Mit dem Namen Ioniq hatte Hyundai vor fünf Jahren schon einmal einen Punkt in Sachen Nachhaltigkeit gesetzt, denn der Ioniq war – und ist – das einzige Auto weit und breit, das sowohl als Hybrid, als Plug-in-Hybrid und als reines Elektroauto im Angebot steht. Nun wird ein weiteres Kapitel Ioniq aufgeschlagen. Der komplett neue Ioniq 5 ist als Start einer eigenen Elektroautoreihe zu sehen, von welcher bereits zwei weitere Fahrzeuge angekündigt sind: zuerst die Elektrolimousine Ioniq 6 und später das Elektro-SUV Ioniq 7.
«In unserer visuell überlasteten Zeit ist das Design des Ioniq 5 bewusst ruhig gehalten», sagt Thomas Bürkle, Chefdesigner von Hyundai Motor Europe. Abgeleitet wurde die Optik aus dem auf der IAA 2019 gezeigten Conceptcar 45 und geht wie dieses weg von komplexen Lösungen hin zu klaren Linien und minimalistischen Formen. «Bei der schnörkellosen Designsprache haben wir einen grossen Fokus auf die Silhouette gelegt», so Bürkle. Front und Heck sind stark horizontal geprägt, die Karosseriebleche werden von nur wenigen, aber klaren Linien unterbrochen. So wird auf Anhieb deutlich, dass der Ioniq 5 von besonderer Natur ist, ohne dies aber in die Welt hinauszuschreien. Diesen diskreten Ansatz zieht Hyundai sehr konsequent durch, wer seinen Ioniq 5 etwas bunter haben möchte, wird bei den Farben nicht fündig. Es gibt mit Grau, Grün, Gold und Schwarz aktuell nur bedeckte Farben.
Neue Plattform
Für den Ioniq 5 und für künftige batterieelektrische Fahrzeuge hat Hyundai die neue Plattform E-GMP entwickelt, die auch Konzernschwester Kia nutzen und im Herbst mit dem EV6 zum ersten Mal zum Einsatz bringen wird. E-GMP steht für Electric-Global Modular Platform und wird zum Rückgrat für eine ganze kommende Generation von Fahrzeugen (hier zum Beitrag). Sie verringert die Komplexität durch Modularisierung und Standardisierung und ermöglicht so eine schnelle und flexible Entwicklung unterschiedlicher Produkte für diverse Segmente.
Bei der E-GMP sind die Batterie und ihr stabiler Schutzrahmen tief im Fahrzeugboden platziert. Das senkt den Schwerpunkt E-Mobil-typisch stark ab und sorgt fast automatisch für ein dynamisches Kurven- und ein sicheres Fahrgefühl. Auf ausgedehnten ersten Probefahrten bestätigt sich dies. Das konventionelle Fahrwerk zeigt sich dabei als angenehmer Kompromiss, ist genügend straff für eine sportliche Gangart, schluckt aber leichte wie grobe Unebenheiten gut. Regelmöglichkeiten fürs Fahrwerk gibt es keine, mit dem Fahrmodus (Eco, Normal, Sport) verändert sich lediglich das Ansprechen des Antriebsstranges.
Wie bei immer mehr Elektromobilen ist der Motor grundsätzlich hinten, wobei im Ioniq 5 eine aufwendige Fünflenker-Hinterachsaufhängung zum Einsatz kommt, bei welcher die Antriebswellen und Radlager jeweils zusammen als ein Bauteil hergestellt werden. Bei den Allradversionen kommt vorne ein kleinerer Motor dazu, der naturgemäss den Stauraum im Vorderbau um mehr als die Hälfte verringert (24 statt 57 l).

Neue Batterie
Die neue Batterie (58 und 72.6 kWh) bezeichnen die Koreaner als ihre bislang leistungsstärkste Entwicklung. Mit verbesserter Kühlleistung und um zehn Prozent höherer Energiedichte lässt sie sich noch platzsparender in der Bodenkonstruktion unterbringen. Doch der eigentliche Clou ist, dass Hyundai nicht mehr auf das sonst übliche 400-Volt-System setzt, sondern auf die 800-Volt-Technologie wechselt, welche von Porsche im Taycan erstmals eingeführt worden ist. Durch die höhere Spannung ergeben sich zwei mögliche Vorteile in Bezug aufs Laden der Batterie. Einerseits fliessen bei gleicher Ladeleistung deutlich kleinere Ströme, was die Wärmeproblematik entschärft. Andererseits kann die Ladeleistung erhöht und damit die Ladezeit deutlich verkürzt werden. So ist es möglich, die Batterie im Ioniq 5 in nur 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent zu laden.
