Allradantrieb ist der Feind des Verbrauches. Das ist nichts Neues, denn wenn ein Motor ein Verteilergetriebe, Sperrdifferenziale und zwei Achsen antreiben soll, dann braucht er einiges mehr an Treibstoff. Und mehr Verbrauch bedeutet logischerweise auch mehr Abgase. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn hohe CO2-Emissionen aktuell nicht der grösste Albtraum der Automobilhersteller wären. Die Überschreitung der vorgeschriebenen Grenzwerte kostet die Hersteller und Importeure jedes Jahr Dutzende bis Hunderte Millionen Euro an Strafgeldern. Und das Limit dessen, was ausgestossen werden darf, wird Jahr für Jahr weiter gesenkt, was es auch nicht gerade einfacher macht. So sind es seit Anfang Jahr 2020 95 g CO2/km, die ein Neuwagen noch ausstossen darf. Für diejenigen Hersteller, die sich traditionell den Allradantrieben und Geländewagen verschrieben haben, wird es also zunehmend schwieriger. 2018 betrug beispielsweise der Flotten-CO2-Ausstoss von Land Rover in der Europäischen Union 155 g/km, derjenige von Jeep 142 g/km – beide lagen damit klar über dem Zielwert.
Ohne Antriebswelle
Die einzige Lösung für die Hersteller ist also die Elektrifizierung der Modellpalette. So entstanden auch bei Land Rover und bei Jeep Varianten mit Hybrid- und Plug-in-Hybridantrieb. Die Plug-in-Hybridantriebe sind die Lieblinge der Hersteller, denn sie haben ausser der Verbrauchsreduktion auch noch einen technischen Vorteil: Wenn die Hinterachse rein elektrisch angetreiben wird, kann auf die Kardanwelle verzichtet werden. Das sind schnell einmal 100 Kilogramm und mehr, die das Fahrzeug weniger auf die Waage bringt. Und dann ist da noch die Sache mit dem Verbrauch. Der WLTP-Zyklus kommt den Plug-in-Hybriden äusserst gelegen, denn sie können einen guten Teil der 23.5 Kilometer langen Teststrecke rein mit dem elektrischem Antrieb absolvieren. Das ergibt bei Jeep einen Verbrauch von 2.2 l/100 km für den Compass 4XE, und der riesige Range Rover P400E begnügt sich mit bloss 3.9 l/100 km.
Kein Risiko eines Stromschlages
Bei all diesen elektrifizierten Offroadfahrzeugen stellt sich aber die Frage: Ist so ein Elektroantrieb sicher im Gelände? Was passiert bei der Durchfahrt eines Wasserlaufs mit einer Hochvoltbatterie, die oftmals im Unterboden des Fahrzeuges verbaut ist? Es braucht nicht viel Fantasie, um sich da Horrorszenarien auszumalen, was passieren könnte, wenn eine solche Batterie in Kontakt mit Wasser kommt. Auf Nachfrage erklären die Marken, dass selbstverständlich es kein Risiko eines Stromschlages oder Kurzschlusses gibt: «Es besteht absolut kein Risiko», erklärt Francesco Cimmino, Chefingenieur für Hybridantriebe bei Stellantis. «Die Batterie und alle Hochspannungskomponenten sind gegen das Eindringen von Wasser geschützt. Wo nötig, geht das bis hin zur Norm IP7.» Die Norm IP7 schreibt vor, dass Geräte beim Eintauchen einen Meter unter die Wasseroberfläche während 30 Minuten lang dicht bleiben müssen. Solchen Bedingungen dürfte eine Batterie niemals ausgesetzt sein. Auch Nick Collins, Mitglied der Geschäftsführung und verantwortlich für das Fahrzeugprogramm bei Jaguar Land Rover, äussert sich dahingehend: «Für unseren Land Rover Defender PHEV gibt es keine Einschränkungen, was Wasserdurchfahrten angeht. Er weist genau dieselben Fähigkeiten auf wie die Benzin- und Dieselversionen. Unsere elektrischen Antriebe sind so entwickelt, dass sie sämtlichen Anforderungen im Gelände gewachsen sind. Das gilt für die Wattiefe ebenso wie für Stösse bei der Fahrt in schwierigem Gelände.»
Auch der Staub, ein bekannter Feind der Elektronik, sei kein Problem für stromgetriebene SUV und Geländewagen. Jeep gibt sich sicher: «Unser System ist für den Sand in Arizona ausgelegt, der in der Automobilbranche als der anspruchsvollste Staub überhaupt gilt.»
