Als BMW im März 2014 am Genfer Autosalon den 2er Active Tourer vorstellte, ging bildlich ein Aufschrei der Entrüstung durch die Messehallen. Wie bitte, ein Familienvan? Ein BMW mit Frontantrieb? Ja gehts noch? Doch der Hersteller sah keinen anderen Weg, wie der damalige Baureihenleiter Frank Niederländer erklärte: «Wenn man bei einem solchen Modell die Innenraumgrösse und Variabilität bieten will, die der Markt verlangt, geht das nur mit Frontantrieb und Quermotor.» Doch wie so oft, wenn ein Hersteller mit den eigenen Traditionen bricht, war die Entrüstung nur ein Strohfeuer. «Als wir damals die Touring- oder die X-Modelle einführten, war der Aufschrei ebenfalls gross», sagte Niederländer. «Heute fragt längst keiner mehr, ob diese Kombi- oder SUV-Modelle zu BMW passen.»
So kam es auch beim Active Tourer, und der Dogmenwechsel zahlte sich letztlich aus: Sieben Jahre nach Einführung und über 420 000 verkaufte Einheiten später ist das Modell ein fester Bestandteil der BMW-Produktpalette. Die Baureihe wird nun in einer zweiten, komplett neu entwickelten Modellgeneration weitergeführt – nur die erfolglose Langversion Gran Tourer bleibt auf der Strecke. Am Grundkonzept wird nichts verändert, der Active Tourer bleibt ein kompakter Familienvan mit Frontantrieb und Quermotor. An den Details hingegen wurde nach Kräften gefeilt.
Fast schon ein SUV
Schon auf den ersten Blick erkennt man den grossen Sprung, den die neue Modellgeneration gemacht hat. Der Van strotzt vor Selbstbewusstsein, wirkt mit grösseren Rädern und breiterer Spur fast schon wie ein SUV. Er ist in allen Dimensionen gewachsen, 32 Millimeter in der Länge, 24 in der Breite und 21 in der Höhe. Eine prägnante LED-Signatur vorn und hinten erzeugen einen modernen Look. Ausserdem trägt er nun ebenfalls einen riesigen Nierengrill – BMW nennt ihn «sehr präsent», man könnte ihn auch als «völlig überdimensioniert» bezeichnen. Doch vielleicht bekommen die Münchener auch in diesem Punkt später recht.
Im Innenraum hat der Neue nichts mehr mit dem Vorgänger gemein. Das Cockpit stammt aus dem grossen Elektro-SUV iX, samt breitem Curved-Display und der etwas umständlichen Bedienung des Infotainmentsystems via Touchscreen – schade, denn mit dem bewährten iDrive-System mit dem Dreh-Drück-Regler stellten die Bayern lange Zeit die Messlatte für Benutzerfreundlichkeit. Edle Materialien, eine hochwertige Verarbeitung und luftige Platzverhältnisse lassen das Modell grösser wirken, als es ist.
Auch unter der Motorhaube wurde kräftig renoviert: 90 Prozent der Motorenbauteile sind neu oder wurden zumindest optimiert. Im Angebot sind zwei 1.5-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner mit 100 kW (136 PS, 218i) oder 125 kW (170 PS, 220i) sowie ein Zweiliter-Vierzylinder-Turbobenziner mit 1160 kW (218 PS) im 223i. Die beiden Letzteren werden von einem 48-Volt-Mildhybridsystem mit einem in das Getriebe integrierten E-Motor mit 14 kW Leistung unterstützt. Alle Motorvarianten sind serienmässig mit einem neuen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe mit vollelektrischer Aktuierung ausgestattet. Als einziger Selbstzünder ist der 218d mit Zweiliter-Vierzylinder-Turbodiesel und 110 kW (150 PS) Leistung in der Preisliste, diese Version wird in der Schweiz aber wohl kaum Beachtung finden.
So macht Plug-in-Hybrid Sinn
Auf viel grösseren Anklang werden die beiden Plug-in-Hybridvarianten stossen. Sie kombinieren einen 1.5-Liter-Dreizylinder-Benziner an der Vorderachse mit einem Elektromotor, der die Hinterachse antreibt und somit einen hybridspezifischen Allradantrieb erzeugt. Die flache Hochvoltbatterie mit 14.9 kWh Nettokapazität ist im Fahrzeugboden platziert, was den Schwerpunkt des Autos senkt und dadurch das Fahrverhalten spürbar verbessert; ausserdem hat so die Batterie keinen Einfluss auf das Kofferraumvolumen. Rein elektrisch schaffen die Plug-in-Hybride bis zu 90 Kilometer – ein absoluter Spitzenwert im Kompaktsegment. Geladen wird mit maximal 7.4 kW (AC), ein kompletter Ladevorgang dauert rund 2.5 Stunden.
Auf ersten Probefahrten mit dem 220i, dem 223i und dem 230e xDrive (Vorserienmodell) zeigte der neue 2er Active Tourer, dass er nicht nur nach BMW aussieht, sondern sich auch wie ein BMW fährt. Der Kompaktvan steuert wunderbar präzis durch Kurven, rollt manierlich ab und fühlt sich ausgereift und vollkommen an. Der Plug-in-Hybrid stürmt nicht nur mit ordentlich Power die Steigungen hoch, sondern sticht dank des Allradantriebs und des tiefen Schwerpunkts auch im kurvigen Geläuf heraus. Das Hybridsystem kann aufgrund von Streckenprofil, Fahrstil und vorausfahrendem Verkehr selbständig entscheiden, ob das Auto widerstandsarm segeln oder wie stark es durch Rekuperation eingebremst werden soll. Das funktioniert vorzüglich und ist nicht nur bequem, sondern auch effizient. Zusammen mit der hohen elektrischen Reichweite kann man mit gutem Gewissen sagen: So macht Plug-in-Hybrid tatsächlich Sinn. Der neue 2er Active Tourer kommt in den nächsten Tagen zu Preisen ab 42 400 Franken in den Handel, die Plug-in-Hybridvarianten folgen im Sommer.