Audi RS 3: Einstiegsdroge

Audi hat den RS 3 neu aufgelegt. Es gibt ihn mit mehr Schärfe, mehr technischer Eigenständigkeit – und auch einem gewissen Mass an lustvollem Unsinn.

Autor: Martin Sigrist

Ist das der ultimative, heisseste aller Hot Hatches? Der finale Erbe einer langen Reihe von aufgepeppten Familienkompaktwagen, einer Gattung, die übrigens viel früher als der oft zitierte VW Golf GTI in der Automobilwelt auftaucht? Als Beispiel sei hier nur der Citroën Traction Avant 7S (Sport) genannt, ein kleinerer Wagen mit dem grösseren Motor des übergeordneten Modells für mehr Sportlichkeit. Aber lassen wir die Vergangenheit ruhen.

Fakt ist, dass der Audi RS 3 in seine dritte Generation fährt. Es gibt ihn als Limousine und Sportback, den typischen, kraftstrotzenden Kompaktwagen mit Heckklappe. Die Zahlen lesen sich mehr als eindrücklich: Quattro-Allradantrieb, 2.5 Liter Hubraum, fünf Zylinder, 400 PS Leistung, 500 Nm Drehmoment, Spurt von 0 auf 100 km/h in unter vier Sekunden, Höchstgeschwindigkeit auf Wunsch und gegen Aufpreis von bis zu 290 km/h – und das ab rund 77 000 Franken. Liest man sich durch das Datenblatt, so begleitet einen das unterschwellige Gefühl, dass irgendwo oder irgendwann ein Kompromiss zutage treten müsse – eine kleine Batterie, ein Elektromotor, irgendeine Einrichtung, die als Vernunftfeigenblatt mit an Bord ist vielleicht. Aber so sehr man es dreht und wendet, da ist nichts dergleichen. Es gibt Leistung, es gibt Drehmoment, und es gibt Vortrieb. Der Audi RS 3 scheint uns all die bis heute erreichten Errungenschaften des reinen Autos mit Verbrennungsmotor in schattenloser Glorie darzureichen. Gesammelt, filtriert und auf die wertvollste aller Essenzen kondensiert.

Das schreit geradezu danach, nachgeprüft und erlebt zu werden! Das Umland von Athen dient als Teststrecke, auf der wir einen ersten Eindruck des neuen Audi RS 3 gewinnen wollen. Der Natur dieser Umgebung entsprechend – es gibt die neuen Autobahnen, aber auch reichlich ausgefahrene ­Nebenstrassen – fällt uns als erstes der erstaunlich gute Abrollkomfort des RS 3 auf. Trotz der auf hohe Performance getrimmten Pirelli P Zero Trofeo R lässt sich der ultimative A3 erstaunlich kultiviert und geschmeidig über die von unzähligen Flicken übersäten Strassen fahren. Selbst die zwar ordentlich Kraft einfordernde Lenkung nimmt sich massvoll zurück, wenn es darum geht, Längsrillen auf Gedeih und Verderb nachzulaufen. Der RS 3 zieht erfreulich stoisch seine Spur, Lenkkorrekturen aber nimmt er sofort und präzise entgegen.

Präzises Fahrwerk

Ausserhalb der Stadt, im Fahrmodus Sport, ändert sich an diesem Verhalten wenig. Der Audi federt, der Aufbau liegt nicht wie das viel zitierte Brett auf der Strasse, sondern ist stets etwas in Bewegung, ja schwingt gar über Bodenunebenheiten weg. Der Präzision tut dies kaum Abbruch. Und wenn dem Audi – wie in unserem Fall auf einer frisch abtrocknenden Strasse mit reichlich zu Schmiere verwandeltem Staub – einmal bei erhöhtem Leistungseinsatz das Heck weggeht, fängt er sich mit blitzschnellem Einsatz allerlei erstaunlicher Gimmicks und Gadgets sofort wieder. Das tut er übrigens so raffiniert, dass die Person am Lenkrad das Gefühl hat, sie allein habe das Fahrzeug wieder auf Kurs gebracht – darauf werden wir noch eingehen. Schnell wird aber klar, dass das Fahrwerk – vorne Federbeine mit Dreieckslenkern und durch etwas längere Aufnahmen des Querlenkers mit 0.5 Grad mehr Radsturz als bei weniger hochstehenden Modellen, hinten eine Mehrlenkerachse – dem jüngsten Mitglied der RS-Familie keine Limiten setzt. Es sind die schiere Leistung und die Art, wie sie entsteht, die über Sein oder Nichtsein entscheiden – und ob man sich traut, sie abzurufen und einzusetzen.