Verfeinerte Drehmomentregelung
Somit ist weder Staub noch Wasser ein Hindernis für die elektrischen Geländewagen. Im Gegenteil, Jeep und Land Rover unterstreichen die Vorteile des Elektroantriebs im Gelände. «Durch den Elektroantrieb ist mehr Drehmoment verfügbar, was für den Kriechbetrieb auf den anspruchsvollsten Passagen vorteilhaft ist, wo man mit ganz kleiner Übersetzung fahren muss», erklärt Francesco Cimmino von Stellantis. Ausserdem erlaubt der Elektroantrieb eine noch feinere Regelung des Drehmoments individuell für jedes Rad: «Das sofort verfügbare Drehmoment und die Möglichkeit, dessen Verteilung an jedes einzelne Rad genau zu kontrollieren, ist im Gelände von entscheidendem Vorteil», erklärt Nick Collins von Land Rover. Auch das zusätzliche Batteriegewicht sei kein grosses Problem: «Das Fahrzeug profitiert vom niedrigeren Schwerpunkt der Batterien in der Bodengruppe. Ein abgesenkter Schwerpunkt bedeutet mehr Stabilität sowie eine bessere Dynamik und bringt mehr Vorteile im Allradmodus», erklärt Jeep die Vorteile des Hybridantriebes.
Die beim Jeep Renegade 4XE in den Unterboden integrierte Batterie (hellblau) ist nicht nur wasserdicht, sondern auch gegen das Eindringen von Staub geschützt.
Eine Panne mitten in der Wüste
Aber machen wir uns nichts vor, ein Mehrgewicht ist niemals von Vorteil für ein Geländefahrzeug – für kein Fahrzeug. Schon gar nicht bei einem Vollstromer, bei dem die Batterie schnell einmal mehrere Hundert Kilogramm wiegen kann. Ein kleinere Batterie geht aber zu Lasten der Reichweite. Gerade bei Offroadfahrzeugen ist dies ein wesentlicher Punkt. «Das stimmt, je grösser die Batterie, desto schwerer das Fahrzeug. Die Herausforderung für die Ingenieure besteht in der Konstruktion von Fahrzeugen mit maximaler Reichweite und hoher Geländegängigkeit», gibt Nick Collins zu.
Eine geringe Reichweite im Vergleich zu einem Verbrenner ist ein wesentliches Problem für einen Elektro-Geländewagen. Dort, wo man das Benzin- oder Diesel-SUV mit dem Kanister nachtanken kann, bleibt der elektrische Geländewagen mitten in der Wüste liegen. Dazu bemerkt Nick Collins lakonisch: «Elektrofahrzeuge müssen über eigene Lösungen verfügen, wenn die Insassen einsame Geländestrecken zurücklegen wollen.» Was für Lösungen er damit meint? Auf diese Frage hat auch er keine Antwort parat. Jeep engagiert sich für die Einrichtung von Ladesäulen: «Wir kooperieren mit den zuständigen Regierungen und Behörden zur Einrichtung einer Ladeinfrastruktur», so Francesco Cimmino. «So haben wir in den USA das Jeep-4XE-Charging-Network eingerichtet, das Ladesäulen am Anfang von Jeep-zertifizierten Offroadstrecken bereitstellt». Eine Massnahme, die eigentlich keine richtige und für Offroadtouristen bestimmt ist, aber kaum für den Alltagsbetrieb in einsamen Regionen der Welt.
Die Wasserstoff-Piste
In Anbetracht der Herausforderungen bei Reichweite und Nachladen geben die Ingenieure von Jeep und Land Rover unumwunden die Vorteile eines anderen Antriebskonzeptes zu: «Obwohl wir nichts zu zukünftigen Modellen sagen, arbeiten wir bei Jeep natürlich an anderen alternativen Antrieben.» Eine kaum versteckte Anspielung auf den Wasserstoff. Bei Land Rover verschweigt man das Interesse an der Brennstoffzelle ebenfalls nicht: «Wir arbeiten an einer Brennstoffzelle und der Einrichtung eines Wasserstoff-Tankstellennetzes», erklärt Nick Collins. «Die Entwicklung läuft bereits, und unsere Prototypen werden in den nächsten zwölf Monaten auf den britischen Strassen fahren.» Wir sind gespannt.