Die Vollgasverlegerin

Auto und Mobilität sind ein Metier der harten Kerle. Denkt man. Denise Spörri schert sich nicht um solche ­Konventionen. Sie ist seit 2019 die Verlegerin der Automobil Revue. Und feiert jetzt einen runden Geburtstag. Grund genug, der Liebhaberin von Pferdestärken die Ehre zu erweisen.

Autorin: Dörte Welti

Natürlich tun wir das persönlich, Ehrensache. Zu diesem Zweck hat man mich aufgeboten, eine Freelance-Journalistin mit ebenso viel Leidenschaft für die Autowelt wie die zu Befragende. Über Denise-­Francine Spörri-Müller, wie sie mit vollem Namen heisst, habe ich schon einiges gehört, getroffen habe ich sie jedoch noch nie. Ich besuche sie an einem herrlichen Vormittag, darf sie bei sich zu Hause treffen. Denise Spörri lebt – nein, residiert ist das bessere Wort für dieses Setting – an einem wunderschönen Ort. Der kleine Fuhrpark in der Garage verrät die Autokennerin: Es finden sich dort ein Mercedes AMG SL, ein Audi mit Lamborghini-­Motor, ein Porsche 911 Carrera und ihr Liebling namens Grace, ein Jaguar XT 150 S, den sie eine Zeit lang sogar unbekümmert auf Rallyes zu fahren pflegte. Denise Spörri empfängt mich fröhlich, sie sieht blendend aus (nein, ich sage nicht «für ihr Alter», das ist total despektierlich und so was von out!) und führt mich in den Garten ihres Hauses. Wir hätten uns auch in ihrem Office treffen können, so aber ist es persönlicher.

Auf dem Rücken der Pferde

Wer ist diese Frau, die seit zwei Jahren die Geschicke der AUTOMOBIL REVUE lenkt? Wie würde ein einziger Satz über die Motivation der erfolgreichen Geschäftsfrau lauten? Denise Spörri überlegt kurz. «Begeisterung treibt mich an», sagt sie dann, «Begeisterung für alles, was man machen kann.» Und das ist in ihrem Fall viel. Reiten ist nur eines ihrer vielen Interessen. Denise Spörri, die in ihren 50ern Europas erfolgreichste Springreiterin mit ­einem doppelten Europa- und einem doppelten Schweizer Meistertitel bei den Senioren werden sollte, kommt als Kind zum Pferd. In eine Familie aus Pferdebegeisterten hineingeboren, erleidet sie als neunjähriges Ungestüm einen schweren Skiunfall (Skifahren war und ist auch so eine Begeisterung). Der Vater, selbst Orthopäde, sorgt mit Thomasbügeln dafür, dass sie während sechs Monaten keine Belastung der Hüftgelenke hat. Und als das Mädchen zur Zentrierung der Hüftluxation nachts in eine – ein furchtbares Wort – Spreizhose gesteckt werden soll, setzt er sie stattdessen aufs Pferd. Reiten ist Therapie, für Knochen und Seele der Kleinen. Und der Erwachsenen Denise Spörri. Bis heute.

Ausgezeichnet: Pferde(stärken) begleiten ­Denise Spörri schon ihr ganzes Leben. Aber nicht nur als Freizeitvergnügen, die passionierte Springreiterin erreichte als Seniorin doppelte Europa- und Schweizer Meistertitel, eine Galerie an Medaillen spiegelt den Ehrgeiz der Pferdesportlerin und ihrer neunjährigen Holländerstute Cleopatra What Else wieder.

Die schönen Künste

Kultur im weitesten Sinne und Musik und Kunst zuvorderst sind weitere Begeisterungen, denen sich Denise Spörri hingibt. Sie spielt Klavier, lernte das Virtuose bei der international renommierten Pianistin Ilse von Alpenheim am Konservatorium in Bern während der Zeit am Gymnasium. Denise setzt sich für mich sogar an den Flügel und spielt mir Chopins Nocturnes opus 9 vor, die sie für ein privates Konzert übt. Die Vielseitige, vor Energie Sprühende wird da auf einmal ganz ruhig, konzentriert, romantisch sogar, spielt den Flügel, als gäbe es die Welt um sie herum nicht. Das Haus, in dem der Flügel steht, hat sie selbst entworfen und praktisch um ihre Bilder herum gebaut, nichts ist zufällig, alles durchdacht, orchestriert und ergibt ein harmonisches Gesamtbild, keine kühle Galerie wie bei anderen, die Kunst lediglich als repräsentatives Mittel bei sich aufhängen.

Virtuoses Talent: Für Denise Spörri ist Klavier spielen Entspannung und Pflege ihrer kulturellen Interessen gleichzeitig.

