Wir schauen zurück auf das vergangene Jahr in der Schweizer Verkehrspolitik. Es sind einige wichtige Entscheide gefällt worden, auch wenn keiner davon ganz direkte Auswirkungen gehabt hätte. Aber die Weichen sind gestellt und zwar nicht nur im Sinne der Autofahrer. Trotzdem muss festgehalten werden, dass es auch kleine Siege zu verzeichnen gab.
Viel zu reden gab die Abstimmung zum neuen CO2-Gesetz im Juni. Obwohl sich fast die gesamte Classe politique für die Annahme des Gesetzes stark machte, lehnte es das Volk an der Urne ab, da es höhere Kosten in allen Lebensbereichen mit sich gebracht hätte. Auf den kleinen Teilsieg folgten dann zwei Hammerschläge: Kurz nach der Abstimmung wurden die Kompensationsabgaben auf Mineralöl angehoben, was das Benzin verteuerte, und Mitte Dezember auch noch die CO2-Bussen auf emissionsstarke Fahrzeuge erhöht. Auch der Verkehrsfluss war ein Thema in diesem Jahr: So beschlossen mehrere Städte die Einführung von flächendeckendem Tempo 30 und arbeiteten Pilotprojekte für Mobility-Pricing aus. In beiden Fällen hat der Bund die Städte in ihrer autofeindlichen Haltung zurückgepfiffen.
Prüfung von Mobility-Pricing
Im Februar entschied der Bund, dass Mobility-Pricing für die Schweiz geprüft werden soll. Es brauche eine fahrleistungsabhängige Abgabe, mit der in Zukunft die Infrastruktur finanziert werden könne – nicht zuletzt vor dem Hintergrund abnehmender Einnahmen aus der Benzinsteuer und dem Benzinsteueraufschlag durch die erwartete Verbreitung von Elektroautos. So forderte der Bund Städte, Gemeinden und Kantone auf, Pilotprojekte für Mobility-Pricing einzureichen, betonte aber auch, dass es explizit nicht um reines Roadpricing gehe. Prompt rügte der Bund nach Prüfung der eingereichten Projekte Ende November, die Pläne fokussierten einseitig auf die Strasse und den Individualverkehr und liessen den öffentlichen Verkehr ausser Acht.
Immer mehr Tempo 30
Die Initiative von Gabriela Suter (SP/AG) für grossflächige Tempo-30-Zonen in den Städten geht zwar noch aufs Jahr 2020 zurück, erst 2021 wurde die Diskussion um flächendeckendes Tempo 30 aber so richtig aktuell, nachdem verschiedene Städte konkrete Pläne präsentiert hatten. Auf unerwarteten Widerstand stiessen sie aber nicht nur von der Seite der Autofahrer, sondern auch bei den Betrieben des öffentlichen Verkehrs. Diese befürchten nämlich Mehrkosten in Millionenhöhe durch die erzwungene Verlangsamung ihrer Fahrzeuge. Das hielt Städte wie Lausanne VD, Winterthur ZH und Zürich aber nicht zurück: Sie alle haben Tempo 30 bereits eingeführt oder aber dessen Einführung beschlossen. Auch in diesen Belangen hat der Bund die Städte zurückgepfiffen und festgehalten, dass auch weiterhin Tempo 50 auf verkehrsorientierten Strassen zu gelten habe.
Nein zum CO2-Gesetz
Es war ein langer Kampf und ein wegweisender Entscheid. Bereits Ende 2020 ergriff eine unheilige Allianz aus radikalen Umweltschützern und der SVP das Referendum gegen das neue CO2-Gesetz. Die erforderlichen Unterschriften kamen locker zusammen, sodass es im Juni zur Abstimmung über das CO2-Gesetz kam. Obwohl Umweltministerin Simonetta Sommaruga heftigst für das Gesetz weibelte und ausser SVP und Jungliberalen kaum jemand offen dagegen war, folgte am 13. Juni der Paukenschlag: Das Volk lehnte das Gesetz ab. In der Politik und in den Medien folgte eine rege Diskussion darüber, ob das Volk jetzt ein strengeres Gesetz wolle, bloss nicht in dieser Form, oder ob die Ablehnung als Zeichen gegen die Diktatur der Klimapolitik zu verstehen sei. Die Reaktionen aus der Schweizer Autobranche waren unmissverständlich: Man sei froh, dass das Gesetz abgelehnt worden sei, weil es auf Verbote, auf Zwänge und auf fehlgeleitete Subventionierung gesetzt habe. Das sei falsch, man müsse stattdessen auf die Erforschung und die Entwicklung neuer Lösungen setzen. Vegangene Woche stellte Simonetta Sommaruga eine revidierte Version für ein neues CO2-Gesetz vor. Auch darin sind wieder Milliardenbeträge an Subventionierungen für neue Heizungen, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und für Ladestationen für Elektroautos sowie höhere CO2-Bussen für die Autoimporteure vorgesehen.
