«Ich brauch kein Abitur. Ist doch sowieso alles nur Luxus.» Als Til Schweiger und Michael Kessler 1991 mit ihren aufgemotzten Opel Manta in die Kinos fuhren, war der Manta schon gut 20 Jahre alt. Seither sind wieder 30 Jahre vergangen, und immer noch ist die Marke untrennbar mit dem Fuchsschwanz verbunden.
Die ganze Lage von Opel hat ja schon irgendwie etwas Aberwitziges. Da baut man während Jahrzehnten erfolgreiche Autos, und trotzdem erinnert man sich bloss an das eine: den Manta, den es vor 50 Jahren einmal gab. Und der damals schon mehr Verachtung als Respekt erntete. Mit dem neuen Manta droht Opel genau das gleiche. Aber damit greifen wir schon einige Jahre vor. Was damals belächelt wurde, ist heute eine Ikone. Und eine Ikone wieder zurückzubringen, ist mutig und will richtig gemacht sein. Bereits jetzt ist klar: Der neue Manta wird elektrisch. Und ein SUV. Und wird mit dem alten Manta auch sonst so gar nichts gemeinsam haben. Ein ehrwürdiger Name als Zweitverwendung für ein Retortenprodukt. Man fragt sich, wann das jemals funktioniert hat. Wir verdrängen solche Gedanken und konzentrieren uns aufs Wesentliche, als wir die Möglichkeit erhalten, einen echten, alten Manta zu fahren. Beziehungsweise eben nicht ganz echt. Es ist der Manta GSE Elektromod. Ein alter, originaler Manta A von 1971, dem ein paar wahnsinnige Ingenieure und Mechaniker bei Opel einen Elektroantrieb verpasst haben. Dieses Einzelstück präsentieren die Rüsselsheimer gern bei jeder Gelegenheit, um zu zeigen, dass Elektro doch auch sexy ist – oder sein kann. Fahren darf das Teil aber dann doch nur eine handverlesene Auswahl von Journalisten. Wir kommen in diesen Genuss.
Luxus gibt es im Manta GSE nicht. Aber alles ist experimentell und somit spannend. An der Front der Vizor, das neue Designelement von Opel. Das hat man tatsächlich dem originalen Manta abgeschaut und pappt es jetzt an alle Grandland, Astra, Mokka und was sonst noch so kommen wird. Für den Manta Elektromod hat man es noch einmal weiter getrieben und den Vizor mit einem Bildschirm versehen, auf dem der Opel-Blitz aufleuchtet. Auf der Strasse müssen wir das Teil leider ausschalten, weil der Gesetzgeber keine leuchtenden Elemente an der Front erlaubt. Dazu gibt es einen Kippschalter im Handschuhfach. Alles experimentell eben. Direkt neben diesem Kippschalter gibt es einen Bildschirm zur Darstellung der Fahr-
zeugdaten – es ist der dritte im Manta GSE. Bildschirm Nummer eins und zwei sitzen vor und neben dem Fahrer. Die ganze Anzeigeeinheit stammt aus dem Opel-Regal, heisst Pure Panel und kommt auch im neuen Astra zum Einsatz. Hier ist der rechte Bildschirm bloss Makulatur, kann ausser einem netten Trailer nichts anzeigen und deshalb auch einfach ausgeschaltet werden. Denn wir wollen ja nur fahren.
Upcycling im Manta
Reinsitzen und losfahren, also? So einfach ist es dann doch nicht, eine kleine Instruktion braucht es noch. Denn bei den ganzen Umbauarbeiten wurde zwar der Vierzylinder-Benziner gegen einen Elektroantrieb mit 108 kW (147 PS) und 255 Nm ausgetauscht, nicht aber das Vierganggetriebe. Und ein Elektroauto mit drei Pedalen zu fahren, ist halt doch etwas, nein, sehr ungewohnt. Bremse treten, den ersten Gang einlegen – die Kupplung ist nicht nötig, der Elektromotor hat ja keinen Leerlauf – und vorsichtig aufs Gaspedal wechseln. Wichtig sei, ja nie mit gedrücktem Kupplungspedal Gas zu geben, erklärt Nicolas Armanini, Technikverantwortlicher bei Opel Schweiz. Das sofort verfügbare Drehmoment der Elektromaschine würde die Kupplung verheizen. Das ist vor allem bei Gangwechseln und beim Anhalten irritierend. Wobei das Schalten sowieso mehr Gewohnheit ist als wirkliche Notwendigkeit, das Drehmoment des Elektromotors würde locker ausreichen, um auch im dritten oder vierten Gang anzufahren. Die Kraft des Elektromotors wird über das originale Vierganggetriebe und die Kardanwelle auf die hintere Starrachse übertragen. Die Geräuschkulisse ist also vertraut, der Schaltpunkt auch ohne Drehzahlanzeige schnell gefunden.
