«Müssen uns anpassen, um zu überleben»

Nach zwei Jahren bereitet der Autosalon Genf für 2022 seine Rückkehr vor. Direktor Sandro Mesquita weiss allerdings, dass die Partie noch nicht endgültig gewonnen ist.

Absagen, interne Querelen, Finanzloch, Verkauf – die Geneva International Motorshow erlebte zahlreiche Rückschläge seit der Absage in letzter Minute im März 2020. Jetzt scheint das Schlimmste überstanden und der gute alte Autosalon dürfte nächstes Jahr seine Tore von 19. bis 27. Februar 2022 wieder öffnen. Auch wenn die offizielle Bestätigung noch aussteht, ist Direktor Sandro Mesquita sehr zuversichtlich. Der Waadtländer weiss aber auch, dass diese Rückkehr erst der Anfang auf dem Weg des Wiederaufbaus ist.

AUTOMOBIL REVUE: Wie ist der Stand des Autosalon Genf 2022?

Sandro Mesquita: Wir sind mitten in der Vorbereitung. Die endgültige Entscheidung, ob der Salon 2022 stattfinden wird, fällt zwischen Ende August und Mitte September. Einige Marken haben uns um eine zusätzliche Frist für ihre Entscheidung gebeten. Die Zeichen sind bisher sehr positiv.

Haben sich die Beziehungen zu Palexpo normalisiert?

Ja, wir arbeiten bereits wieder in unseren Räumlichkeiten im Palexpo. Die Krise von 2020 liegt hinter uns, und wir konnten neu beginnen. Wir arbeiten eng mit Palexpo zusammen, um die Ausagbe 2022 vorzubereiten.

Haben die wichtigen Aussteller bereits zugesagt?

Ja. Wir haben bisher eine Repräsentation, die mit anderen Jahren vergleichbar ist. Unter anderem werden auch wieder Hersteller von Super- und Hypercars anwesend sein. Wir geben aber im Moment noch keine Namen bekannt, auch weil die endgültige Entscheidung über die Durchführung noch nicht getroffen wurde.

Was ergab sich aus den Diskussionen mit den Ausstellern?

Die sehr starke Verbundenheit zum Salon aus emotionalen und professionellen Gründen hat uns beruhigt. Es werden Neuerungen erwartet wie Erlebnisse, die über die einfache Präsentation neuer Modelle hinausgehen. Der Salon muss einen echten Return on Investment für die Marken bieten. Wir wollen eine Plattform schaffen, an der die Zukunft des Autos diskutiert und mitgestaltet wird. Wir planen einen Ort für Konferenzen, wo auch die Preisverleihung des Car of the Year stattfinden wird. Ausserdem planen wir die Möglichkeit für Testfahrten mit emissionsarmen Autos. Des weiteren gibt es eine Zone für Sim-Racing. Wir wollen dieser Szene Sichtbarkeit bieten, schliesslich sind viele Hersteller darin engangiert. 

Ist die Angst vor einen neuen Viruswelle eine Hürde für die Aussteller? Oder eher das sinkende Interesse für Salons?

Die Berechtigung für Messen wurde zu Recht bereits vor mehreren Jahren in Frage gestellt, und das Thema ist immer noch aktuell. Corona hat gewisse Veränderungen, die die Marke sowieso schon durchlaufen, beschleunigt. Dies gilt insbesondere für die Digitalisierung. Die Marken stellten sich bereits früher die Frage, ob anstelle der Teilnahme an den grossen Messen nicht eher eine Fokussierung auf massgeschneiderte Veranstaltungen erfolgen sollte. Die Marken haben jetzt aber auch die Grenzen dieser digitalen Präsentationen erfahren und sehen die Salons wieder als eine interessante Plattform. Sie werden allerdings in Zukunft ihre Teilnahme an Messen sorgfältiger prüfen und nicht jedes Jahr dabei sein, immer in Abhängigkeit der jeweils eingeplanten Neuheiten.

Wie kann man virtuelle Inhalte mit der physischen Präsenz auf einem Salon kombinieren?

