Willy Dreier aus Bex VD, ein Garagist, besorgte sich 1958 eigenhändig eine im Luzerner Entlebuch hergestellte Karosserie für einen Spider auf Käfer-Basis. Im Hauptort Schüpfheim LU, in der Garage neben dem Hotel Adler, hatte der Arzt Emil Enzmann, ein Tüftler und findiger Geist der Familie, diese schnittige, türlose Karosserie gezeichnet und zunächst in Aluminium bauen lassen. Inspiriert hatte ihn der Porsche 550 Spider, der Mittelmotor-Rennwagen mit dem unglaublich aufwändigen Viernockenwellen-Motor von Ernst Fuhrmann, ein unerschwingliches Auto. Von ihrer eigenen Interpretation in Aluminium stellten die Gebrüder Enzmann eine Negativform in einem damals neuen Verfahren her: mit glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK). Das Auto, schlicht Enzmann genannt, verpasste zwar den Autosalon Genf 1956 für eine allfällige Premiere, diese feierte der vielbeachtete Wagen aber am Comptoir Suisse in Lausanne desselben Jahres. 1957 stand der Enzmann an der IAA in Frankfurt (D), ausgestellt am Stand 506, daher der Name.
Den Segen aus Wolfsburg (D) gab es dafür leider nicht, statt neue Chassis als Basis direkt ab Werk zu erhalten, mussten die Enzmann-Brüder Emil, Eugen, Robert und Hans Unfall-Käfer aufkaufen und ihre Autos auf den zuvor meist gerichteten Chassis aufbauen. VW und wohl auch Importeurin Amag, die wenig später den Karmann-Ghia sogar in der Schweiz montierte, wollten mit ihren eigenen Mitteln keine Konkurrenz unterstützen. Bis zum Ende der 1960er-Jahre sollen aber immerhin fast 100 Wagen entstanden sein. Und man lieferte zumeist statt fertiger Autos auch nur die Karosserie, roh oder lackiert und mit Scheibe und Innenausstattung bestückt, zum Eigenbau. Zum Beispiel dem eingangs erwähnten Willy Dreier. Er bezahlte 2900 Franken für eine weiss lackierte Karosserie mit zwei ungepolsterten Sitzschalen und setzte sie auf das reparierte Unfallchassis eines 1955er-Deluxe-Käfers, dessen Motor 30 PS leistete. Bei Rennen wurde der türlose Wagen den Monoposti zugewiesen – auch türlos, wie man weiss, nur leider dem 30-PS-Spider haushoch überlegen. Der Enzmann sollte doch aber gegen Porsche 356, Alfa Romeo Giulietta und Co. antreten. Und dafür brauchte er Türen und ein Dach!
Emil Enzmanns Sohn bestätigte 2017, dass die Karosserie durch das Weglassen der Türen – stattdessen gab es seitliche Trittmulden zur Überwindung der Bordwand – als stabile, aber leichte Konstruktion eine passable Alternative zu gängigen Sportwagen sein sollte. Der heutige Besitzer des Wagens, Gregory Holzapfel, erinnert sich an ein Gespräch mit dem Mechaniker Eugen Enzmann. Sein Bruder Emil, laut Eugen der «Studierte», habe die Idee der Türen damals aufgegriffen, doch als Verrat an seiner Grundidee und wohl auch wegen des Zusatzaufwands schliesslich verworfen.
1959 griff man in Schüpfheim auf Anregung von Dreier dennoch zum Kugelschreiber und skizzierte auf einem Prospektblatt die fraglichen Öffnungen auf dem Bild eines Enzmann 506 – die Skizze überdauerte all die Jahre. Die Trittmulden wurden verschlossen, dafür Türausschnitte herausgesägt, die Füllungen sauber laminiert und ordentliche Türkästen erstellt. Willy Dreier erhielt seinen Enzmann mit Türen, allerdings sparte er sich eine Neulackierung. Auch Dichtungen gab es keine, sie waren nicht vorgesehen und wurden für überflüssig befunden. Gemäss Eugen Enzmann, der die Adler-Garage führte, stammten die Türscharniere von einem gebrauchten Kühlschrank, wohl aus dem Keller des Gasthofs Adler gleich nebenan.
Willy Dreier hingegen entwarf für sein Auto ein schnittiges Hardtop. Jetzt, da der Zugang seitlich möglich war, anerbot sich dies als valable Lösung, um in der Kategorie der geschlossenen Sportwagen Rennen fahren zu können. Gemeinsam mit Enzmann feilte Dreier am Auto, die Spuren sind bis heute zu erkennen, etwa an der Motoröffnung. Dafür kaufte Dreier bei Enzmann auch die Hardware eines Unfall-Porsche 356 Super. Der 1600er-Motor leistete 75 PS, dazu verbaute er die Alubremsen, die Instrumente und das Lenkrad des Zuffenhausener Teilespenders. So ausgerüstet, startete Dreier an verschiedenen Rennen unter der Fahne seines Rallye Racing Teams. Nebst der Option eines Porsche-Motors war aber auch der Einbau eines MAG-Kompressors im VW-Motor des Enzmann möglich.
