Zum Verlieben klein

Der Suzuki Jimny ist ein Geländewagen alter Schule: stark und schnörkellos. Die zweisitzige Nutzfahrzeugversion Country bringt Sie mühelos auf den Berggipfel.

Wir kramen nochmals die Jacke mit den breiten Schulterpolstern aus den 1980er-Jahren hervor oder die zerrissene Jeans aus der späteren Grunge-Ära. Und die alte Aerosmith-CD passt sowieso. Auf gehts, zurück in die Vergangenheit – mit dem neusten Jimny! Dieser Wagen wirft einen problemlos 30 Jahre zurück in die Vergangenheit. Denn seine Technik ist nicht gerade avantgardistisch. Aber der Suzuki Jimny wirkt authentisch und vertraueneinflössend. LED? Nie gehört. Head-up-Display? Das ist etwas für Spock vom Raumschiff Enterprise! Nein, der Jimny Country kommt einfach nur urchig und solide daher und konzentriert sich auf das Wesentliche. Das ist seine grosse Stärke. Und gleichzeitig seine Schwäche.

Aber beginnen wir von vorne. Was ist neu an diesem Mini-Offroader? Der Jimny tummelt sich seit 2018 in seiner vierten Generation auf unseren Bergstrassen. Bisher kam er als Vierplätzer daher, aber die neue – und einzige! – Version Country ist nur noch mit zwei Sitzen zu haben. Die Rücksitzbank entfällt zugunsten eines geräumigen Gepäckraums, welcher durch ein Gitter von den Insassen getrennt ist. Mit dieser Änderung fällt der Kletterzwerg offiziell nicht mehr in die Kategorie der Personenwagen, sondern wird zum leichten Nutzfahrzeug. Je nach Kanton verdient er sich damit einen Steuervorteil.

Das Fehlen der Rücksitze bedauern wir fast, weil die Kinder nun zu Hause bleiben müssen. Der Kleinlieferwagen gewinnt zwar 33 Liter Stauraum und schluckt bis zu 863 Liter. Der Gepäckraum ist zudem flach, unverbaut und leicht zugänglich, wenn auch die Ladekante etwas hoch ist. Aber das Trenngitter beschränkt die maximale Länge des Transportgutes auf 92 Zentimeter. Als kleine Kompensation bietet der Jimny Country immerhin ein Ablagefach zwischen den Vordersitzen und dem Gitter, das 45 × 37 × 115 Zentimeter misst. Theoretisch lässt sich die Trennwand auch ausbauen. Wer mehr transportieren muss, kann aber auch bis zu 50 Kilogramm auf das Dach packen oder bis zu 1300 Kilogramm an den Haken nehmen.

Hartplastik und Attrappen

Auf den Vordersitzen lässt es sich ganz gut leben, auch wenn Fahrer und Beifahrer ganz von schwarzen Hartkunststoffen umgeben sind. Und bei den Schrauben am Armaturenbrett handelt es sich um – Attrappen! Aber Suzuki gab sich doch einige Mühe bei der Präsentation mit drei verschiedenen Plastikoberflächen und ansprechenden Offroad-­Anzeigen. Nur schade, dass deren Abdeckungen die Sonne reflektieren und die Anzeigen deshalb schlecht lesbar sind. Die Analoganzeigen (was sonst?) sind ansonsten tipptopp. Für Zusatzinformationen wie etwa den Benzinverbrauch gibt es sogar einen kleinen Bildschirm. Mehr braucht es auch gar nicht – ausser die Kühlwasseranzeige, die Suzuki aus unverständlichen Gründen über Bord geworfen hat. Die wenigen Schalter und Hebel liegen gut zur Hand, alles lässt sich selbst mit Handschuhen bedienen. Einstellungen von Heizung und Belüftung sind geradezu vorbildlich. Es gibt sogar einige Komfortausstattungen wie Klimaanlage, beheizte Sitze oder elektrische Aussenspiegel. Und vergessen wir nicht das CD-Autoradio! Einige von uns freuten sich sichtlich, als sie den Schlitz für die CD ausgemacht hatten. Fans von Gadgets (was haben die im Jimny zu suchen?) können sich sogar ein Multimediasystem mit Touchscreen für die Smartphone- und Navibedienung gönnen, die mit 1590 Franken teuerste Option.

Der Aufenthalt an Bord ist angenehm, mit haptisch angenehmen Stoffbezügen auf den bequemen Sitzen, die genügend Seitenhalt bieten. Leider sind die Sessel nicht höhenverstellbar, und das Trenngitter schränkt den Verstellbereich der Lehnen ein. Dennoch fanden auch die grössten AR-Tester ­eine annehmbare Sitzposition. Ein ergonomischer Fehler betrifft das höhenverstellbare Lenkrad: Es schränkt in seiner höchsten Position die Sicht auf die Anzeigen dahinter ein, und in der tiefsten Position wird der Platz für die Beine knapp. Viel Dämmmaterial verbaute Suzuki im Jimny nicht, was zu einem hohen Geräuschpegel im Innenraum führt. Ansonsten geniesst man die erhöhte Sitzposition, die dem Fahrer eine ausgezeichnete Übersicht rund ums Auto bietet. Auf der Aufpreisliste finden sich zwar auch Parksensoren, die uns aber angesichts der Wendigkeit des Jimny im Stadtverkehr oder in Parkgaragen völlig unnötig erscheinen. Wirklich unachtsame Fahrer sollten sich diese Helfer vielleicht dennoch leisten, denn die in die Stossfänger integrierten Rücklichter sind bei einem heftigen Aufprall sehr gefährdet.

