Es scheint schon ziemlich lange her, dass man einen simplen VW Golf noch für nicht viel mehr als 20000 Franken bekam. Tatsächlich ist aber gar nicht so viel Zeit vergangen, seit im Jahr 2015 ein starker Schweizer Franken Produkte aus dem Euroraum recht attraktiv machte. Sieben Jahre später hat unsere Landeswährung wieder mit dem Euro gleichgezogen, aber gesunken sind die Autopreise deshalb nicht. Im Gegenteil, heute muss man für das Basismodell eines Golf mindestens 31 400 Franken bezahlen.
Natürlich muss man die Sache im Kontext betrachten. 2019 gab es einen Generationenwechsel beim Kompaktfahrzeug aus Wolfsburg. Auch bei der Ausstattung und Motorisierung gab es seither Veränderungen. Dennoch: Der durchschnittliche Listenspreis für Neuwagen in der Schweiz stieg zwischen 2016 und 2021 um 28 Prozent von 45 215 auf 57 850 Franken. Dieser steile Anstieg in den Preislisten setzt sich auch 2022 fort, denn die Preiserhöhungen betragen im Durchschnitt 3.5 Prozent. Dabei geht es – und das ist eine wichtige Anmerkung – immer um den durchschnittlichen Listenpreis der Fahrzeuge. Wie viel die Schweizer tatsächlich für ihre Neuwagen bezahlen, inklusive aller aufpreispflichtigen Optionen und abzüglich der Rabatte, darüber gibt es leider keine Zahlen.
CO2-Auflagen sorgen für Preisanstieg
Werden die Autohersteller zu gierig? Nein, auch wenn die Autobauer aufgrund der hohen Nachfrage aus einer Position der Stärke heraus agieren, ist dies nicht der Hauptgrund für die steigenden Preise. Die Modellreihen der Hersteller ändern sich ständig, das Angebot ist von einem Jahr zum anderen nie gleichbleibend und somit auch nicht wirklich vergleichbar. Es ist die Umstellung auf Elektro- und Hybridmodelle, die notwendig ist, um den massiven CO2-Strafen zu entgehen, welche die Durchschnittspreise nach oben treibt: «Die Hersteller versuchen, die Strafen möglichst zu vermeiden», so ein Experte, der anonym bleiben möchte. «Aus diesem Grund pushen sie, wo es nur geht, Hybrid- oder Elektromodelle.» Mitsubishi beispielsweise war gezwungen, nur noch seine beiden saubersten Modelle in der Schweiz anzubieten, den Space Star und den Eclipse Cross PHEV, statt der fünf Modelle, die der Importeur 2021 noch im Angebot hatte. Aus diesem Grund ist der seit 2021 festgestellte Preisanstieg von 7.65 Prozent nicht sehr aussagekräftig.
Dass die Neuwagenpreise stark von der jeweiligen Modellpalette eines Herstellers bestimmt werden, zeigt das Beispiel von Tesla. Der Durchschnittspreis der US-Marke ist im Vergleich zu 2015 deutlich gesunken, weil in der Zwischenzeit der günstige Model 3 lanciert wurde. Auch andere Marken wie beispielsweise Opel wurden im Vergleich zum Vorjahr leicht günstiger.
Während einige Importeure ihre Produktpalette mit der Kettensäge zurechtstutzen, setzen andere sorgfältig die Heckenschere an. Bei Volkswagen wurden bestimmte Motorisierungen oder Grundausstattungsniveaus gestrichen. «Da die Schweizer eher die Spitzenmodelle kaufen, bestand bei einigen Ausstattungsvarianten keine Notwendigkeit, sie im Katalog zu belassen», erklärt Christian Frey, Pressesprecher von VW Schweiz. Das legt die Vermutung nahe, dass die Preise auch einfach deshalb steigen, weil die Schweizer Kunden sich für die teureren Varianten entschieden.