Motorschaden beendet Rennkarriere
Lange währte die Freude an der potenten Motorisierung nicht. 1961 erlitt der Enzmann einen Motorschaden, Dreier baute den Porsche-Motor aus und ersetzte die Preziose mit einem profanen VW-Motor einfacherer Bauart. Fortan nutzte er seinen besonderen Entlebucher mehr für Ausfahrten denn für Rennen. Ende der 1960er-Jahre stellte Willy Dreier sein Auto in einer Halle in Villeneuve VD ein, diese war aber weder dicht noch eine Bleibe auf Dauer, denn eines Tages musste der Enzmann binnen zehn Tagen verschwinden. 20 Jahre weilte er danach in der Garage eines Freundes. In all dieser Zeit, seit dem Ende der 1960er-Jahre bis 2019, als der heutige Besitzer Gregory Holzapfel das Auto aufspürte und dem Erstbesitzer abkaufte, geisterte der «Enzmann mit Türen» durch die Gespräche eingeschworener Enzmann-Enthusiasten. Eine gute Weile war auch Willy Dreier Mitglied der Enzmann-Innung, des Enzmann-Markenklubs, und sein Auto war im Register erfasst. Irgendwann aber verwischten sich die Spuren, Dreier meldete sich nicht mehr, der Wagen wurde zum Phantom.
Subtile Wiederbelebung
Gregory Holzapfel ist kein unbeschriebenes Blatt, seine Firma Youngtimervision mit einem Showroom in Aarberg BE handelt mit klassischen Autos. Manche besondere Wagen aber behält Holzapfel für sich. Dazu zählt auch der Enzmann, auf dessen Suche er sich schon 2017 machte. Damit das Auto so viele Spuren der Zeit wie nur möglich behielt, befolgte er nach dem Kauf einen besonderen Weg. In Delsberg hob Mechaniker René Brunner den Aufbau vom Chassis, restaurierte dieses komplett bis zur letzten Schraube und installierte wieder einen passenden Porsche-356-Motor, sinnigerweise wieder eine 75-PS-Maschine mit Baujahr 1958 aus seinem Fundus. Natürlich wurden auch die Porsche-Bremsen komplett revidiert. Und der Aufbau? Diesen liessen Brunner und Holzapfel unberührt. Die Armaturenbrettabdeckung ist vielfach gerissen, der Lack stumpf, die Sitzschalen sind noch immer ohne Polster, genau so fuhr Willy Dreier damals seinen Enzmann. Türdichtungen gibt es nach wie vor keine, und das Licht scheint immer noch durch die vorderen Radhäuser.
Das Resultat aber ist spektakulär. Leicht und gefühlt wie ein Neuwagen – kein Spiel, keine Klappergeräusche! – rennt der Enzmann 506 wie von Pressluft angetrieben. Der Porsche-Motor hat mit dem Federgewicht leichtes Spiel, das Porsche-Lenkrad liegt gut in der Hand, überhaupt sitzt es sich, hat man sich erst einmal eingefädelt, bestens im flachen Entlebucher – auch ohne Sitzpolster. Das Getriebe, die ursprüngliche Schaltbox des verwendeten 1955er-Ovali-Käfers, lässt sich aus dem Handgelenk heraus bedienen. «Solange man keine Burnouts damit macht, wird es auch die mehr als doppelte Leistung des Porsche-Motors aushalten», ist sich Restaurator René Brunner sicher. Nun steht der Enzmann wieder da – nicht wie damals zwar, aber grundehrlich und mit einer Prise Pragmatismus sowie einer gewissen kruden Geradlinigkeit, die dem Wagen eine eigene Aura verleihen.
Rennen sollte der Wagen damals fahren. Wer ihn sich heute, mehr als 60 Jahre später, zu Gemüte führt, wird nicht enttäuscht. Die 75 PS erscheinen heute bescheiden, ihre Unmittelbarkeit und die Abwesenheit irgendwelcher Bedienungserleichterungen für den Fahrer sprechen aber für sich – genauso wie die Geräuschkulisse. Beim Einbau des neuen Porsche-Motors verpasste man dem Enzmann wieder einen Sebring-Auspuff mit mittlerem Auspuffrohr, wie ihn das Auto bereits ab 1959 trug.
