Mercedes gibt bei der Elektromobilität kräftig Gas. EQA, EQB, EQC, EQS und EQV sind inzwischen auf dem Markt, dazu gesellt sich ab sofort der EQE, eine knapp fünf Meter lange Limousine der gehobenen Mittelklasse. Bald folgen ausserdem der EQS SUV und der EQE SUV, und auch von der hierzulande sehr beliebten G-Klasse soll es bald eine rein elektrische Version geben. Die Transformation des ältesten Autoherstellers der Welt schreitet unter Konzernchef Ola Källenius munter voran, auch wenn es bei der Einführung des neuen EQE etwas Verspätung gab. Lieferprobleme von diversen elektronischen Bauteilen, Schwierigkeiten in der Logistik durch die Pandemie – man kennt es ja inzwischen.
Wie der noch längere EQS baut der EQE auf der neuen Elektroplattform für grosse Fahrzeuge des Konzerns auf – die beiden SUV-Varianten werden die gleiche Architektur nutzen. Mit 4.95 Metern Länge ist er rund 26 Zentimeter kürzer als der EQS, der Radstand ist mit 3.12 Metern aber nur neun Zentimeter kürzer. Das verdeutlicht das luxuriöse Raumangebot im Innenraum des EQE, besonders im Fond. Da kommen die Vorteile der Elektroplattform voll zum Tragen: Der Innenraum ist acht Zentimeter länger als in der aktuellen E-Klasse, die Platzverhältnisse sind entsprechend grosszügiger. Wie der EQS wurde auch der EQE im Windtunnel geschliffen, dadurch ist die Businesslimousine in erster Linie sehr aerodynamisch, was der hervorragende Luftwiderstandsbeiwert von 0.22 bestätigt, doch sie wirkt dadurch auch sehr edel und elegant. «Mit dem typischen One-Bow-Design, schön gestalteten Linien und Silhouette, schafft der EQE einen sehr aerodynamischen und futuristischen Look», fasst Designchef Gorden Wagener zusammen. «All das macht ihn extravaganter, unterhaltsamer und aussergewöhnlicher und definiert zugleich die nächste Luxusklasse für die Marke Mercedes-EQ.»
Mit Infos überhäuft
Natürlich ist auch das Cockpit eng verwandt mit demjenigen des EQS. Der riesige Hyperscreen, der sich über fast die gesamte Innenbreite erstreckt und aus drei grossen Bildschirmen besteht, die optisch zu einem Element zusammengefasst wurden, gibt es auch im EQE – gegen Aufpreis, versteht sich. Doch auch ohne diese Bildschirmlandschaft ist das Informationsangebot enorm: Ein grosser, freistehender Bildschirm für das Infotainmentsystem, ein Screen hinter dem Lenkrad für das Kombiinstrument und ein riesiges Head-up-Display mit Augmented-Reality-Anzeige lassen Zahlen, Pfeile und Symbole auf den Fahrer einprasseln. Da muss man aufpassen, dass man sich von der Fülle des Angebots nicht vom Fahren ablenken lässt, doch nach einer kurzen Eingewöhnungszeit sollte man sich daran angepasst haben.
Zur Not kommt der EQE ja auch ganz gut allein zurecht auf der Strasse, auch wenn er natürlich noch nicht ohne stetige Aufmerksamkeit und Kontrolle des Fahrers unterwegs sein darf. Dass Mercedes das teilautonome Fahren im Griff hat, haben schon andere Modelle bewiesen. Auch sonst ist die Businesslimousine topmodern ausgestattet und eindrücklich intelligent. So kann das optionale Laserlicht mit 1.3 Millionen Mikrospiegeln pro Scheinwerfer das Licht so gezielt bündeln, dass nicht nur Passanten am Strassenrand strahlen, sondern auch Informationen auf der Strasse leuchten, etwa Warnhinweise oder die Fahrspurbreite in einer Baustelle. Und wer einen längeren Trip plant, kann das getrost der Routenplanung des Navigationssystems überlassen: Sie errechnet nicht nur Weg, Zeit und die dazu optimalen Ladestopps, sie kalkuliert dafür auch den Energiebedarf, in dem Topografie, Streckenverlauf, Umgebungstemperatur, Geschwindigkeit sowie Heiz- und Kühlbedarf berücksichtigt werden.