Genf bleibt eine Präsenzveranstaltung, das ist unser Kerngeschäft. Die Idee besteht in der Verwendung digitaler Instrumente zur verbesserten Strahlkraft unseres Salons. So werden sämtliche Pressekonferenzen auch digital übertragen, was die Reichweite erhöht.

Glauben Sie, dass die reihenweisen Absagen der Messen wegen Corona die Bedeutung der Präsenzveranstaltungen aufgezeigt haben?

Genau das ergab sich aus den Diskussionen mit den Marken, aber das sollte man auch nicht für bare Münze nehmen. Ein Weiter so wie bisher geht nicht, wir müssen uns anpassen, um zu überleben. 

Haben Sie Angst vor einem Katastrophen­szenario wie im Jahr 2020, als der Autosalon im letzten Moment abgesagt werden musste?

Ich blicke mit Zuversicht in die Zukunft. Wir sind aber auf eine mögliche Absage vorbereitet. Das gehört auch zu den Fragen, die uns die Marken stellen. Wir planen auch ein Szenario ohne Besucher, falls es die Situation erfordern sollte. Wir mussten ebenfalls unsere Konditionen der Rückzahlung im Fall einer Absage anpassen als Absicherung für die Marken.

Das heisst, die Marken werden im Fall einer Absage entschädigt?

Ja, wenn die Absage vor Beginn des Salons erfolgen sollte, werden sämtliche Mietkosten für die Standflächen erstattet. 

Wie haben Sie sich mit den Ausstellern von 2020 geeinigt, die eine Rückzahlung aufgrund der Absage in letzter Minute forderten?

Wir haben ihnen einen Rabatt auf die Mietkosten für die Autosalons der Jahre 2022 und 2023 angeboten.

Ein weiteres Schreckgespenst für die Aussteller in Genf sind die horrenden Hotelpreise während des Salons. Was können Sie da machen?

Genf Tourismus, Palexpo und wir haben die Hoteliers angeschrieben und um vernünftiges Vorgehen gebeten. Mit den Gepflogenheiten der vergangenen Jahre würden wir alle verlieren. Wir können dies aber nicht weiter beeinflussen. Wir haben allerdings einen Service für die Aussteller über den Hotelservice von Palexpo eingerichtet. Auf dieser Plattform bieten wir Zimmer zu vernünftigen Preisen bei unseren Partnerhotels an.

Warum wollte Ihr neuer Messepartner Katar geheim bleiben?

Er wollte nicht geheim bleiben, sondern einfach noch nicht kommunizieren.

Als Gegenleistung für den gezahlten Vorschuss verpflichten Sie sich, Ihren Partner bei der Einrichtung eines Salons in seinem Land zu unterstützen. Wird der Genfer Salon dann abwechselnd mit diesem neuen Event stattfinden?

Nein, der Autosalon Genf findet weiterhin jährlich statt. Der neue Salon in diesem Land wird dann alle zwei Jahre organisiert.

Was interessiert Sie als Beobachter der IAA München, die in einem Monat beginnt, besonders?

Mich interessiert das neue, dezentralisierte Konzept. Ich bin neugierig, wie die Marken sich auf dieser neuen Messe präsentieren werden. Vielleicht kann uns das sogar inspirieren!

Gibt es in Europa nur noch Platz für einen einzigen Salon?

Diese Frage ist schwer zu beantworten! Ich glaube, dass derjenige überleben wird, der die Erwartungen der Marken am besten erfüllt.

Sandro Mesquita, 1975 in Orbe VD geboren, begann seine berufliche Laufbahn bei der Swisscom, wo er bis 2000 arbeitete. Im darauffolgenden Jahr übernahm er die Funktion des Marketingleiters bei Romandie Energie. Zwischen 2007 und 2012 war er in gleicher Funktion bei Alpiq tätig. Er wechselte 2013 zu Publicis, wo er ab 2018 Geschäftsführer war. Im Frühjahr 2020 übernahm er als Nachfolger von Olivier Rihs die Position des Generaldirektors der Geneva International Motor Show.

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