Die T-Klasse fungiert bei Mercedes unter den Vans, und als zivilisiertes Nutzfahrzeug kommt sie im Prinzip auch daher. Wer genau hinschaut, erkennt den Renault Kangoo und liegt damit natürlich richtig. Das Auto von Kooperationspartner Renault hat derweil bei den Schwaben eine Teutonisierung durchlaufen. Im Innenraum verrät augenscheinlich die Armaturentafel mit ihren Turbinendüsen als Luftausströmer die Familienzugehörigkeit. Auch der Neue trägt zudem in altbekannter Tradition eine «W mit Nummer»-Bezeichnung. Und der W 420 trägt seinen Stern am Kühlergrill selbstbewusst und überzeugend. Die Front wirkt eigenständig und ist nicht bloss ein Abklatsch des Kooperationspartners. Trotzdem wirkt das Auto wie aus einem Guss, was erfreulich ist und gefällt. Sehr wohltuend ist auch, dass Mercedes auf Extra-Bling und anderen, schlimmstenfalls auch noch nutzlosen Zierrat am sonst eher nüchternen Nutzfahrzeug verzichtet hat. Der T ist gekonnt aufgehübscht und stünde, gäbe es seinen Bruder Citan als blechernen Lastesel und natürlich den Kangoo nicht, völlig unhinterfragt und unbelastet im Ludospace-Universum. In Sachen Materialwahl und Verarbeitung verlangt der T höchstens etwas Nachsicht, wenn man vom oberen Ende des Mercedes-Modellportfolios auf ihn herabschaut. Der Wagen wirkt, ein Kernpunkt angesichts seiner bescheidenen Herkunft, aus kaum einem Winkel betrachtet billig und ist definitiv nirgendwo nachlässig gemacht.
Der Innenraum gibt sich durchaus PW-artig. Allerdings sind die Armaturen immer noch analog, und einige typische Mercedes-Merkmale wie der Automatik-Wählhebel am Lenkrad fehlen. Das Getriebe wird ganz konventionell über den mechanischen Wählhebel in der Mittelkonsole bedient.
Gallischer Pragmatismus
Eine rustikalere Anmutung ginge für den T-Van in Ordnung. Von einer Klasse zu sprechen, scheint hingegen übertrieben, auch wenn der sehr deutlich auf Familien abzielende Ludospace – so heisst die Fahrzeugklasse im Herkunftsland des T – im Markt tatsächlich als Premium Small Van positioniert wird. Mercedes macht kein Hehl daraus, dass dieser den Einstieg in die Mercedes-Welt darstellen soll.
Um auf den Geschmack zu kommen, haben wir uns den T 180 mit Benzinmotor zur Brust genommen. Der erste Eindruck nach dem Losfahren ist der eines durchaus kultivierten Autos. Der 1.3-Liter-Turbomotor mit 96 kW (131 PS) findet im Siebengang-DSG einen guten Sparringpartner. Das Vorankommen ist kein Akt des Rasens, aber ein Gefühl von Leistungsmangel kommt nicht auf. Motor und Antrieb sind wie die gesamte Grundstruktur des Autos 1:1 von Renault übernommen worden, Mercedes will allerdings einiges an Feintuning am Fahrwerk vorgenommen haben. Wie oft bei einem Auto dieser Fahrzeugklasse ist die Sicht nach vorne durch die weit vorgezogenen, massiven A-Säulen etwas eingeschränkt respektive gewöhnungsbedürftig. Danach hat es sich aber mit Sich-darauf-einstellen. Mit fast flach abgeklappter Rückbank verspricht Mercedes rund 2.1 Kubikmeter Laderaum, Isofix gibt es hinten zweimal und ein drittes Mal auf dem Beifahrersitz. Mit Kind und Kegel, Hund oder Katze oder wie wir mit zwei Mountainbikes, aufrecht im Laderaum an einer an den Rücklehnen eingehakten Fixierleiste ingeniös festgezurrt, fährt es sich im Van bequem um Kurven, durch Dörfer und Wälder. Ja, selbst auf der Autobahn macht er Figur, für unsere Verhältnisse – wir waren in Deutschland unterwegs – passte der Motor ohnehin. Seine Leistungsentfaltung ist recht linear, der Durchzug passabel und die Geräuschentwicklung dabei sehr im Rahmen. Das angepasste Infotainmentsystem MBUX hilft derweil bei der Navigation über verschlungene Wege, ein echter Vorteil des T im Vergleich zu seinem direkten Verwandten.
Wer also partout nicht mit einem echten Franzosen gesichtet werden möchte, kann durchaus diesen falschen Deutschen ins Auge fassen. Und falls es mit der Familie doch nicht so recht klappen will, mag manch einer, der mittlerweile das aufrechte Sitzen schätzt und zu den treuen, älteren Sterne-Kunden zählt, sich den T gönnen. Ein Mercedes bleibt ein Mercedes, n’est-ce pas?