Während immer mehr Elektrofahrzeuge auf unseren Strassen unterwegs sind, werden erst wenige davon auf einer speziell dafür entwickelten Plattform aufgebaut. Bisher sind das vor allem die Tesla-Modelle, der Honda E, der Jaguar I-Pace, der VW ID 3 oder der Porsche Taycan. Die meisten anderen Hersteller begnügen sich damit, ihre Elektrofahrzeuge auf sogenannten Multi-Drive-Plattformen zu entwickeln. Diese Zwitterplattformen werden aber in naher Zukunft mehr und mehr verschwinden, und die Hersteller werden nicht darum herumkommen, Plattformen speziell für ihre Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Diese können konstruktionsbedingt diverse Vorteile bieten, so beispielsweise mehr Platz im Innenraum, eine Vereinfachung in der Fertigung dank eines simpleren Antriebsstrangs und anders gestalteter Knautschzonen. Trotz der enormen Entwicklungskosten wagen es daher immer mehr Hersteller, in solche Elektro-Plattformen zu investieren, so auch der koreanische Automobilkonzern Hyundai Motor Group.
«Die E-GMP (Electric Global Modular Platform – Red.) ist das Ergebnis jahrelanger Forschung und Entwicklung», erklärt Fayez Abdul Rahman, Senior Vice President der Hyundai Motor Group. «Bis 2025 sollen 23 neue elektrische Modelle auf der E-GMP aufgebaut werden», so Fayez Abdul Rahman weiter. Welche das sein werden, dazu hält sich Hyundai noch bedeckt. Aufgrund der grossen Anzahl kann aber davon ausgegangen werden, dass die Plattform nicht nur von Hyundai selbst, sondern auch von Kia, der Edelmarke Genesis sowie von der Elektromarke Ioniq genutzt wird.
Renaissance des Heckantriebs
Die E-GMP-Plattform profitiert von einer idealen Gewichtsverteilung und einem sehr niedrigen Schwerpunkt dank der im Boden angeordneten Batteriemodule und des zwischen den Hinterrädern verbauten Antriebsmoduls. Der Hinterradantrieb scheint eine Renaissance zu erfahren, so ist auch Volkswagen bei der Entwicklung seiner elektrischen MEB-Plattform diesen Weg gegangen, und auch der sehr kompkate Honda E kommt mit Heckantrieb.
Der ganze Antrieb ist zusammengefasst in ein kompaktes Modul, das neben der E-Maschine auch das Getriebe und den Wechselrichter umfasst. Der Elektromotor soll für besonders hohe Drehzahlen ausgelegt sein, so Hyundai, und um bis zu 70 Prozent schneller drehen als heute übliche Elektromotoren. Der Hersteller kündigt ausserdem Verbesserungen bei der Energieeffizienz an: Der neue Antriebsstrang soll, unter anderem dank der Verwendung von Siliziumkarbid (SiC), um zwei bis drei Prozent effizienter werden. Zusammen mit den übrigen Effizienzverbesserungen soll die Reichweite so um fünf Prozent gesteigert werden können.
Auch mit Allradantrieb
Obwohl in der überwiegenden Mehrheit der Fälle der Hinterradantrieb zum Einsatz kommen wird, kann die E-GMP-Plattform auch eine zusätzliche E-Maschine an der Vorderachse aufnehmen, um bei Bedarf alle vier Räder anzutreiben. In diesem Fall verwendet Hyundai eine sogenannte integrierte Antriebsachse (Integrated Drive Axle, IDA), eine Neuentwicklung, die Lager und Kardangelenke kombiniert. Das System verfügt zudem über eine Kupplung zwischen den Rädern und der E-Maschine, sodass der Verbrauch bei nicht angetriebener Vorderachse verringert werden kann. Künftige elektrische Hyundai-Modelle werden in der Lage sein, bedarfsgerecht zwischen Hinterrad- und Allradantrieb umzuschalten, um Effizienz oder Fahrverhalten zu verbessern.
Zwischen den beiden Achsen liegt von warmgeformten Stahlelementen eingefasst das Batteriepaket, das je nach Modell unterschiedlich hoch positioniert ist. Um die Steifigkeit der Fahrgastzelle zu garantieren, soll bei einem Unfall die Kollisionsenergie von den Längs- und Querträgern absorbiert werden.
Mehr Platz im Innenraum
Der Radstand erlaubt laut Fayez Abdul Rahman Aussenlängen von 3000 bis 5000 Millimetern, und angesichts der kurzen vorderen und hinteren Überhänge werden die künftigen Elektromodelle von Hyundai sehr geräumig sein. Darüber hinaus bietet der flache Boden mehr Beinfreiheit und unterschiedliche Möglichkeiten der Anordnung der Vorder- und Rücksitze. Es ist daher zu erwarten, dass sich die künftigen Modelle aus Korea durch ein verbessertes Platzangebot auszeichnen werden.
Die Basisausführung der Lithium-Ionen-Batterie arbeitet mit 800 Volt und kann ohne zusätzliche Komponenten oder Adapter auch mit 400 Volt aufgeladen werden. Im voll geladenen Zustand soll ein auf der E-GMP-Plattform aufbauendes Elektrofahrzeug eine maximale Reichweite von über 500 Kilometern (nach WLTP) bieten. Dabei handelt es sich um einen Maximalwert, wobei die «Batterie jeweils eine Kapazität bietet, die auf die spezifischen Bedürfnisse jedes Fahrzeugsegments zugeschnitten ist», wie Hyundai schreibt. Im Idealfall wäre es damit an einer 350-kW-Ladestation, mit einer Leistung also, die derzeit nur die Ladesäulen von Ionity bieten, möglich, 80 Prozent der Batterie für eine Reichweite von 400 Kilometern in etwa 20 Minuten zu laden. Das dürfte für viele Kunden ein attraktives Paket sein, um wenigstens mit dem Gedanken zu spielen, sich ein Elektroauto anzuschaffen.
Wie eine Kupplung zwischen den Rädern und der E-Maschine den Rollwiderstand bei nicht angetriebener Vorderachse verringern kann, ist für mich rätselhaft. Dagegen wird durch die Kupplung das Massenträgheitsmoment der E-Maschine vom Antriebsstrang entkoppelt, wodurch die Fahreigenschaften verbessert werden.