Für Herz, Seele und Verstand

Psychologie ist das nächste Feld, das Denise Spörri begeistert. Eigentlich wollte sie Medizin studieren, wollte wie ihr Vater zu Beginn seiner eigenen Karriere Drittwelt-Medizin betreiben. «Ich bin ein Vaterkind», sagt Denise Spörri, «Ich habe meinen Vater immer sehr bewundert, er hat uns Kindern – wir sind drei Geschwister – immer alles ermöglicht, solange wir hart an dem, was wir machen wollten, gearbeitet haben.» Nach dem ersten Studienjahr in Lausanne realisierte sie jedoch, dass zu viele ihrer Interessen ihres intensiven Lebens, angefüllt mit der Hingabe zu Philosophie und Psychologie, zu Kunst und Musik, ihren heiss geliebten sportlichen Aktivitäten und dem Sein in der Natur miteinander kollidierten. Der Beruf als Medizinerin, das wurde ihr klar, ist damit inkompatibel, denn wenn Denise Spörri etwas macht, dann taucht sie ganz ein in das Thema, will Ergebnisse sehen. Ein Kontakt zu einem arrivierten Psychologen, durch den sie die Daseinsanalyse kennenlernt und der bei der damals Anfang 20 Jahre jungen Frau innert weniger Stunden regelrecht Felsbrocken an Blockaden wegräumt, lässt sie sich für das Fach Psychologie als Studiengang begeistern.

Der Mutter jedoch ist die Studienrichtung Psychologie suspekt, brotlos erscheint sie ihr, und Denise legt vorerst ein Diplom in Englisch in Cambridge und eines in Französisch an der Universität von Genf, der École d’Interprête, ab, macht also zwei Diplome, wenn schon, denn schon. Sie merkt bei der Arbeit, dass sie die gesprochenen Worte mehr interpretiert als lediglich simultan übersetzt, weil sie sich in die Psyche der Menschen hineindenken kann und ihre Intentionen versteht. Der Wunsch, Psychologie zu studieren, ist in der Folge präsenter denn je, sie belegt Studiengänge an der École de Psychologie und wusste: Sie hat ihre Berufung gefunden. Nach zwei Jahren wechselt Denise nach Zürich an die Universität, beschäftigt sich mit klinischer Psychologie, allgemeiner Psychologie anthropologischer Richtung und Tiefenpsychologie, Kinderpsychologie und Pädagogik, the ­whole lot, schreibt ihre Lizentiatsarbeit in klinischer Psychologie. «Ich war immer und bin hungrig nach Bildung», gibt Denise Spörri, die an einem humanistischen Gymnasium ihre Matura machen konnte, zu. Heute, als Mutter von zwei wundervollen Kindern, Nadine und Alexander, kann sie auf eine erfüllende 20-jährige Karriere mit eigener psychotherapeutischer Praxis und einen 15-jährigen Lehrauftrag am Kirschenbaum-Institut für integrative Paar- und Familientherapie – ein Fachbereich, für den sie auch noch ein Zusatzstudium angehängt hatte, wenn schon … siehe oben! – zurückblicken.

Initialzündung Archiv

Nicht zuletzt dieser konstante Hang zur Bildung ist denn auch im weitesten Sinne verantwortlich für Denise Spörris heutiges Engagement als Verlegerin. Als ihr Vater stirbt, hinterlässt er ein weltweit einzigartiges, aber ungeordnetes Archiv in Form von Dokumentationen. Die Tochter weiss, dass sie das für die Nachwelt erhalten möchte, ihre Zwillingsschwester Janine übernimmt das Handling. In dieser Phase tritt die AUTOMOBIL REVUE, die Denise und ihr Mann Engelbert W. Spörri bereits seit Jahren regelmässig lesen, auch faktisch in ihr Leben. «Per Zufall lernten mein Mann und ich den damaligen Verleger kennen», rekonstruiert Denise Spörri das Geschehen. «Wir erfuhren von dem einzigartigen Archiv, das bis ins Gründungsjahr der AR 1906 zurückreicht.» Und als eben jener Verleger in finanzielle Schieflage gerät, kauft ihm Denise Spörri das Archiv ab, die Geburtsstunde der eigens dafür gegründeten ARAAG (AUTOMOBIL REVUE ARCHIV AG, mit Engelbert Spörri als Präsident und ihr als Vizepräsidentin). «Ich habe sofort gewusst, dass vor mir ein Weltkulturerbe liegt», erinnert sich Denise Spörri an den Moment, verhinderte mit ihrem Entscheid, dass das wertvolle AR-Archiv in irgendeiner Konkursmasse verloren geht. Um das Archiv der Nachwelt zu erhalten, lässt Denise Spörri es digitalisieren, ein andauernder Prozess. Das physische Archiv gibt Denise Spörri in die wissenden Hände ihres fachkundigen Freundes Walter Frey, mit dem sie schon lange die Liebe zu Pferden und Autos verbindet. Das AR-Archiv ist heute eingegliedert im Classic Center und im Museum in Safenwil AG. Die Zeitung selbst, die AUTOMOBIL REVUE, ist zu diesem Zeitpunkt aber immer noch in den Händen des erwähnten Verlegers.