Der Enzmann macht Spass, einen Heidenspass sogar. Das geringe Gewicht in Kombination mit den erstaunlich guten Porsche-Bremsen gibt genügend Vertrauen, um den Enzmann etwas forscher zu bewegen. Dazu gilt es allerdings erst einmal, sich einzufädeln, denn die Frontscheibe im Stil eines Motorboots ragt weit in den Türausschnitt hinein. Die Knie gehen damit bei unvorsichtiger Herangehensweise auf Kollisionskurs. Ist der Einstieg erst gelungen, wird der unverkennbare Duft alter Autos deutlich, selbst wenn hier fast sämtliche Materialien eines herkömmlichen Innenraums nicht mehr vorhanden sind. Es gibt weder Polster, Dachhimmel noch Dämmmaterial, nur die Armaturenbrettauflage ist noch da, zumindest teilweise. Schön anzuschauen sind in jedem Fall die Instrumente, und alle Bedienelemente liegen gut zur Hand. Im Fussraum sitzt, typisch für einen alten Käfer, kein Gaspedal, sondern eine Gasrolle, die wie ein Pedal mit dem Fuss niedergedrückt wird, dabei aber unter dem Fuss abrollt. Erklärung für die jüngeren Semester: Nein, man braucht nicht daran zu drehen, um Gas zu geben. Die originelle Lösung setzte sich, soweit dem Autor bekannt, nirgendwo durch. Auch bei VW verschwand sie in den 1950er-Jahren.
Der Schalthebel ist abgekröpft, die Sitzposition wesentlich tiefer als im Käfer, auch tiefer als in einem zeitgenössischen Porsche 356. Viel mehr Bedienelemente als in einem Käfer sind hier nicht zu finden. Es gibt Schalter für Licht und Scheibenwischer, einen Blinkerhebel und, wie damals nicht unüblich, im Fussraum einen Fuss-Abblendschalter für die Scheinwerfer – alle im VW-Design der 1950er-Jahre. Auf dem Mitteltunnel sitzt das Handrad zum Öffnen der Heizkanäle. Ob der Motor aber über einen Wärmetauscher verfügt, bezweifeln wir. Wozu auch, der Enzmann 506 ist auch so eine heisse Kiste und sein Auftritt heute so spektakulär wie damals.
Offene Fragen zur Türpolitik
Die unlackierten Türen und die unbearbeiteten Trittlöcher in den Flanken lassen sich auch als eine Trotzreaktion von Willy Dreier interpretieren. Um in der gewünschten Rennklasse mitfahren zu können, waren sie wohl einfach nötig, diese verflixten Türen, wirklich geliebt hat sie vermutlich auch der damalige Auftraggeber nicht – genauso wenig wie der Konstrukteur. Ein Enzmann ist per se ein Auto von so grosser, historischer Bedeutung, dass es vermutlich legitim gewesen wäre, ihn in der ursprünglichen, türlosen Fassung wiederauferstehen zu lassen. Auch so wäre er einer von nur wenigen Enzmännern gewesen, die nach langer Versenkung wieder aufgetaucht wären. Die besondere Geschichte, was seine Türen betrifft, aber auch die langjährige Besitzerschaft, den langen Nicht-Gebrauch, sein Verschwinden und Wiederauftauchen, diese Geschichte wäre dann allerdings nur noch aufgrund der Dokumentation zu erfahren gewesen. Gregory Holzapfel aber hat sich gegen diesen Weg entschieden, und es ist fraglich, ob jemand anderer den Mut aufgebracht hätte, den Wagen in seiner Unvollkommenheit, dafür mit all seinen Spuren aus seiner Frühgeschichte zu belassen.
Nur eine Frage stellen wir uns, während wir bei mittlerer Drehzahl über die Landstrasse bollern. Warum baute Willy Dreier den Wagen nie richtig fertig, mit funktionierenden Türdichtungen und einem ordentlichen Lack auf den schaurigen, blanken Stellen des Fiberglases? Wir stellen uns vor, dass man mit diesem Auto in den 1960er-Jahren weit grössere und stärkere Wagen hätte jagen können, ohne dass jemand auf Anhieb gemerkt hätte, um was für ein Auto es sich handelte. Klar ist aber, dass dieser Enzmann Dreier trotz des nüchternen Umgangs damit viel bedeutete. Sonst hätte er ihn nicht während Jahrzehnten behalten und sogar zweimal umquartiert.
Aber Moment, gerade dieses Sein-Lassen beweist, dass die Geschichte eine grosse Geduld besitzt und Interventionismus bei historischer Substanz manchmal mehr Schaden als Nutzen bringt. Und der Enzmann mit Türen zeigt auch, dass wir uns beim Blick in die Vergangenheit oft von Vorstellungen und Träumen leiten lassen. Dieser Enzmann hingegen ist nicht zur Projektionsfläche seines heutigen Besitzers geworden, sondern das Auto geblieben, das sein Erstbesitzer Willy Dreier, der Arzt Emil und dessen Bruder und Mechaniker Eugen Enzmann erdacht und umgesetzt haben – beginnend mit der Kugelschreiberskizze auf einem Prospektblatt in der Garage beim Hotel Adler in Schüpfheim.
Autos besitzt Gregory Holzapfel viele, eines wie dieses aber nur einmal. Wir freuen uns, den Enzmann ab und an in voller Fahrt anzutreffen. Wir würden dem Fahrer mit Freude die Tür öffnen und ihm beim Aussteigen helfen.