Benzinpreis
Einfach konstant ist er nie, in diesem Jahr gab aber der Benzinpreis wieder einmal besonders zu reden. Lag er Anfang 2021 noch unter 1.40 Franken pro Liter, kletterte er im Lauf des Jahres auf über 1.90 Franken. Während es für die Schwankung auch wirtschaftliche Gründe gibt – gestiegene Nachfrage nach den weltweiten Corona-Lockdowns, begrenzte Fördermengen, teure Frachtkosten –, geht immer noch ein grosser Teil auf Steuern und Abgaben zurück. Mit der Mineralölsteuer, dem Mineralölsteuerzuschlag und der Mehrwertsteuer greift der Staat gleich dreimal in die Taschen der Autofahrer. Dazu kommen noch Abgaben für den Klimaschutz, die im Sommer trotz Ablehnung des CO2-Gesetzes angehoben wurden. Im Oktober wurde bekannt, dass die bisherige Abgabe für den Klimaschutz, der Klimarappen, in den vergangenen Jahren zu hoch angesetzt war.
Höhere CO2-Bussen
Kurz vor Jahresende und trotz Ablehnung des CO2-Gesetzes erhöhte der Bund im Dezember die CO2-Bussen für die Importeure für das kommende Jahr. Es drängten sich Anpassungen an der CO2-Verordnung auf, hiess es aus dem Departement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Wieso genau sich Anpassungen aufdrängen und was diese sind, ist nicht klar – ausser man setzt voraus, dass ein allgemein härterer Kurs in der Klimapolitik gefahren werden soll. Klar ist: Das Phasing-in für emissionsstarke Fahrzeuge und die Sonderziele für Kleinhersteller werden mit diesem Entscheid aufgehoben. Die Folge seien hohe Kosten und praktisch kein Nutzen fürs Klima, zeigte sich François Launaz, Präsident von Auto-Schweiz, enttäuscht über den Entscheid: «Die Massnahmen werden kaum CO2-senkende, sondern nur kostensteigernde Effekte haben.»
International: Krisen und Commitments
Die Branche hat ein hartes Jahr hinter sich, fasste aber auch Pläne. Das waren die wichtigsten Ereignisse.
Halbleiterkrise
Kein Thema hat die Autoindustrie international so beschäftigt wie die Halbleiterkrise. Kaum ein Hersteller blieb vom Mangel an Halbleitern verschont, der zu Lieferverzögerungen von bis zu mehreren Monaten führte. Es zeigte sich die Fragilität der globalen Lieferketten, der Just-in-time-Produktion und der starken Abhängigkeit von wenigen Zulieferern. So führten unter anderem Lockdowns wegen Covid-19, ein starker Wintersturm im US-Bundesstaat Texas und ein Brand in einer Fabrik in Japan dazu, dass ein massiver Engpass bei der Lieferung von Halbleitern entstand. Durch die gestiegene Nachfrage nach Unterhaltungselektronik standen plötzlich viel zu wenig Chips für die Autoindustrie zur Verfügung, Steuergeräte konnten nicht produziert und Autos nicht ausgeliefert werden. Experten gehen davon aus, dass die Probleme noch lange ins nächste Jahr oder darüber hinaus nachwirken werden.
Software und Daten
Wenn die Hersteller ein Bekenntnis zur Elektromobilität abgaben, kam oft auch noch ein starker Fokus auf die Digitalisierung hinzu. Hersteller haben in die Softwareentwicklung investiert, Tausende neue Experten angestellt oder neue Spin-offs gegründet – beispielsweise Cariad bei Volkswagen mit mehreren Tausend Mitarbeitern. Auch Mercedes hat in diesem Jahr verkündet, weltweit über 3000 neue Stellen im Bereich Softwareentwicklung schaffen zu wollen. Neben der Digitalisierung im Fahrzeug, also dem Betriebssystem, das im Auto implementiert ist und die Schnittstelle für die Bedienung durch den Fahrer und autonomes Fahren bildet, geht es dabei vor allem um eines: Die Software im Hintergrund bereit zu haben, um Kundendaten und Nutzerverhalten sammeln und auswerten zu können. Denn diese Daten sind für die Hersteller Gold wert.
Bekenntnis zum Elektroauto
Das Thema Elektromobilität ist schon seit einigen Jahren aktuell, aber 2021 hat es bei den Herstellern so richtig eingeschlagen. Kaum eine Marke und kein Konzern, die in diesem Jahr nicht ihre Pläne für den Ausstieg aus den Verbrennungsmotoren (zumindest in Westeuropa) und einen starken Ausbau der Investitionen für Elektroantriebe ankündigte. Bei Ford soll es 2030 sein, bei Honda 2040, bei Mercedes in den 2030er-Jahren. Die grossen Konzerne teilen ihre Marken auf und machen einige davon zu reinen E-Herstellern. Kurz vor Jahresende hat auch Elektronachzügler Toyota eine Strategie und eine Planung für zukünftige Elektromodelle vorgestellt und nicht weniger als 15 vollelektrische Konzeptfahrzeuge vom Kleinwagen bis zum Pick-up vorgestellt. Es bleibt aber dabei: Auch Wasserstoff und synthetische Treibstoffe werden weiterhin eine wichtige Rolle spielen – nicht nur bei Toyota.