Aufs Ganze gehen

Natürlich ist Denise Spörri auch begeistert von Autos und Mobilität, auch das ein Teil ihrer Kindheit, schon der Grossvater väterlicherseits und die Mutter waren Petrolheads. Der Grossvater nahm die Kinder manchmal in einem Automobil mit (was auch bei Denises Bruder Jean-Pierre, heute Arzt wie sein Vater, in Form von Autofaszination hängen blieb), die Mutter von Denise war eine emanzipierte frühe Autofahrerin und liebte das Ausfahren mit ihren Kindern in schönen Autos. «Sie war eine der ersten Frauen überhaupt, die einen Zweitwagen fahren durften», erinnert sich Denise. Unter anderem gab es da mal einen Alfa Romeo Duetto Spider (wer ihn nicht kennt: googeln! Ein super schnittiges Sportwägelchen!), der der Mutter gehörte, den sich Denise, gerade mal 18 Jahre jung und führerscheintüchtig, erbettelt für eine Tour zur geliebten Tante nach Biel BE. Sie nimmt noch ­eine Freundin mit, die jungen Damen werden von ­einem überholen wollenden Wagen im toten Winkel übersehen und bei 170 km/h (!) mit dem Cabriolet von der Autobahn katapultiert. Das Auto überwindet wegen des hohen Tempos ungehindert den Niveauunterschied von Autobahn zum daneben liegenden Feld und landet auf allen vier Rädern – die Mädchen sind praktisch unverletzt, das Auto Schrott, und Denise erinnert sich noch genau an das Telefonat, das sie mit dem Vater führen und wo sie den Unfall beichten musste (der Vater sorgt dann übrigens dafür, dass Denise Fahrsicherheitslehrgänge beim TCS macht, gute Reaktion). Horrorszenario für jeden, der Kinder hat.

Aufstand

Bruchlandungen unterschiedlichster Art haben Denise Spörri nie davon abgehalten, ihren Begeisterungen zu folgen, sie gibt nicht auf, wenn sie davon überzeugt ist, etwas genau richtig zu machen. Das gilt auch für ihre noch junge Rolle als Verlegerin. Die Engagierte verfolgte konstant mit einem wachen Auge, welche Achterbahnfahrt die geschäftliche Seite der AR durchlebte. Eines Tages dann bekam sie vom Vorbesitzer die Anfrage, ob sie nicht Interesse hätte, die AR zu kaufen. «Seit ich das Archiv gesehen hatte, gehörten für mich das Archiv und die AUTOMOBIL REVUE selbst eigentlich untrennbar zusammen», erklärt Denise Spörri ihre Überlegungen vor etwas mehr als zwei Jahren. Die Redaktion war indes etwas versprengt worden, räumlich vor allem, eine schwierige Situation. Harte Verhandlungen folgten, ein Feld, das Denise Spörri nicht scheut, sie hat Erfahrung im Business, hatte langjährige Verwaltungsratsmandate in den zwei Firmen der Medizinaltechnik ihres Vaters inne und hielt 20 Jahre Verwaltungsratsmandate bei den Immobilienfirmen ihres Mannes. Sie lässt sich ausserdem von ihrem nicht weniger autoaffinen Mann und ihrem Sohn beraten, Letzterer hat, natürlich, das Benzin im Blut von beiden Seiten vererbt bekommen und sitzt heute ebenfalls im Verwaltungsrat der AUTOMOBIL REVUE. «Letztlich bekam ich den Zuschlag für die AR», sagt Denise Spörri, ihre Augen strahlen dabei, die Inhaberin ist in ihrem Element. Besonders auch, weil sie es jetzt geschafft hat, alle wieder – räumlich, die AR ist in komplett renovierte Lokalitäten nach Grenchen SO umgezogen – unter ein Dach zu bekommen. 

«Die AR hat einen Hafenplatz erhalten», sinniert Denise Spörri und meint damit den Fabrikkomplex, der ihrem Mann gehört und wo sich die Redaktion so richtig ausbreiten kann. Harmonie, aber auch Effizienz sind ihre Triebfedern und vor allem eines: «Ich sehe es als meinen verlegerischen Auftrag, alles zusammenzuhalten.» Zusammenführen, was zusammengehört. So kann es gehen. Herzlichen Glückwunsch, Denise Spörri, zu diesem Entscheid und zum Geburtstag.

3 Kommentare

  1. Der Artikel über Eure engagierte Vollblut Verlegerin hat mich begeistert: BRAVO, super Fotos, super „Portrait“! Jetzt weiss ich, warum mich dünkte, die AR sei mit frischem Wind unterwegs! Ein Lob an das ganze AR Team, was diese Woche für Woche für super Leistung abliefern!

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