Die Nachfrage bestimmt den Preis
Marken, die sich mit ihren Modellen nach oben orientieren, erhalten paradoxerweise einen Schub durch die aktuelle Krise bei den Zulieferern, also den Mangel an Halbleitern und die Probleme bei der Produktion von Kabelsträngen. Die Hersteller haben gewissermassen das Heft in der Hand. «Der Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt», ruft unser anonymer Beobachter in Erinnerung. «Es gibt viele Personen, die ein neues Auto brauchen, aber die Hersteller kommen im Moment mit der Produktion nicht nach.» Bei Ford Schweiz bestätigt man diese Einschätzung. «Der beispiellose Mangel an Komponenten, insbesondere an Halbleitern, führt dazu, dass Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht geraten», räumt Sprecher Dominic Rossier ein. «Diese Situation hat einen Einfluss auf die Produktionskosten und führt unweigerlich zu einem Preisanstieg.» Obwohl Ford im Jahr 2021 elf Prozent weniger Autos verkauft hat (1.1 Mio. Einheiten), konnte der Hersteller seinen Umsatz um fünf Prozent auf 37.7 Milliarden Dollar steigern. Vor allem aber stieg der Gewinn um 0.6 Prozent auf 5.4 Prozent. Noch spektakulärer ist es beim Volkswagen-Konzern: Dieser steigerte 2021 seinen Umsatz um zwölf Prozent und erzielte satte acht Prozent Gewinn, ein Plus von 2.8 Prozent. Dabei sanken die Verkaufszahlen im gleichen Zeitraum um 4.5 Prozent. Das liegt im Einklang mit der Strategie des Unternehmens, gewissermassen Masse durch Marge zu ersetzen.
Wettlauf um die Rohstoffe
Die Gründe für diese Preiserhöhungen sind bei den Autoherstellern zwar unterschiedlich, aber eine Ursache betrifft sie alle gleichermassen: die explodierenden Rohstoffpreise. Eine Tonne Aluminium wurde im April 2021 für 2267 Dollar gehandelt. Heute werden für die gleiche Menge 3443 Dollar verlangt, was einem Anstieg von 52 Prozent entspricht! Der Preis für Stahl ging im selben Zeitraum um 40 Prozent in die Höhe.
Die beiden Metalle stellen keine Ausnahmen dar. Der Internationale Währungsfonds (IWF) beobachtete eine Explosion der Rohstoffpreise um 72 Prozent seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Für den IWF steht die Elektrifizierung hinter diesem Anstieg. «Eine schnelle Energiewende könnte zu einem 40-mal höheren Bedarf an Lithium für Elektroautos und erneuerbaren Energien führen», erklärt der IWF. «Der Verbrauch von Grafit, Kobalt und Nickel könnte dagegen um das 20- bis 25-Fache steigen.» Das Problem ist, dass sich das Angebot viel langsamer entwickelt als die Nachfrage. «Kupfer ist das wichtigste Metall bei dieser Energiewende. Die Preise sind seit zwölf Monaten auf Rekordniveau, und es wurde keine einzige neue Mine eröffnet», schreibt Damien Courvalin, Analyst für Rohstoffe bei Goldman Sachs, auf der Website von L’usine nouvelle. Die Probleme gehen für den Experten noch weiter: «Die niedrigen Renditen des Sektors, die galoppierenden Lohn- und Energiekosten führen zu höheren Kosten bei der Finanzierung. Beim Aluminium, werden hohe Investitionen notwendig sein, um es CO2-neutral herzustellen. Auch das treibt die Preise nach oben.»
Zu den hohen Rohstoffpreisen kommen Probleme bei der Logistik hinzu, da es aufgrund des Mangels an LKW-Fahrern schwieriger ist, die Fahrzeuge an ihren Bestimmungsort zu bringen. «Um neue Fahrer zu finden, sind die Transportunternehmen gezwungen, die Löhne zu erhöhen», berichtet Christian Frey. Diese zusätzlichen Kosten schlagen sich unweigerlich im Endpreis nieder.
Zu früh für den starken Franken
Aber müsste der Schweizer Franken, der praktisch mit dem Euro gleichgezogen hat, die Rechnung für die Schweizer nicht günstiger machen, so wie es schon 2015 und 2016 der Fall war? Für Christian Frey von VW ist es noch zu früh, um die Preise anzupassen: «Wir legen mit der Muttergesellschaft einen jährlichen Wechselkurs fest. Den ändern wir nur, wenn wir über einen Zeitraum von zwei oder drei Monaten sehr grosse Abweichungen feststellen.» Unser anonymer Branchenexperte erinnert auch daran, dass «der Preisanstieg kein Phänomen ist, das nur die Schweiz betrifft, sondern alle unsere Nachbarländer». Leider wird sich an der Situation so schnell nichts ändern, da die Umwälzungen augenscheinlich eher langfristig sind (Umstellung auf Elektromobilität) als nur punktuell (Halbleiterkrise). Den Sparschweinen geht es an den Kragen.
Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, weshalb die Umstellung auf Elektroautos die Verbrenner teurer machen soll. In der Halbleiterkrise rächt es sich nun, dass die Industrie eine Vielzahl an unnötigen Chips ins Auto konstruiert hat. Selber schuld. Ebenso selber schuld, wenn die Autokäufer nicht mehr beim lokalen Händler, sondern selber direkt importieren oder die Autokäufe hinauszögern.