In der Wohnindustrie von Zürich-West fällt der Manta Elektromod auf wie ein bunter … Manta eben. Jeder staunt, jeder zückt das Handy, fotografiert. Dass das Auto elektrisch ist, scheinen die wenigsten zu bemerken. Auch dass die 17-Zöller nicht original sein können, fällt nur Kennern auf. Wir fahren aus der Stadt Zürich hinaus Richtung Säuliamt, bewegen den filigranen Klassiker zügig um die Bögen. Das Auto ist bockhart. Damit es mit dem zusätzlichen Gewicht der Elektronik und der 31-kWh-Batterie klarkommt, wurden härtere Federn verbaut und das Auto gleichzeitig noch tiefer gelegt. Entsprechend nervös ist die Hinterachse, und Fahren bedeutet Arbeiten, denn eine Servolenkung gibt es weiterhin nicht. Es wird also ordentlich gekurbelt am mit neuem Leder überzogenen Originallenkrad. Immerhin sitzen wir gut und sicher in den Recaro-Schalensitzen aus dem Adam S. Die hinteren Trommelbremsen wurden auf Scheiben umgebaut, die Bremsleistung ist somit ordentlich. Zum sanften Verzögern reicht die Rekuperation des Elektromotors aus, deren Intensität über den ehemaligen Heizungsschalter sogar variierbar ist. Upcycling heisst das heute – alten Dingen eine neue Funktion verpassen – und ist gross in Mode. Eigentlich ist der ganze Elektromod ja ein solches Upcycling-Projekt, ein verstaubendes Museumsstück wurde zu einem fahrbaren Retrorenner. Es passt perfekt in eine Zeit, in der Nachhaltigkeit der neue Luxus ist.
Technische Daten. Motor Synchronmotor vorne längs, 108 kW (147 PS), 255 Nm. Antrieb Hinterradantrieb, 4-Gang-Getriebe. Batterie Lithium-Ionen, 31 kWh, Reichweite ca. 200 km.
Der Neue wird ein SUV – und elektrisch
Opel hat angekündigt, dass man den Namen Manta zurückbringen möchte – für den vollelektrischen Manta-E. Dies erklärte der damalige Opel-CEO Michael Lohscheller im vergangenen Jahr. Der Klassiker soll Mitte des Jahrzehnts wieder auferstehen und zwar in Form eines kompakten Crossover-SUV. Der Manta-E soll eine Vorreiterrolle einnehmen in der Elektrostrategie von Opel, die vorsieht, dass bereits ab 2028 auf dem europäischen Markt ausschliesslich vollelektrische Fahrzeuge verkauft werden sollen.
Erste Designskizzen für den neuen Opel Manta wurden anlässlich des Stellantis EV Day 2021 präsentiert. Der neue Manta hat so gar nichts mit dem historsichen Vorbild zu tun. Aus dem zweitürigen Coupé wird ein fünftüriges SUV. Ob die kräftigen Radhäuser und die sportliche Dachlinie im Serienmodell wiederzufinden sein werden, ist noch unklar. Auch über den Antrieb hat Opel noch nichts bekanntgegeben ausser eben, dass das Auto elektrisch angetrieben werde. Als Basis kommt damit wohl die vom Mutterkonzern Stellantis für C- und D-Segment-Fahrzeuge entwickelte STLA-Medium–Plattform zum Einsatz. Eine seriennahe Version des Manta-E wird wohl im Laufe des Jahres 2022 vorgestellt.