Im Automobilbereich wird der Begriff Premium beinahe schon inflationär beansprucht. Doch reicht es bei all den heutigen Möglichkeiten, wenn dabei viel Technologie für viel Geld in hübsche Materialien gepackt wird? Nein, sagt Genesis, weshalb deren Kunden in den Genuss eines fünfjährigen Rundum-sorglos-Pakets kommen. Um langfristig in Europa, dem Premiummarkt schlechthin, Fuss fassen zu können, «übernehmen wir die unangenehmen Dinge in Verbindung mit dem Autobesitz», sagt Piergiorgio Cecco, Operations Manager bei Genesis Schweiz. Dominique Boesch, Managing Director von Genesis Europe ergänzt: «Die Zukunft des Elektroautos handelt nicht nur von Antriebssträngen oder Batteriegrössen, sondern von einer Revolution, wie wir Autos bauen und vertreiben.»
Als Kunde darf man sich damit aufs Wesentliche konzentrieren: das Fahren. Das kann der GV60, das erste E-Modell, mit kleinen Ausnahmen hervorragend. Etwas besser gar noch als die beiden Plattformgeschwister Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6. Der GV60 verbindet den Komfort des Hyundai mit den sportlichen Attributen des Kia und bietet eine Spreizung, die für die allermeisten Fahrsituationen passt. In der Stadt fährt sich der GV60 butterzart, Unebenheiten werden effektiv herausgefiltert, einzig auf kurze Stösse reagiert die Hinterachse bisweilen etwas hölzern. Die adaptiven Dämpfer verlassen sich auf eine Kamera, die die Strasse scannt, und passen sich an. Hinzu kommt in der Topvariante hinten ein Sperrdifferenzial. Damit machen auch Kurven trotz des hohen, aber gut verteilten Gewichts von über zwei Tonnen Spass. Umso mehr, als dass bei allen Varianten viel Leistung zur Verfügung steht. Als Einstieg gibt es einen 168 kW (229 PS) starken Heckmotor. Bei den höheren Motorisierungen wird auch die Vorderachse angetrieben, die Systemleistung beträgt dann 234 kW (318 PS) respektive 360 kW (490 PS). Das Drehmoment ist jeweils üppig: 350 Nm sind es in der Basis, 605 respektive 700 bei den Topmodellen. 100 km/h aus dem Stand sind im Sport-Plus-Modell nach vier Sekunden erreicht. Wirklich beeindruckend ist, dass die Beschleunigung auch jenseits der 200 km/h nicht abreisst.
Nachgeladen wird dank der 800-Volt-Technologie mit maximal 240 kW. Die WLTP-Werte scheinen bei entsprechender Fahrweise erreichbar, nach der dynamischen Testfahrt lag der Verbrauch bei unter 25 kWh/100 km. Mit der bei allen Modellen gleich grossen Batteriekapazität von 77.4 kWh reicht das immer noch für 350 bis 400 Kilometer.
Grosse Überraschung
Und diese sind äusserst komfortabel. Im Innern kommt auf Wunsch flächendeckend Kunstleder oder Alcantara zum Einsatz. Die Verarbeitung ist nahezu perfekt, die Haptik ebenso, dasselbe gilt trotz der vielen Bildschirme für die Ergonomie. Das Infotainment ist intuitiv, einzig Detaileinstellungen sind in den Tiefen der Menüs versteckt, was in der Menge an Anpassungsmöglichkeiten gründet. Dank der Schnellwahltasten und des Drehrückstellers geht die Bedienung flott von der Hand, obwohl sich der GV60 ziemlich futuristisch gibt. An Assistenten ist so ziemlich alles vorhanden. Die Routenführung beherrscht (ansatzweise) Augmented Reality, die Rückspiegel können optional durch zwei Kameras und Bildschirme ersetzt werden, der Schalter für die Wahl der Fahrtrichtung wird im Stand zu einer beleuchteten Kristallkugel.
Auffällig ist auch das äussere Erscheinungsbild: Geschmackssache, aber auf jeden Fall charaktervoll. Vorne fallen die vier schmalen Einheiten für die LED-Matrixleuchten auf, auf der Seite die gezackte Zierleiste, hinten der in die Scheibe integrierte Spoiler. Und natürlich die spektakulären Felgen.
Weil die Dachlinie stark abfällt, werden sehr grosse Passagiere in der Kopffreiheit eingeschränkt. Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau, und für die Beine bleibt durch den Radstand von 2.9 Metern, was mehr ist als bei der nicht hauseigenen Konkurrenz, mehr als genügend Platz.
Zusammen mit dem nahezu gleich grossen Nissan Ariya ist der GV60 die bisher wohl grösste Überraschung des Jahres. Doch Genesis belässt es nicht beim auf den ersten Blick überzeugenden Auto, sondern geht einen Schritt weiter. Allein, man lässt sich das Gesamtpaket gut bezahlen. Ein voll ausgestattetes Topmodell kommt auf fast 100 000 Franken zu stehen. Das bessere Angebot scheint damit die Basisversion ab 53 000 Franken, auch wenn einige Zusatzpakete dann doch Pflicht sind.