Welche Wonne! Jura-CEO Emanuel Probst empfängt mich in der Autogarage seiner kleinen Sammlung. «Das ist wie ein zweiter Wohnsitz», sagt der Designliebhaber. Lächelnd fügt er hinzu: «Hier nehme ich oft das Mittagessen ein – und mache danach ein halbstündiges Nickerchen auf dem weissen Sofa.»
So weit, so gut. Was hier an Automobilkunst eingestellt ist, ist einzigartig. Unter anderem steht da eine dunkelgrüne Corvette Stingray. Ein Cabrio Jahrgang 1967 mit Chevrolet-Motor. «US-Präsident Joe Biden besitzt dieses Auto auch», erzählt Probst mit einem Lachen. «Es ist eines der ersten Modelle mit vier Scheibenbremsen.»
Sein grösster Stolz: ein kleines Auto
Dann aber steigt Probst in seinen grössten Stolz. Und der ist eigentlich ein ganz Kleiner. Es ist der Nissan Figaro mit Einliter-Turbomotor. Ein Cabriolet mit Dreistufenautomatik, Jahrgang 1991, Spitzengeschwindigkeit 160 km/h. Nur 20 000 Exemplare wurden erbaut, über 200 000 Bestellungen gingen ein. «Vergeben wurden sie in einem Lotteriesystem.» Wie kam er zum Handkuss? Das war 2016. «Wir entdeckten das Auto anlässlich unseres Besuches am Wimbledon-Tennisturnier in London», berichtet der Unternehmer, der seit 15 Jahren auf Superstar Roger Federer als Markenbotschafter setzt. «Meine Ehefrau Marianne verliebte sich sofort in den süssen Nissan.» Das Glück spielte mit: «Ein Engländer zog in die Schweiz und besass diesen Nissan. Mein Garagist fuhr mit Autoanhänger zu ihm, zahlte bar und lud ihn auf. Voilà!» Probst schenkte das Bijou seiner Frau.
Mit grossen Augen läuft Emanuel Probst um sein Prunkstück herum. «Schau dir die vielen herrlichen Details an! Die elektrische Radioantenne, die Kappe über den Frontlichtern, die vier Fensterknöpfe in Muschelform des Wagenemblems, das Ersatzrad im Kofferraum. Alles ist so liebevoll gemacht.» Speziell auch die Wagenfarbe. «Es gibt nur vier Farben – analog den Jahreszeiten. Wir haben die Sommerfarbe Pale Aqua.» Jetzt öffnet Probst die Motorhaube. Und lacht: «Die musste einmal neu gespritzt werden. Die Motorhitze hatte den Lack zerstört.»
Wir blättern noch ein wenig in einigen Jahreskatalogen der Automobil Revue seit 1947. «Ich habe alle diese Kataloge. Nur die aus den Jahren 1947 und 1956 fehlen mir», so Probst. Nun verlassen wir die Autogarage wieder. «Ich habe viel Glück gehabt im Leben», sagt der Firmenchef. «Eines davon ist unser Schätzeli, der Nissan Figaro. Wir würden ihn niemals hergeben.» Wie recht er doch hat damit.
Sieben Fragen an Emanuel Probst
Mein erstes Auto Ein roter Opel Corsa, 1.2 Liter, 55 PS, mit beigen Stoffsitzen im Jahr 1983 für 10 990 Franken. Wichtige Extras waren das Radio und die Dreispeichen-Aluräder.
Meine letzte Busse Ich werde praktisch nie gebüsst. Letztes Jahr war ich in einer 30er-Zone einen Stundenkilometer zu schnell.
Meine letzte Panne Eine Reifenpanne vor etwa fünf Jahren in einem Auto mit Onstar. Da fuhr ich von der Autobahn ab, und sofort kam die Meldung von Onstar mit der Frage, ob ich Hilfe benötige.
Lieblingssender im Auto Täglich beim Heimfahren höre ich das «Echo der Zeit» auf SRF 1. Am Morgen läuft Spotify.
Lieblingsmusik beim Fahren Motown-Sound.
Mein Traumautomobil Aston Martin sind wunderschöne Autos. Sie flüstern, statt zu schreien. Es sind die Grace Kellys der Automobile, elegant, zurückhaltend und technisch artistisch. Kein Wunder, sind sie James-Bond-Fahrzeuge.
Mein Fahrstil Sehr flüssig, defensiv und zurückhaltend mit viel Abstand zum Vorderwagen.
Zur Person
Emanuel Probst (geboren 1957) wuchs in Oberbuchsiten SO auf und studierte an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaft. Einem anschliessenden Praktikum an der New Yorker Wall Street folgten verschiedene berufliche Engagements, in welchen er sich ein profundes Wissen in verschiedenen Branchen aneignete. 1985 wurde er in den Verwaltungsrat der Jura Elektroapparate AG berufen. 1991 übernahm er die operative Leitung und baute die Firma zum weltweiten Innovationsleader für Kaffeespezialitäten-Vollautomaten um. Emanuel Probst ist verheiratet und Vater von einem Sohn und einer Tochter. In seiner Freizeit interessiert er sich für Design, Architektur – und natürlich für Autos.
Die Pike Factory und der Nissan Figaro
Der Nissan Figaro sieht zwar aus wie ein Oldtimer aus den 1950er-Jahren, ist aber eigentlich erst gut 30 Jahre alt. Anfang der 1990er-Jahre wurde er von einer speziellen Abteilung bei Nissan gebaut, die sich mit der Entwicklung von genau solchen absurden Nischenfahrzeugen beschäftigte. Unter der Leitung von Designer Jun Shimizu zeichnete die Pike Factory, wie seine Abteilung hiess, für verschiedene exzentrische, aber simple Kreationen verantwortlich wie den Be-1 und den Pao. Die Entwicklung des Figaro begann 1989, als Shimizu zusammen mit seinem Team ein Auto entwerfen wollte, das an ehemalige Datsun-Roadster erinnern sollte. Als Basis diente die erste Generation des Nissan Micra mit einem Einliter-Turbomotor mit 56 kW (76 PS) und einer Dreigang-Automatik. Angelehnt an die Jahreszeiten standen vier Farben zur Auswahl: ein Minzgrün namens Emerald Green für den Frühling, das pastellblaue Pale Aqua für den Sommer, Topaz Mist für den Herbst und Lapis Grey für den Winter. Ein passendes Autoradio im Retrodesign wurde von Clarion hergestellt, der Wählhebel bestand aus einer Bakelit-Nachbildung. Ursprünglich waren 8000 Stück geplant, schliesslich wurden es 20 000 Exemplare, deren Käufer aufgrund der grossen Nachfrage teilweise über Losverfahren ermittelt wurden. Der Neupreis in Japan betrug 1.8 Millionen Yen, umgerechnet wären das heute über 30 000 Franken! Trotzdem war die Pike Factory stark defizitär und stellte nach dem Figaro ihre Arbeit ein.