Der 2.5 Liter grosse, glorios klingende Reihenfünfzylinder braucht aus tiefem Drehzahlkeller etwas Zeit, um zu reagieren. Dasselbe gilt auch bei manuellen Befehlen über die Paddles an das Doppelschaltgetriebe, dessen Grundrichtung erstmals über einen elektrischen Wählhebel mit kleinem Schalter auf der Mittelkonsole bestimmt wird. Ist der Motor jedoch zum Leben erwacht, dann eilt er in einer Art voran, dass schnelle Reaktionen des Fahrers an Bedeutung gewinnen – was einen der Audi aber nicht als müssen, sondern als dürfen empfinden lässt. In klassischer Quattro-Manier drängt der RS bei sehr schwungvollem Anfahren von Kurven über alle Viere nach aussen, der gut gewählte Einsatz des Gaspedals mit entsprechendem Lenkeinsatz am Kurvenscheitelpunkt sowie die Reserven an Leistung und Drehmoment bringen die Fuhre mit etwas Gegenlenken aber wieder auf Kurs. Richtig, das wirkt wie ein Hecktriebler und ist erfreulich fahraktiv. Doch dazu – wir kommen wirklich noch dazu, wie bereits erwähnt – etwas später.

Vorwärtsstrategie

Lassen wir die Katze aus dem Sack: Der Audi A3 RS hat hinten kein klassisches Differenzial mehr! Was technisch so raffiniert scheint wie die schmalspurige Hinterachse einer seligen BMW Isetta, ist tatsächlich die konsequente Weiterführung dessen, was beim Allradantrieb über Lamellenkupplungen seit geraumer Zeit zum Standard geworden ist. Wie man weiss, verzichtet das ursprünglich unter dem Namen des Herstellers Haldex bekannt gewordene System auf ein Zentraldifferenzial. Der Audi A3 war übrigens 1998 eines der ersten Autos mit einem Haldex-Allradantrieb. Das funktioniert aber nicht nur längs, sondern auch quer. Der Hinterachsantrieb des RS besteht somit aus einem Kegelrad, einem davon angetriebenen Tellerrad, das direkt auf einer kurzen Welle sitzt, und aus zwei je an beiden Enden angebrachten Lamellenkupplungen und einer entsprechenden Steuerung. Das mechanische Differenzial fällt weg, den Ausgleich zwischen dem linken und rechten Rad bewerkstelligen die Kupplungen. Das tönt bei näherer Betrachtung so selbstverständlich – beim Allrad funktioniert es ja völlig ohne Zutun des Fahrers und meist unbemerkt –, dass man sich fragt, warum nicht schon lange jemand auf diese Idee gekommen ist. Die Antwort liegt in der benötigten Rechengeschwindigkeit für die Regelelektronik und am Platz, den es braucht, um das System unter einem allfälligen Kofferraum einzubauen, meinen zumindest die Audi-Ingenieure.

Der Clou ist, dass die Kraft nicht wie beim Torque-Vectoring mittels Bremseingriff, also die Hemmung eines durchdrehenden Rads, indirekt dahin geleitet wird, wo es Grip hat, sondern direkt. Torque-­Splitter nennt Audi die Technologie, die ohne weiteres Zutun jenem Rad die Kraft zuteilt, die es auch auf den Boden übertragen kann – eine Vorwärtsstrategie, denn Autos sind zum Fahren gebaut, nicht zum Bremsen. Ja, das hat Ettore Bugatti schon lange vor unserer Zeit gesagt. Aber zurück zu den wichtigen Dingen: Die Bremsen bleiben kalt. Der Effekt ist verblüffend, der RS 3 wirkt dadurch ungemein fahraktiv. Und auch ein Durchdrehen der Räder lässt sich provozieren, gewiss. Zur Demonstration liess es sich Audi nicht nehmen, bei nächtlicher Dunkelheit auf einem eigens dafür eingerichteten Platz den Kompaktsportler im RS-Torque-Rear-Modus so driften zu lassen, dass für die Region Athen kurzzeitig Nebel gemeldet wurde. Aber der RS 3 beweist auch bei sehr sportlicher Fahrweise oder auf der Rennpiste, dass er nicht aus der Ruhe zu bringen ist. Angesichts der Tatsache, dass dieser Herrlichkeit ab 2030 das Ende droht, haben sich die Verantwortlichen in Ingolstadt nochmals richtig ins Zeug gelegt. Ende des Jahres sollen die ersten Exemplare in die Schweiz kommen. Die Preise starten bei 76 900 Franken für den Sportback und bei 77 950 Franken für die Limousine.

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

1 Kommentar

  1. Sehr geehrter Redaktion
    Ich bin selber Auto Ing. HTL und bin dem Auto nicht feindlich gesinnt. Wer aber in der heutigen Zeit
    dieses Modell so verherrlicht ist geblendet vom Wahn des Autofahrens.
    Diese Modelle verursachen Verletzte, Tote, Gerichtsarbeit und schaden der Autowelt nur.
    Niemand begreift, dass solche FZ zugelassen werden.

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