beziehungsweise sind alle drei Nachfolger ganz fantastische Autos. Aber der Nimbus, der die Vorgänger aus den 1990ern umgibt, bleibt unerreicht.

Marco Fanconi hat seinen Nissan Skyline direkt aus Japan, der Honda NSX stand bei Martin Marthaler und Joe Setz im Showroom, Oli Meier hat sich den Toyota Supra
im ­vergangenen ­Sommer geleistet (v. l.).

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