Mit luxuriösen, leistungsstarken viertürigen Coupés verhält es sich ähnlich wie mit hochmotorisierten SUV: So wie Letztere selten im Gelände zum Einsatz kommen, so sehen Coupés eine Rennstrecke allenfalls von ausserhalb der Umzäunung. Fit für den Einsatz auf der Rundstrecke sind Autos wie der neue BMW Alpina B8 aber durchaus. Mit Tempo 270 durcheilt der B8 die lange Bergaufgerade auf dem Salzburgring und lässt sich, als ob Physik nur auf dem Papier existierte, mit seinen rund 2.2 Tonnen Leergewicht um die Kurven zirkeln. Aber nein, das ist nicht der Alltag für ein solch nobles Fahrzeug, das seine Stärken eher auf der Langstrecke hat und seine hohe Alltagstauglichkeit aus der Mischung aus Fahragilität und Komfort bezieht. Bei einem Einstiegspreis ab knapp 190 000 Franken stellt sich die Frage der Vernunft sowieso nicht.
Ein V8 mit knapp viereinhalb Litern Hubraum ist die antriebsseitige Basis für den Alpina B8, bei dem sich der Kleinserienhersteller aus dem Allgäu strikt an seine Philosophie hielt: viel Detailarbeit im Bereich der (Antriebs-)Technik, viel Understatement beim optischen Auftritt, viel Liebe zum Feinschliff bei Materialien und Verarbeitung im Innenraum. Der Alpina B8 optimiert das 8er Gran Coupé von BMW in vielerlei Dingen und übertrifft dabei sogar den M8 um 91 PS. Im Vergleich zum M8 Competition herrscht zwar nahezu Gleichstand (621 zu 625 PS), jedoch waren und sind Alpina-Triebwerke immer Drehmomentmotoren. 800 Nm und damit 50 Nm mehr als bei BMW stemmen die acht Kolben des B8 auf die Kurbelwelle. Zwei Turbolader, die auf Twinscroll-Technik basieren und mit ihren 54-Millimeter-Turbinen im unteren Drehzahlbereich schnell Druck aufbauen, sorgen dafür, dass das maximale Drehmoment zwischen 2000 und 5000 Touren anliegt.
Das erzeugt nicht nur einen ordentlichen Schlag in den Rücken, wenn man den B8 beschleunigt, sondern sorgt auch für eine unglaubliche Elastizität, die entspanntes Cruisen zum Fahrspass macht. Ganz nebenbei erledigt der B8 den Sprint von 0 auf 100 km/h in 3.4 Sekunden. Der Tempozuwachs hat erst dann ein Ende, wenn der digitale Tacho Tempo 324 anzeigt – in der Schweiz ohnehin und auch auf der Autobahn in Deutschland sicherlich ein theoretischer Wert. Aber, wie Firmenchef Andreas Bovensiepen mit einem Augenzwinkern sagt: «Deutlich über den Werten der Konkurrenz und serienmässig.» Bei Audi, BMW und Mercedes-Benz ist normalerweise bei 250 km/h Schluss, eine höhere Maximalgeschwindigkeit kostet einen zum Teil kräftigen Zuschlag. Als Konkurrenz für den B8 definiert Bovensiepen Modelle wie den Audi S7, Porsche Panamera Turbo S oder den viertürigen Mercedes-AMG GT. Und in den sich wandelnden Zeiten möchte man ergänzen: Porsche Taycan Turbo S oder auch Tesla Model S Plaid.
Gangwechsel in 100 Millisekunden
Damit der Achtzylinder bei allem Leistungswillen thermisch gesund lebt, wird die Hitze von drei grossformatigen Kühlern vom Motor weggeführt. Alpina-spezifische Ladeluftkühler sorgen dafür, dass die von den Turboladern in die Brennräume gedrückte Luft mit genügend Treibstoff angereichert wird. Ein ZF-Achtganggetriebe versorgt Vorder- und Hinterachse mit Antriebsenergie. Der Drehmomentwandler wurde mit einem verstärkten Radsatz und Turbinen-Torsionsdämpfern an die Kräfte angepasst, die der V8 liefert. Die Ölwanne besteht aus Aluminium, damit das Getriebeöl die Hitze schneller an die Umgebung abgeben kann. Eine angepasste Software reduziert die Zeit für einen Gangwechsel auf 100 Millisekunden. Sie optimiert auch mehrfaches Herunterschalten – zum Beispiel über die grossen Schaltwippen am Lenkrad – und die Launch-Control für den besonders sportlichen Start.
Ab Werk rollt der Wagen auf 21 Zoll grossen Rädern, deren Pneus von Pirelli speziell für das Modell entwickelt wurden. Dabei wuchs die Durchmesserlinie durch eine erhöhte Reifenflanke von 685 auf 705 Millimeter, was den Radkasten optisch schöner füllt. Darüber hinaus deckt die Neuentwicklung einen breiteren Nutzbereich ab: Neben Grip, Präzision und Hochgeschwindigkeitseigenschaften auf der einen Seite stehen verbesserte Komfortqualitäten auf der anderen, wie Pirelli-Deutschland-Chef Michael Wendt erklärte. Knapp zwei Jahre Entwicklungsarbeit stecken im P-Zero mit Alpina-Kennung.
Weite Spreizung
Die Fahrmodi des B8 sind ein weiterer Faktor für die weite Spreizung zwischen sportlicher Auslegung und Komfort auf schlechten Strassen. Zwischen Comfort+ und Sport+ verändert der B8 zum Beispiel seine Schaltcharakteristik vom kaum zu spürenden Gangwechsel bis zum harten Zupacken des Getriebes. Auf den nicht sehr gepflegten Bergstrassen des Salzkammerguts bügelt das Fahrwerk Unebenheiten weitgehend weg, während er bei sehr sportlicher Gangart und hohen Geschwindigkeiten auf dem Salzburgring mit enormer Präzision durch die Schikanen und Kurven bewegt werden kann – sehr schnell und mit spürbaren Reserven.
Zu einem Preis von 189 800 Franken steht der Alpina B8 ab sofort bei den inzwischen vier Alpina-Händlern der Schweiz (zwei im Kanton Waadt, je einer in Basel-Landschaft und Luzern, ein weiterer in Zürich soll noch in diesem Jahr folgen). Zu diesem Preis ist das grosse Coupé bereits üppig ausgestattet, doch die Chance auf weitere Optionen bietet die Preisliste immer noch.
Die technischen Daten zu diesen Modellen finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REUVE.