So kann der EQE zum Beispiel erkennen, dass zurzeit die Südseite eines Tals mehr Sonne hat und dort dadurch weniger Heizleistung erforderlich ist, und plant die Route entsprechend um. Das soll natürlich die Reichweite vergrössern, genauso wie die vorausschauende, intelligente Rekuperation, die Mercedes einsetzt. Man nennt das Electric Intelligence. Das System definiert auch, ob die Batterie während der Fahrt vorgewärmt oder gekühlt werden soll, und konditioniert sie entsprechend, damit sie später beim Ladestopp eine möglichst optimale Temperatur aufweist.
Beeindruckendes Fahrzeug
Doch auch so ist die Reichweite des EQE üppig. Er verfügt über einen Akku mit einer nutzbaren Kapazität von etwas mehr als 90 kWh. Damit schafft die heckgetriebene Basisversion 350+ mit einer Leistung von 215 kW (292 PS) gemäss WLTP im besten Fall 654 Kilometer. Sie startet bei einem Preis von 84 300 Franken. Ausserdem wird zum Marktstart die Variante 43 AMG 4Matic ab 121 100 Franken angeboten, die mit einem zweiten E-Motor an der Vorderachse über Allradantrieb verfügt und 350 kW (476 PS) leistet. Geladen wird in allen Versionen mit maximal 170 kW. Damit dauert es im Idealfall 32 Minuten, um die Batterie von zehn auf 80 Prozent zu laden. Später im laufenden Jahr folgen dann mit den Topversionen 500 4Matic und 53 AMG noch Varianten mit 300 kW (408 PS) respektive 505 kW (687 PS) Leistung.
Der Leitsatz von Mercedes, «Das Beste oder nichts», mag ja arrogant wirken, sitzt man dann aber in einem Produkt der Schwaben, kann man diese Überheblichkeit nachvollziehen. «Wir wollen die nachhaltigsten und technisch fortschrittlichsten Autos der Welt bauen», sagt Mercedes-EQ-Chef Christoph Starzynski stolz. «Der EQE ist das jüngste Beispiel dafür.» Tatsächlich ist die neue Elektrolimousine ein beeindruckendes Fahrzeug: Es fährt sich wunderbar geschmeidig, ist dank Hinterradlenkung verblüffend handlich und bietet wegen der aufwendigen Geräuschisolation einen Fahrkomfort, mit dem sich die Stuttgarter zu Recht brüsten dürfen.
Erste Sitzprobe im EQS SUV
Zusätzlich zu den Limousinen EQE und EQS wird Mercedes jeweils eine SUV-Variante anbieten. Nun haben die Schwaben das Tuch vom EQS SUV gezogen, doch bereits vor der Weltpremiere hatten wir die Gelegenheit zu einer exklusiven Vorabbesichtigung inklusive Sitzprobe – und zwar in allen drei Sitzreihen, denn das grosse Elektro-SUV ist optional auch mit sieben Plätzen erhältlich. Ea baut auf der gleichen Plattform auf wie die Limousine, ist mit einer Länge von 5.13 Metern aber rund zehn Zentimeter kürzer. Der Radstand ist mit 3.21 Metern identisch, dafür ist das SUV 20 Zentimeter höher. Das Resultat sind stimmige Proportionen mit einer langen Fronthaube und abgesetztem Greenhouse. Das One-Bow-Design der Limousine hätte bei dem SUV optisch nicht funktioniert.
Der Innenraum ist genauso edel und hochwertig, das Cockpit ist mit dem der Limousine praktisch identisch. Im SUV ist die zweite Reihe elektrisch längs verschiebbar, und zwar um bis zu 130 Millimeter. Die Lehnen lassen sich auch auf Knopfdruck neigen, um 14 Grad nach vorne und um vier Grad nach hinten. Der Kofferraum variiert von 195 Litern mit allen sieben Sitzen bis zu 2100 Litern, wenn die zweite und dritte Reihe abgeklappt sind. Damit sich der Riese nicht zu sperrig fährt, verfügt auch das SUV über eine Hinterradlenkung. Das Basismodell 450+ ist mit einem Elektromotor an der Hinterachse mit 265 kW (360 PS) Leistung und 568 Nm Drehmoment ausgestattet. Die Allradvariante 450 4Matic hat die gleiche Leistung, generiert mit 800 Nm jedoch deutlich mehr Drehmoment. Das Topmodell ist derzeit der 580 4Matic: Dieser schickt 400 kW (544 PS) und 858 Nm auf alle vier Räder. Preise für den EQS SUV sind noch nicht bekannt, der Bestellstart ist im Sommer, die Markteinführung ist im Herbst geplant.