Seine Berechtigung hat der Jimny im Gelände und bei Schnee. Um auf die schneebedeckten Pisten zu kommen, mussten wir allerdings zuerst die Autobahn aufsuchen, welche dem Offroader ganz und gar nicht liegt. Der freisaugende Vierzylinder, der die 100-PS-Marke nur knapp überschreitet, muss hart arbeiten. Sein etwas rauer Ton wird noch lauter, der Blick auf den Drehzahlmesser verrät: 2800 U/min bei 80 km/h, 3000 U/min bei 100 km/h, und bei 120 km/h müht sich die Maschine mit 3750 Touren ab. Geschwindigkeiten im dreistelligen Bereich lässt man daher am besten sein, sonst ist es auch mit dem restlichen Komfort vorbei. Dem Fünfgang-Schaltgetriebe täte eine sechste Stufe gut. Apropos: Die Lenkung hat viel Spiel und verlangt nach stetigen Korrekturen.

Endlich im Element

Die Autobahnausfahrt kommt uns daher sehr gelegen, uns zieht es auf eine kleine Nebenstrasse. Der 1.5-Liter-Motor gibt sich unter 2000 U/min etwas zäh, aber das Temperament genügt für Alltagsfahrten. Der Schalthebel muss recht lange Wege zurücklegen, aber seine Führung ist angenehm präzise. So macht es fast schon Spass, in die höheren Drehzahlbereiche vorzudringen. Das ist auch gut so, denn im steilen Gelände kommt der Wagen nur so einigermassen gut vom Fleck. Immer wieder jubelten wir im zweiten Gang die Steigungen hoch. Zum Glück verträgt der Jimny anstandslos alle hochtourigen Abenteuer im zweiten und dritten Gang. Wegen des hohen Schwerpunktes legt die Kraxelkiste bei flotter Kurvenfahrt eine deutliche Karosserieneigung an den Tag. Eine Anfahrhilfe hält das Auto an Steigungen fünf Sekunden lang fest, bis der Fahrer den Schleifpunkt findet. Stressfrei ist auch die steile Abfahrt: Die Fahrhilfe hält das Tempo bei 10 km/h, man muss sich weder um das Bremsen noch um das Kuppeln kümmern. Einfach nur den zweiten Gang einlegen, alles andere passiert automatisch. Das hilft auch, die Bremsanlage (hinten mit Trommelbremsen), die nicht zu den besten zählt, zu entlasten.

Der Jimny schaffte es problemlos bis zum Gipfel. Wie ein Jack Russell wirft er sich auch freudig in den Schnee. Als Leichtgewicht mit guten Böschungswinkeln bewältigt er locker auch die schwierigsten Situationen. Der Geländekünstler blieb auf unserer Tortur nie stecken (im Gegensatz zu anderen Allradlern) und glänzte mit seinen kompakten Abmessungen, als es darum ging, auf einer schmalen Strasse zu wenden. Vor den grössten Hindernissen wählt man einfach nur die Geländeuntersetzung und schafft so selbst das fast Unmögliche.

Der Jimny Country ist ein Auto zum Verlieben, auch wenn er wegen seiner beschränkten Langstreckentauglichkeit nicht sehr vielseitig ist. Der kleine Geländewagen drängt sich für all jene auf, die ihn im Berggebiet einsetzen wollen. Er gibt auch einen guten Zweitwagen ab. Wer es sich leisten kann, könnte ihn etwa mit dem kleinen SUV Suzuki S-Cross kombinieren; dieser ist nicht ganz der wilde Abenteuer wie der Jimny, schafft aber doch auch leichtes Gelände und kann fünf Passagiere transportieren. Der Jimny ist ein Panzer im Taschenformat, der unverblümt zu seinen Schwächen steht. Auf dem Automarkt nimmt er mit seinem Charakter, seiner Einfachheit und mit seinen Offroadtugenden eine Sonderstellung ein. Er ist einfach eine frische Brise auf vier Rädern.

Testergebnis

Gesamtnote 65.5/100

Antrieb

Der 1.5-Liter-Saugmotor erweist sich im Alltag als ausreichend und lebhaft. Die kurze Übersetzung trägt dazu bei – nicht aber auf der Autobahn. Der Allradantrieb funktioniert hervorragend.

Fahrwerk

Mit seinem Leiterrahmen und den starren Achsen ist das Fahrverhalten im Gelände ideal, aber nicht auf der Strasse.

Innenraum

Plastik regiert – und die Verarbeitung ist nicht hervorragend. Aber man sitzt gut, und alles, was man braucht, ist schnell zur Hand.

Sicherheit

Einige Sicherheitsausstattungen sind vorhanden, aber sie zeichnen den Jimny nicht aus. Die Bremsen sind nicht besonders stark. Die starken Halogenscheinwerfer lassen LED nicht vermissen.

Budget

Mit einem Grundpreis von 29 990 Franken bietet sich der Jimny als Zweitwagen nicht eben an. Auch der Benzinverbrauch kann ins Geld gehen. Allerdings ist es schwierig, einen Geländewagen mit diesen Fähigkeiten für weniger Geld zu finden.

Fazit 

Der Jimny hat sich für robuste, altmodische Lösungen entschieden, was seine Stärke ist. Aber da er einerseits sehr abenteuerlustig ist und sich andererseits auf Autobahnen und schnellen Landstrassen nicht wohlfühlt, ist sein Einsatzbereich ziemlich begrenzt. Dennoch überzeugt er immer noch mit seinem guten Aussehen und seinem Allradantrieb.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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