Bidirektionales Laden war bislang eine Besonderheit der Japaner wie bei Nissan mit dem Leaf und dem E-NV200, es war von Beginn weg im japanischen Schnellladeprotokoll Chademo enthalten. Im Ioniq 5 respektive mit der E-GMP-Plattform hat nun auch Hyundai seine Ladesteuerungseinheit bidirektional ausgelegt. Dadurch wird die Funktion Vehicle-to-Load (V2L) ermöglicht, mit welcher der Wagen andere elektrische Verbraucher speisen kann. Dabei werden bei 110/220 Volt bis zu 3.6 Kilowatt Leistung ermöglicht, was nicht nur für den Betrieb einer Klimaeinheit oder eines leistungsfähigen PC, sondern auch zum Laden eines anderen Elektrofahrzeugs reicht.
Wohnlich
Das Interieur ist wie die Front- und Heckgestaltung horizontal geprägt. Entsprechend sorgen auch innen klare Linien und sachliche Formen für einen aufgeräumten und einen – wohl gewollt – nüchternen Eindruck. Der obligate Breitbildschirm dominiert zwar auf gewohnte Weise das Cockpit, allerdings ohne den wuchtigen Auftritt vieler anderer Systeme. Das liegt daran, dass der gemeinsame Rahmen für die beiden 12.3-Zoll-Bildschirme statt des sonst fast unisono eingesetzten Schwarz in Weiss gehalten ist.
Das Kobiinstrument wird über Lenkradtasten bedient, das Infotainment ist ein Touchscreen. Die Menüs werden über eine Reihe physischer Direkttasten rechts vom Lenkrad angewählt, die Klimaanlage durch ein gleich unter der Tastenreihe liegendes Touch-Tastenfeld bedient. Vorwärts- und Rückwärtsgang werden über eine der griffgünstigen Lenksäulenhebel eingelegt. Alles wirkt qualitativ hochwertig, und Hyundai setzt aus Nachhaltigkeitsgründen für einen grossen Teil der Oberflächen auf rezyklierte Materialien. Gemäss Yasin Savci, verantwortlich für Color and Trim im Designcenter von Hyundai Europe, sind 40 Prozent von Sitzbezug und Türverkleidung aus PET-Recycling. «In jedem Ioniq 5 stecken rund 35 PET-Flaschen.»
Trotz einer eher hohen Sitzposition bietet der Ioniq 5 üppig Platz, auch hinten. In der Topausstattung Vertex, welche es nur mit der grossen Batterie gibt, sind die Sitze vorn und hinten elektrisch verstellbar und lassen sich vorn in eine Relaxposition bringen, für gediegenes Loungen bei einer Pause. Übrigens lässt sich auch das grosse Solardach nur mit der Ausstattung Vertex ordern. Der schon grosse Kofferraum kann dank der asymmetrisch geteilten Rücksitze stufenweise von 527 auf 1587 Liter vergrössert werden. Wegen des im Heck positionierten Motors bleibt unter dem Kofferraumboden aber nur wenig und vor allem stark zerklüfteter Platz übrig.
Technologie
Art und Stärke der Rekuperation lassen sich mittels Lenkradwippen verstellen. Der Rekuperationsgrad hat drei manuelle Stufen, bietet aber auch ein hervorragend funktionierendes One-Pedal-Driving. Der Ioniq 5 verfügt auch über eine Automatikfunktion für die Rekuperation, die in Abhängigkeit der Navigationsdaten und des vorausfahrenden Wagens ohne Eingriffe geschehen soll. Während der Probefahrten war allerdings trotz mehrerer Versuche kein Unterschied zur manuellen Steuerung auszumachen, was von den Entwicklern vor Ort als Anstoss für eine Vereinfachung der Bedienung aufgenommen wurde.
Dass der Ioniq 5 mit modernen Konnektivitätslösungen aufwartet, ist keine Überraschung. So lässt sich unter anderem die Klimaanlage vorkonditionieren, wenn das Auto am Strom angeschlossen ist, und man kann den Fahrzeugstatus aus der Ferne abfragen. Dazu kommt beispielsweise die Möglichkeit der Synchronisation mit einem Apple- oder Google-Kalender, sodass man sich direkt aus dem Kalender zum nächsten Termin navigieren lassen kann.
Die Ladeangebote von Hyundai umfassen drei massgeschneiderte Dienste. Ausserdem ist Hyundai Partner von Ionity, einem der grössten Netzwerk von Schnellladestationen mit über 83 000 Stationen europaweit. So erhalten Ioniq-Fahrer einfachen Zugang zu einem dichten Ladenetz.
Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.